Nicht für alle in Geretsried wird es Fernwärme geben
Zum Vorbild für Kommunen auf dem Weg zur Klimaneutralität will Geretsried werden - und zwar mit Geothermie. Circa 75 Millionen Euro wird das geplante Fernwärmenetz kosten.
Geretsried – Zum Vorbild für Kommunen auf dem Weg zur Klimaneutralität will Geretsried werden. Wie berichtet unterzeichneten die Stadt und die Eavor GmbH vor ein paar Tagen einen Vertrag über die Lieferung von Erdwärme, die in Gelting gefördert werden soll. Das Fernwärmenetz wird – je nach Bohrfortschritt ab 2025 oder 2026 – in sechs Ausbaustufen gebaut. Für den Chef der Geretsrieder Stadtwerke, Jan Dühring, ist die Vertragsunterzeichnung ein Meilenstein: „Das ist für uns eine super Chance, große Teile der Wärmeversorgung unserer Stadt zuverlässig und zukunftsträchtig zu bestreiten.“
Netzbau: Stadt ist in Vorleistung gegangen
Projektpartner sind die Isar Loisach Naturwärme (ILN) GmbH, eine Tochter der Stadtwerke Geretsried, und die Eavor Erdwärme Geretsried GmbH. Monatelang wurde hinter verschlossenen Türen verhandelt – so lange, bis beide Parteien mit dem Ergebnis zufrieden gewesen seien, sagt Dühring auf Nachfrage. „So ein Vertrag ist kompliziert und komplex. Es sind viele Belange aufeinander abzustimmen“, verrät der Stadtwerkeleiter. Technische Parameter seien festgezurrt, wirtschaftliche Konditionen geregelt und Themen der Absicherung diskutiert worden. Fast 30 Seiten umfasse das Schriftstück nun.
Parallel zu den Vertragsverhandlungen machte man sich Gedanken über den Bau eines Fernwärmenetzes. So, wie es momentan geplant ist, wird es im Endausbau über die kommenden Jahre circa 75 Millionen Euro kosten, wobei etwa 40 Prozent durch eine Bundesförderung getragen werden. „Da mussten wir schon in Vorleistung gehen, weil sich das sonst mit dem Projekt nicht mehr vernünftig verschränken lässt“, sagt Dühring.
Weltweit erste wirtschaftliche Anlage
Wie berichtet will Eavor auf dem Hofgut Breitenbach mit einer neuartigen Technik in einem geschlossenen Kreislauf Erdwärme fördern. Das soll über vier so genannte Loops im Erdreich passieren, die nacheinander gebohrt werden. In Kanada wurde das System erfolgreich getestet. Die weltweit erste wirtschaftliche Anlage soll in Gelting entstehen. Verständlicherweise will sich die Stadt nicht nur auf Berechnungen von Eavor verlassen. Aber erst mit dem Bau des Fernwärmenetzes zu beginnen, wenn alle Loops fertiggestellt sind, das funktioniert nicht. Die Wärme – und auch der daraus produzierte Strom – braucht einen Abnehmer. „Und die Leute benötigen ja auch eine Lösung“, sagt Dühring mit Blick auf das Gebäudeenergiegesetz, das den Einbau von neuen Öl- und Gasheizungen schrittweise verbietet.
Erwartet werden 30 Megawatt thermische Leistung
Man einigte sich auf folgenden Plan: Der erste Loop, der derzeit gebohrt wird, soll Mitte des Jahres fertig sein. Im Oktober soll das Kraftwerk stehen. Dann kann die gewonnene Wärme in Strom umgewandelt werden. Der zweite Loop soll Mitte 2025 fertig sein. In dieser Übergangszeit haben die Stadtwerke den ersten Loop im Auge. „Wir schauen, ob er zuverlässig funktioniert und die Leistung bringt, die man haben will.“ Auch den Bau und den Test des zweiten Loops wolle man noch abwarten. Sollte auch diese Erdschleife das gewünschte Ergebnis liefern, „haben wir eine substanzielle Grundlage“. Erwartet werden aus den ersten beiden Loops 30 Megawatt thermische Leistung. „Das reicht für ein Fernwärmenetz“, sagt der Chef der Stadtwerke. Das soll sich vom Gewerbegebiet in Gelting nach Geretsried-Stein erstrecken.
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Haupttrasse entlang von Hauptverkehtsachsen
Laut Dühring wird zunächst ein „Rumpfnetz“ gebaut, das zu Verbrauchsschwerpunkten geht. „Das sind verdichtete Wohnbereiche oder größere Betriebe“, erklärt er. Anschließend werde immer weiter nachverdichtet und erweitert. Die Haupttrasse werde sich grob gesagt an den Hauptverkehrsachsen in der Stadt Geretsried orientieren. Böhmerwaldstraße, Adalbert-Stifter-Straße, Richard-Wagner-Straße, Sudetenstraße und so weiter, zählt Dühring auf. In sämtlichen geplanten Erschließungsgebieten werden Interessenten „sehr gerne mitgenommen und eingebunden“.
Aber es werde auch Gebiete geben, die nicht auf Fernwärme setzen können. Keine Chance sieht Dühring für klassische Einfamilienhausgebiete wie beispielsweise im Geltinger Ortskern und an verschiedenen Stellen in den anderen Stadtteilen. Dort sei Fernwärme aufgrund der erheblichen Baukosten im Verhältnis zum geringen Wärmeabsatz wirtschaftlich nicht darstellbar – man müsse über andere klimafreundliche Energieträger nachdenken. Auch diejenigen, die sofort eine neue Heizung brauchen und auf Fernwärme spekulieren, müssten sich eine Interimslösung überlegen. In diesem Fall mache eine vorherige Abklärung mit den Stadtwerken Sinn, „da gegebenenfalls gemeinsam eine gute Übergangslösung gefunden werden kann“.
Infos zu Preisen gibt es vermutlich Ende Juni
Seit der Bekanntgabe der Vertragsunterzeichnung Ende März habe sich die Nachfrage nach Fernwärme bei den Stadtwerken merklich erhöht, berichtet Dühring im Gespräch mit unserer Zeitung. „Sie war aber bereits vorher schon da.“ Früher seien es durchschnittlich zwei Anfragen pro Woche gewesen, aktuell seien es sieben bis zehn. Allgemeine Informationen und Preise soll es ab voraussichtlich Ende Juni auf einer Webseite geben.
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nej
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