Trumps Kreuzzug gegen die Energiewende kostet die USA schon jetzt Milliarden
Es hätte ein Leuchtturmprojekt werden sollen, das eine darbende Industriestadt wiederbelebt. Der italienische Kabelhersteller Prysmian wollte auf dem Gelände eines stillgelegten Kohlekraftwerks in der Stadt Fall Rivers (US-Bundesstaat Massachusetts) ein neues Kabelwerk errichten. Insgesamt 200 Millionen Dollar wollte das Unternehmen investieren, 200 bis 350 Arbeitsplätze sollten geschaffen werden.
Verzicht auf zehn Millionen Dollar
In dem Werk sollten Kabel für die großen Windenergieparks gebaut werden, die in den kommenden Jahren an der US-Ostküste entstehen sollten. Doch dann wurde Donald Trump zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt – der Mann, der im Wahlkampf angekündigt hatte, alle neuen Windenergieprojekte stoppen zu wollen.
Ende Januar verkündete Prysmian das Ende des Projekts. Der Bau des Kabelwerks, der ohnehin schon von regulatorischen Hürden geplant war, sei unwirtschaftlich geworden angesichts einer veränderten Nachfrage, hieß es in einer Mitteilung. Schätzungen zufolge entgehen Fall Rivers durch den Stopp nicht nur hunderte Arbeitsplätze, sondern auch jährliche Steuereinnahmen in Höhe von zehn Millionen Dollar. Der 19.000-Einwohner-Ort hatte bei den Präsidentschaftswahlen im Herbst erstmals seit 100 Jahren mehrheitlich für den republikanischen Kandidaten gestimmt – Donald Trump.
Das einsame Experiment
Die Geschichte von Falls Rivers ist symbolisch für den weltweit einsamen Kurs, den Donald Trump in seiner zweiten Amtszeit führt. Jedes wichtige Industrie- und Schwellenland von Deutschland über die gesamte EU und China bis hin zu Saudi-Arabien hat sich Ziele für Klimaneutralität gesetzt. Manche wollen diese Ziele früher erreichen, manche später, doch ein Zurück gibt es für keinen mehr.
Außer für Trump. Der US-Präsident will die USA wieder zu einem Staat machen, der im Bereich Energie vorrangig Öl und Erdgas fördert. Das zeigte auch der vielkritisierte Handelsdeal mit der EU: Die soll bis zum Ende seiner Amtszeit mehr fossile Energien aus den USA kaufen als diese überhaupt produzieren.
Wende von der Wende
Während sich also Ölkonzerne die Hände reiben dürften, schlagen die Vertreter erneuerbarer Energien selbige überm Kopf zusammen. „Trump kann die Energiewende verzögern, nicht aufhalten“, sagt der Ökonom Gernot Wagner von der Columbia University in New York im Interview mit dem Schweizer Tagesanzeiger. Zu stark würden sich grüne Technologien wie Wasserstoff, Batterien, Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen und Windräder auch wirtschaftlich gegenüber fossilen Pendants lohnen.
Trotzdem versucht der US-Präsident, diese Wende aufzuhalten. Allein in den ersten sieben Monaten seiner zweiten Amtszeit hat er dafür verschiedene Maßnahmen auf den Weg gebracht, zum Beispiel:
1. Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen
Schon am Tag seiner Amtseinführung unterzeichnete Trump eine Executive Order, mit dem sich die USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zurückzogen. Das ist bereits das zweite Mal. Denselben Schritt war Trump auch in seiner ersten Amtszeit gegangen, sein Nachfolger (und jetzt Vorgänger) Joe Biden hatte das wieder rückgängig gemacht. Im 2015 geschlossenen Abkommen hatten sich 195 Staaten verpflichtet, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf maximal zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Zudem wurden auch umfangreiche Finanzhilfen für vom Klimawandel besonders bedrohte Länder beschlossen.
Eine Entscheidung mit Folgen – nicht nur für die USA. Steuern andere Länder oder Verbünde wie China und die EU nicht mehr bei, könnte allein dadurch die Temperatur weltweit um 0,04 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts steigen.
2. Stopp des Inflation Reduction Acts
Ebenfalls noch an seinem ersten Amtstag stoppte Trump wesentliche Teile des von Biden eingeführten „Inflation Reduction Acts“ (IRA). Der ist im Wesentlichen ein riesiges Konjunkturprogramm, das 2022 in der Energiekrise zur Bekämpfung der hohen Inflation eingeführt wurde. Er sieht die Förderung vieler inländischer Branchen vor und setzt dabei aber einen Schwerpunkt auf grüne Technologien wie Batterietechnik, Elektromobilität und Wasserstoff.
Konkret wurden von Trump etwa die Gelder für den Aufbau einer Ladesäulen-Infrastruktur, für den Bau von Wind- und Solarparks sowie die Förderung von elektrischen Fahrzeugen gestrichen. Die Fördermittel wurden zuvor meist nicht direkt ausgezahlt, sondern über Steuererleichterungen vergeben, die Trump einkassierte. Mit der „Big Beautiful Bill“, die im vergangenen Monat beschlossen wurde, werden alle Steuererleichterungen für grüne Technologien aus dem IRA jetzt bis September komplett und ersatzlos abgeschafft. Lediglich schon laufende Projekte dürfen noch beendet werden, aber auch hier gibt es harte Fristen.
Das Ende der Steuervergünstigungen hat Folgen: So haben mehrere Autobauer wie General Motors und Toyota etwa Pläne für den Bau von Werken gestrichen, in denen Elektroautos hätten produziert werden sollen. Die Umweltorganisation E2 schätzt, dass dadurch bereits 16.500 Jobs und 22 Milliarden Dollar an Investments in diesem Jahr verloren gingen.

