Depressionen gehören weltweit zu den häufigsten Erkrankungen und haben große Auswirkungen auf Gesundheit und Lebenserwartung. Unbehandelt erhöhen sie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Demenz deutlich und können die Lebenserwartung erheblich verkürzen. Gleichzeitig ziehen sich Betroffene häufig zurück, verlieren soziale Kontakte und geraten in eine Spirale aus Isolation und Krankheit.
Eine wachsende Zahl von Studien zeigt, dass Bewegung ähnlich effektiv sein kann wie Medikamente oder Psychotherapie. Sport hilft nicht nur dabei, depressive Symptome zu lindern, sondern fördert auch soziale Kontakte und stärkt langfristig die körperliche Gesundheit.
Dr. Gerd Wirtz spezialisiert sich in seinen Publikationen und Podcasts als Neurophysiologe auf digitale Gesundheit und Longevity. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.
Sport gegen Depression wirkt auch in kleinen Dosen
Eine aktuelle Meta-Analyse von 26 randomisierten kontrollierten Studien untersuchte den Effekt von Ausdauer- und Krafttraining im Vergleich zu Standardbehandlungen wie Medikamenten, kognitiver Verhaltenstherapie oder Beratung. Das Ergebnis war eindeutig: Sowohl Ausdauer- als auch Krafttraining führten zu einer deutlichen Reduktion depressiver Symptome. Aerobe Bewegung wie Joggen, Radfahren oder Schwimmen zeigte dabei tendenziell stärkere Effekte auf depressive Verstimmungen, während Krafttraining besonders bei Angststörungen einen leichten Vorteil bot (Noetel et al. 2024).
Bemerkenswert ist, dass viele Programme unterhalb der Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation lagen. Die WHO rät Erwachsenen zu mindestens 150 Minuten moderater oder 75 Minuten intensiver Bewegung pro Woche plus zwei Einheiten Krafttraining. In den Studien hingegen bestand das Training oft nur aus zwei Einheiten à 30 Minuten. Dennoch verbesserten sich die Symptome spürbar. Das zeigt: Schon geringe Mengen Sport sind wirksam, auch wenn die WHO-Empfehlungen langfristig sinnvoll bleiben.
Warum Bewegung die Stimmung hebt
Sport wirkt nicht nur äußerlich, sondern verändert auch, was in unserem Körper passiert. Schon nach kurzer Aktivität werden Stoffe freigesetzt, die Stress abbauen und Entzündungen im Körper senken – Prozesse, die bei Depressionen oft aus dem Gleichgewicht geraten.
Bewegung regt außerdem das Gehirn an, neue Nervenzellen zu bilden und Verbindungen zu stärken. So wird es widerstandsfähiger gegen Stress. Dazu kommen die bekannten Glücksbotenstoffe: Endorphine und körpereigene Cannabinoide, die für bessere Laune und das berühmte „Runner’s High“ sorgen.
Social Health: Bewegung schafft Kontakte und verlängert das Leben
Depressionen schwächen nicht nur den Körper, sondern auch die sozialen Beziehungen. Einsamkeit und Isolation zählen zu den stärksten Risikofaktoren für eine verkürzte Lebenserwartung. Menschen mit stabilen sozialen Netzwerken leben nachweislich länger, haben ein geringeres Risiko für Demenz und erkranken seltener an Herz-Kreislauf-Leiden.
Genau hier bietet Bewegung eine doppelte Wirkung. Sport kann einerseits die biologischen Mechanismen der Depression günstig beeinflussen. Gleichzeitig schafft er neue Möglichkeiten für soziale Interaktion. Ob beim gemeinsamen Spaziergang, in einer Sportgruppe oder im Verein, körperliche Aktivität fördert Begegnungen, Austausch und Zugehörigkeit. Bewegung wirkt damit nicht nur als Antidepressivum, sondern auch als Türöffner für neue soziale Verbindungen, die langfristig schützen und stärken.
Praktische Umsetzung: Jeder Schritt zählt
Wie viel Bewegung ist also wirklich notwendig? Bereits 30 Minuten Gehen oder Radfahren mehrmals pro Woche reichen aus, um depressive Symptome zu lindern. Eine große Untersuchung mit knapp 2.900 älteren Erwachsenen ergab, dass schon zweieinhalb Stunden zügiges Gehen pro Woche klinisch relevante Verbesserungen bewirken können (Zhang et al. 2024).
Für viele Betroffene ist es eine Hürde, überhaupt anzufangen. Gerade deshalb ist die Erkenntnis wichtig: Schon ein niedriger Einstieg kann positive Effekte haben. Jeder Schritt zählt und oft genügt regelmäßiges Gehen, um den Prozess in Gang zu setzen.
Fazit: Bewegung als Antidepressivum und Longevity-Strategie
Die wissenschaftliche Evidenz ist eindeutig. Bewegung reduziert depressive Symptome, stärkt die Psyche und schützt langfristig das Gehirn. Gleichzeitig eröffnet Sport neue soziale Kontakte, die ebenfalls entscheidend für die Gesundheit im Alter sind. Bewegung wirkt daher gleich doppelt: biologisch und sozial.
Wer körperlich aktiv bleibt, fördert nicht nur die eigene Stimmung, sondern legt auch die Grundlage für mehr gesunde Lebensjahre. Bewegung als Antidepressivum ist damit eines der wirksamsten und zugleich unterschätztesten Werkzeuge für Longevity.
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Bildquelle: Gerd Wirtz
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