„Bayerns bester Buchhandlung“ droht das Aus: Inhaberin „blutet selbst das Herz“ und nennt Ursachen
Moosburg ohne Barbaras Bücherstube: für viele undenkbar. Doch nun droht dem prämierten Laden das Aus. Wie das kam und welche letzte Hoffnung es gibt, erklärt die Inhaberin.
Moosburg - Sie ist preisgekrönt, versorgt die Region seit Generationen mit Lesestoff und bereichert Moosburgs Kultur- und Bildungslandschaft: Barbaras Bücherstube am „Gries“ ist nicht einfach bloß ein Laden, sie ist eine Instanz. Im Interview mit dem Freisinger Tagblatt spricht Inhaberin Gabriele Kellner (66) über dramatische Entwicklungen in ihrer Branche, weinende Kunden und Versäumnisse im Moosburger Rathaus.
Frau Kellner, als wir Sie das letzte Mal interviewt haben, war Ihre Barbaras Bücherstube gerade zu Bayerns bester Buchhandlung gekürt worden. Nun, fünf Jahre später, steht Ihr Laden vor dem Aus. Weil Sie in Rente gehen wollen?
Auch, aber das ist nicht der einzige Grund. Übrigens sind wir inzwischen noch mehrfach mit anderen Auszeichnungen prämiert worden, aber das hilft uns leider auch nichts (lacht).
Was sind denn die anderen Gründe?
Es gibt noch weitere private Umstände – und äußere Einflüsse wie diesen: Im Einzelhandel allgemein und im Buchhandel speziell sind die Kosten enorm gestiegen. Als unabhängige Buchhandlung trifft uns das besonders. Die Zulieferer schlagen alles, was sich an Kosten erhöht, drauf. Und wir können das fast nicht mehr auffangen. Die Buchpreisbindung war für uns lange überlebensnotwendig, aber seit gut einem Jahr fällt sie uns auf die Füße.
Weil Sie bei Ihren Produkten nicht selbst an der Preisschraube drehen können?
Genau. Und das bei brutal gestiegenen Kosten. Das geht nicht so wie anderswo, etwa in der Gastronomie.

Ihre Branche ächzt seit Jahren unter der Online-Konkurrenz, vor allem durch Amazon. Wie hat sich das auf Barbaras Bücherstube ausgewirkt?
Wir haben wahnsinnig viele Stammkunden, aber von denen allein kannst du nicht leben. Wenn nur ein Bruchteil der Leute, die alles nur noch bei Amazon bestellen, den Buchladen frequentieren würde, sähe es anders aus. Seit Corona hat sich die Lage noch verschärft, jetzt kommen die Leute meist nur noch, weil sie ein Buch irgendwo gesehen haben und das gezielt kaufen. Sie stöbern nur noch selten im Laden.
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Das klingt nach einem großen Dilemma.
Unser Geschäft gibt es unter diesen Umständen auch einfach nicht her, dass ich eine Betriebsleitung einstelle und den Laden so weiterführe. Um Personalkosten zu sparen, haben wir seit diesem Jahr schon montags geschlossen.
Die Bücherstube wurde 1978 von der Namensgeberin Barbara Breimesser gegründet, 2000 übernahm Josef Heise den Betrieb – und 2011 dann Sie. Warum übergeben Sie nicht ebenfalls an eine Nachfolge?
Ich bin bereits über ein Jahr auf der Suche und hab‘ zwar auch Interessenten gefunden. Aber entweder ist es an privaten Umständen gescheitert, weil sie beispielsweise keine Kinderbetreuung am Ort gefunden haben, oder die gehen eine Runde durch die Stadt und sagen dann: Mhm, da ist ja nichts.
Viele sind der Meinung, dass die Stadt schon Jahre nur dabei zugeschaut hat, wie ein Geschäft nach dem anderen schließt.
Sie sprechen vom Leerstand und geringer Attraktivität der Innenstadt.
Viele hier sind der Meinung, dass die Stadt schon Jahre nur dabei zugeschaut hat, wie ein Geschäft nach dem anderen schließt. Es gibt auch immer weniger Parkplätze. Viele unserer älteren Kunden lesen zwar viel, aber sind nicht mehr so mobil. Oder nehmen wir die Leute, die aus dem Umland kommen: Die fahren drei Runden, finden keinen Parkplatz und sagen sich dann: Da fahr‘ ich nicht mehr rein. Das ist ein großes Problem.
In den vergangenen Monaten fielen viele Stellplätze in der Innenstadt wegen Baustellen weg.
