Zwei Jahre in der Ukraine: Eichenaus Bürgermeister und der Partnerschaftsreferent berichten

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Bild des Schreckens: 250 Wohnungen und diverse Autos wurden bei einem Luftangriff am 25. November in Wischgorod zerstört. © Archiv

Am 24. Februar jährt sich zum zweiten Mal der Kriegsbeginn in der Ukraine. Eichenaus Partnerstadt Wischgorod, das 20 Kilometer nördlich der Hauptstadt Kiew liegt, lebt seitdem in Angst. Ein Interview.

Ist das den Menschen hier immer noch präsent? Wird weiter geholfen? Eichenaus Bürgermeister Peter Münster und Partnerschaftsreferent Claus Guttenthaler schildern ihre Eindrücke.

Denken Sie, dass man den Krieg in der Ukraine hierzulande mittlerweile zu wenig im Bewusstsein hat oder ihn einfach am liebsten verdrängen will?

Peter Münster: Wie leider in allen Kriegen leben die Menschen jenseits der betroffenen Grenzen weitgehend unbehelligt in ihrem Alltag. Die bewaffnete Auseinandersetzung scheint weit weg, ohne dass sie komplett aus dem Bewusstsein verschwindet. Claus Guttenthaler: Ich sehe keine Verdrängung im Bewusstsein der Deutschen. Eher eine Überlagerung durch andere Krisen wie den Krieg Israels gegen die Hamas sowie persönliche Betroffenheit durch steigende Preise und unpopuläre Entscheidungen der Bundesregierung.

Erkennen Sie eine gewisse Müdigkeit bei der Hilfeleistung? Oder ist es einfach mehr in den Hintergrund gerückt?

Münster: In die Ukraine gehen weiterhin viele Hilfeleistungen. Heute wie in den letzten Jahren in der Vergangenheit erfolgten viele Unterstützungsleistungen jenseits der Öffentlichkeit im infrastrukturellen Bereich. Wir haben aus Eichenau vorrangig auf Wünsche und Anforderungen geliefert, werden dies auch zukünftig so tun. Guttenthaler: Derzeit steht die Lieferung von technischem Gerät wie einem Feuerwehrfahrzeug an. Sammlungen persönlicher Hilfsgüter wie Kleidung, Lebensmittel oder Medikamente finden nicht statt, weil in Wischgorod derzeit kein Bedarf besteht.

Inwieweit können Sie mit Wischgorod Kontakt halten?

Münster: Ich telefoniere unregelmäßig mit meinem Amtskollegen Oleksii Momot in Wischgorod. Informationen erhalten wir im Übrigen über verschiedene persönliche Kontakte und Nachrichten.

Wie groß war die Gefährdungslage Wischgorods bei den Angriffen um Neujahr herum?

Guttenthaler: Durch die Nähe zu Kiew gab und gibt es auch jetzt verstärkt Luftalarme, da die russische Armee unablässig Angriffe fliegt, hauptsächlich mit Kamikaze-Drohnen. Die ukrainische Luftabwehr schafft es zwar, einen großen Teil dieser Drohnen abzuschießen. Aber die herabfallenden Trümmerteile verursachen im Großraum Kiew immer wieder Schäden. Die vermeintliche Unbeschwertheit des letzten Sommers ist der Sorge gewichen, dass es doch zu Zerstörungen und Toten kommen kann. Münster: Unbeabsichtigte Schäden auch für Wischgorod sind wegen der Nähe zu Kiew für die Zukunft nicht auszuschließen.

Welchen Eindruck haben Sie von Moral und Durchhaltewillen der Ukrainer?

Hilfe durch Technik: Die Fahrzeuge, die 2022 nach Wischgorod gingen und die Crews, die sie bis zur polnisch-ukrainischen Grenze transportierten.	ARCHIVfoto: HANS KÜRZL
Hilfe durch Technik: Die Fahrzeuge, die 2022 nach Wischgorod gingen und die Crews, die sie bis zur polnisch-ukrainischen Grenze transportierten. © Kürzl (Archiv)

Guttenthaler: Die Folgen des Krieges sind spürbar durch Gefallene oder Verletzte. Die Lebensverhältnisse erschweren sich durch die unsichere Lage, den Mangel an wirtschaftlicher Entwicklung und kaum messbare Erfolge bei der Kriegsführung. Die Ukrainer wollen friedlich in ihrem demokratischen Staat leben und nicht unter den Einfluss der russischen Föderation und ihres Präsidenten geraten. Was das bedeutet, hat man an den Gräueltaten in Butscha und Irpin gesehen. Deshalb ist der Wille zur Verteidigung des Landes und der Demokratie ungebrochen. Münster: Moral und Verteidigungswillen der Ukrainer sind nach meiner Einschätzung weiterhin sehr hoch. Allerdings macht sich vor Ort ein gewisser Fatalismus breit, der schnellen Lösungen eine Absage erteilt. Dies kann Einfluss auf die Situation haben.

Die Hoffnung auf baldigen Frieden in der Ukraine – wie groß ist diese für Sie?

Münster: Hoffnung ist natürlich immer da, wahrscheinlich ist ein baldiger Friede aber leider nicht. Guttenthaler: Wenn Putin die Aggression beendet, ist der Krieg sofort beendet. Wenn die Ukraine aufhört, sich zu verteidigen, sind Land und die Demokratie dem Untergang geweiht. Die Ukraine kann sich nur erfolgreich wehren, wenn die Weltgemeinschaft mehr militärische Hilfe gibt. Bisher wurde der Ukraine nur so viel geholfen, dass sie gerade nicht untergeht. Die Rufe nach diplomatischen Verhandlungen scheitern an Russland.

Bitte vervollständigen Sie diesen Satz: Den Menschen in Wischgorod kann man helfen ...

Münster: ... indem man schon heute darüber nachdenkt, wie der Aufbau der Ukraine nach dem Ende des Krieges erfolgen kann. Guttenthaler: …indem man ihnen immer wieder moralisch Unterstützung gibt und ihnen zeigt, dass wir fest an ihrer Seite stehen.

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