3. Keine Grenzwerte für CO2 und andere Treibhausgase mehr
Grundlage der meisten Klimaschutzgesetze in den USA ist eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahr 2007. Der hatte damals grundsätzlich erlaubt, dass Treibhausgase wie CO2 als Schadstoffe bezeichnet werden dürfen. Auf dieser Grundlage band die Umweltschutzbehörde EPA sie ab 2009 in den „Clean Air Act“ ein, welcher seit 1955 als Gesetzeswerk die Reinhaltung der Luft in den USA aus Gesundheitsschutzgründen regelt. Seitdem gelten etwa Grenzwerte für die Menge an Treibhausgasen, die Autos, Fabriken und viele andere Emittenten in die Luft ausstoßen dürfen.
Der von Trump eingesetzte neue EPA-Chef Lee Zeldin hat jetzt angekündigt, Treibhausgase wieder aus dem Clean Air Act entfernen zu wollen. Er argumentiert damit, dass das Gesetzeswerk lokale Emissionen regulieren solle und nicht gleich das gesamte Weltklima.
Wissenschaftlich belegen will Zeldin diesen Schritt mit einer Studie aus seinem Haus, wonach die globale Erwärmung weniger schädlich für die USA sei als bisher angenommen. Verfasst wurde die Studie von einer fünfköpfigen Gruppe, deren Mitglieder allesamt als skeptisch gegenüber dem menschengemachten Klimawandel gelten und deren Positionen in der Klimaforschung in der absoluten Minderheit sind. Die Studie berief sich zwar auf etablierte klimawissenschaftliche Studien, doch mehrere Forscherinnen und Forscher gaben nach Veröffentlichung des Papiers zu Protokoll, falsch oder irreführend zitiert worden zu sein.
Wenn die EPA die Regel abschafft, könnten für CO2, Stickoxide und andere Treibhausgase keine Grenzwerte mehr gelten. Autobauer müssten sich dann etwa keine Gedanken mehr darüber machen, welche Emissionen ihre Fahrzeuge in die Luft ausstoßen. Auch Fabriken, Heizungen und vieles andere dürfte wieder so viele Schadstoffe emittieren, wie sie wollten.
Dass das tatsächlich passiert, gilt jedoch als unwahrscheinlich. Denn global agierende Konzerne wie Volkswagen werden nicht weltweit auf Elektroautos setzen, dann aber für die USA eine spezielle CO2-Schleuder entwickeln, nur weil sie es können. Die Befürchtung ist eher, dass dies den Ausbau von Solar- und Windenergie sowie Atomkraft in den USA verlangsamen wird – schließlich sind dann auch Kohlekraftwerke wieder en vogue. Dazu passt, dass die EPA bisher rund 70 Kohlekraftwerken bereits Ausnahmegenehmigungen von bisherigen Grenzwerten erteilte.
4. Ausbau der Förderung von Öl und Gas
„Drill, Baby, Drill“ ist einer der Lieblingsslogans von Trump. Ebenfalls an seinem ersten Amtstag erließ er dazu eine Executive Order, mit der er einen Nationalen Energienotstand ausrief. Dies erlaubt ihm, Genehmigungen für fossile Energieprojekte schneller und unbürokratischer zu erteilen.
Dazu gehörte etwa, dass er Umweltauflagen für die Öl- und Gasförderung in Alaska aufhob, die Biden angesetzt hatte. Zudem senkte er die „Royalty Rate“, die Öl- und Gasunternehmen zahlen müssen. Das ist eine Abgabe für die Förderung von fossilen Rohstoffen auf Land, das der Bundesregierung gehört. Statt 16,67 Prozent werden jetzt nur noch 12 Prozent Steuersatz fällig. Experten schätzen, dass das zu hunderten neuer Förderprojekte im kommenden Jahr führen könne.
5. Stopp von Projekten zu erneuerbaren Energien
Während die Öl- und Gasindustrie Erleichterungen bekommt, schmeißt Trump den Anbietern erneuerbarer Energien mehrere Knüppel zwischen die Beine. So unterzeichnete er an seinem zweiten Amtstag eine Executive Order, die den Bau von Offshore-Windanlagen vor den Küsten der USA stoppte. Schon bestehende Anlagen sollen streng überprüft und Betriebslizenzen im schlimmsten Fall entzogen werden.
Letzte Woche wurde aus dem temporären Stopp aus dem Februar ein endgültiger. Trump ordnete an, alle bisher für Windparks im Meer ausgewiesenen Flächen dauerhaft zu streichen. Das Innenministerium plant, als nächste auch viele Flächen an Land, die sich für Windparks eignen würden, nicht zu genehmigen. Zudem soll bei bestehenden Anlagen die Auswirkungen der Windräder auf Vögel untersucht werden. In rechten und konservativen Kreisen ist der Mythos, dass Windräder massenhaft Vögel töten würden, ein beliebtes Vorurteil.
Ob die Verbote allerdings Bestand haben, wird sich vor Gericht klären. Gegen den temporären Stopp aus dem Februar sind Klagen in 18 Bundesstaaten anhängig. Auch Trumps ehemals enger Berater und Tesla-CEO Elon Musk hat wenig Verständnis dafür: „Das ist einfach verrückt und zerstörerisch“, schrieb er Ende Juni auf seiner Plattform X. „Er gibt Zuwendungen an Branchen aus der Vergangenheit, während er die Branchen der Zukunft schwer beschädigt.“