Diese ganzen Baustellen-Folgen haben uns brutal weh getan und 20 Prozent Kassenumsatz gekostet. Hier die Leinbergerstraße, dort der Plan, dazu überall Glasfaser-Arbeiten: Man macht alles gleichzeitig, ohne Rücksicht auf Verluste. Da ist keiner im Vorfeld auf uns zugekommen, um die Auswirkungen zu besprechen. Ich weiß von anderen Geschäftsleuten, die im Rathaus vorgesprochen haben, und dort war man überrascht von den Auswirkungen. Die Stadtverantwortlichen scheint das nicht zu tangieren und Moosburg Marketing unternimmt auch nichts. Einfach frustrierend!

Wo haben Sie denn nach einer Nachfolge gesucht?
Wir haben zum Beispiel beim Börsenvereins des Buchhandels, unserem Dachverband, auf dessen Plattformen inseriert und unsere Suche auch auf Branchenmessen propagiert. Wenn ich das Fachblatt verfolge, stehen da allerdings jede Woche drei Buchhandlungen drin, die irgendwo aufhören. Teils ist das natürlich die Boomer-Generation, die jetzt in Rente geht. Aber es sind eben auch Kostengründe, wegen derer kleinere Läden einfach aufgeben. Die großen Ketten sind zwar auch nicht zuversichtlich, haben aber andere Einkaufspreise und können das im Verbund irgendwie auffangen.
Was müsste Ihr Nachfolger mitbringen?
Der Warenbestand sollte abgelöst werden – in der Branche wird der Bestand bei Verkauf mit 60 Prozent abgewertet, hinzu kommt eine zu verhandelnde Ablöse. Und der- oder diejenige müsste auch eventuell mit einer Durststrecke rechnen. Bei uns ist es so: Wir arbeiten elf Monate für die Kosten und schießen in dieser Zeit zu. Der Gewinn wird in der Regel im Dezember mit dem Weihnachtsgeschäft erwirtschaftet.
Wer könnte Ihr Geschäft trotz dieser Hürden übernehmen wollen?
Wenn jemand jung und dynamisch ist, dazu nicht die Vorstellung hat, dass er oder sie hier reich wird, ein paar Jahre richtig anpackt und vielleicht auch auf Social Media aktiv wird, sich dazu weiter in den Schulen engagiert – dann könnte sich das für eine Person rechnen. Für zwei reicht’s nicht zum Leben.
Theoretisch kann sich ein Nachfolger ins gemachte Nest setzen. Er muss aber auch ein Risiko eingehen.
Welche Vorteile würde Ihr Nachfolger genießen?
Unser großes Plus ist, dass wir einen guten Ruf haben, mit allen Schulen und Büchereien im Umfeld gut vernetzt sind. Das wurde alles über Jahre aufgebaut. Theoretisch kann sich ein Nachfolger ins gemachte Nest setzen. Er muss aber auch ein Risiko eingehen.
Was passiert mit Ihrem Team, wenn sich niemand mehr findet?
Wir haben das Glück, dass dadurch keiner arbeitslos werden würde. Eine Angestellte ist zum November in Rente gegangen, eine weitere Festangestellte könnte noch ein paar Jahre arbeiten, muss es aber auch nicht unbedingt. Ein Student wird nächstes Jahr eh mit dem Studium fertig und wird aufhören – bleibt noch eine 500-Euro-Kraft, die mehr aus Spaß an der Tätigkeit mithilft.
Stünden Sie zur Einarbeitung zur Verfügung?
Wenn jemand fragt, ob ich ihn das restliche Jahr begleiten könnte, dann bin ich gerne dabei, vielleicht als 500-Euro-Kraft. Aber das wäre kein Muss.
Falls sich niemand meldet: Wann ist definitiv Schluss?
Es gibt noch keinen Stichtag. Wenn sich bis Dezember keiner rührt, wird’s danach noch ungefähr ein Vierteljahr dauern, da ich Kündigungsfristen etwa für die Miete, Großhändlerverträge oder Versicherungen einhalten muss. Wenn wir aktuell Gutscheine verkaufen, legen wir einen Flyer dazu, auf dem wir bitten, den Gutschein möglichst zügig heuer oder zumindest Anfang des nächsten Jahres einzulösen. Ein Nachfolger könnte, müsste die aber nicht zwingend übernehmen.
Wie reagiert denn Ihre Kundschaft auf das drohende Ende von Barbaras Bücherstube?
Manche hatten Tränen in den Augen, als sie davon hörten. Viele sind entsetzt und sagen, das wäre total traurig und der Wegfall dieser Institution ein großer Verlust für Moosburg. Wenn sie die Umstände erfahren, zeigen sie Verständnis. Ich selbst arbeite seit 1990 hier, daher tut es mir um die vielen treuen Kunden leid. Uns allen blutet selbst das Herz, aber ich hab‘ ehrlich gesagt nicht viel Hoffnung, dass es weitergeht.