Mein Partner und ich sind seit anderthalb Jahren zusammen und arbeiten seit einem Jahr zusammen hier. Wir waren schon zusammen, bevor wir beide diese Stelle antraten. Ein Unternehmen, bei dem wir beide gerne arbeiten wollten, stellte ein, bezahlte besser als andere Möglichkeiten, und wir haben uns zunächst über Interessen im Zusammenhang mit diesem Unternehmen verbunden, daher waren wir beide offensichtlich interessiert. Wir haben uns beide beworben, nicht unbedingt beide mit der Erwartung, eingestellt zu werden. Aber wir wurden es, und wir haben es das letzte Jahr gut gemeistert. Wir haben es so arrangiert, dass wir selten am selben Standort gearbeitet haben und wenn doch, waren wir gut darin, Arbeit und Beziehung zu trennen.
Wir waren offen mit unseren direkten Vorgesetzten, hatten aber nie ein Gespräch mit der Personalabteilung. Im Handbuch steht nichts darüber. Aber er wurde kürzlich zum Teamleiter befördert, also technisch gesehen mein direkter Vorgesetzter. Unsere Manager haben nichts dazu gesagt, ob dies ein Problem ist, und ich bin mir wirklich nicht sicher, ob wir etwas dagegen tun sollen.
Ich dachte, weil wir so lange ohne Probleme zusammengearbeitet haben, wäre es in Ordnung, aber die Dynamik hat sich geändert. Meine größten beruflichen Bedenken sind derzeit
1. von anderen Teammitgliedern als privilegiert wahrgenommen zu werden aufgrund der Beziehung und
2. dass meine Ideen und Bedenken als eine Erweiterung seiner gesehen werden.
Es gab bereits Zeiten, in denen wir außerhalb der Arbeitszeit gemeinsam gebrainstormt und Lösungen für Probleme gefunden haben, und obwohl er deutlich macht, wenn es meine Ideen sind, bringt er sie zu den Chefs, nicht ich. Ich befürchte, dass sie meine Beiträge abtun könnten, wenn sie denken, er würde mich nur wegen unserer Beziehung erwähnen. Wie gehen wir damit um?

Ihre Frage an Team Love
Team Love beantwortet Ihre Fragen rund um Liebe, Partnerschaft, Sex und Familie. Schreiben Sie an team-love@focus.de
- Beziehungsexperte Wieland Stolzenburg: Autor und Psychologe hinter den Kulissen bekannter Reality-TV-Produktionen.
- Sex-Expertin Regina Heckert: Sexualberaterin, Autorin und Leiterin der größten Tantraschule Deutschlands.
- Familien-Expertin Nina Grimm: Familienpsychologin, Verhaltenstherapeutin, Bestseller-Autorin und Mutter.
- Dating-Expertin Wera Aretz: Professorin für Wirtschaftspsychologie, systemische Paartherapeutin und Expertin für Online-Dating.
- Beziehungsexperte 50+ Stefan Woinoff: Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychotherapeut und Experte fürs Dating in der zweiten Lebenshälfte.
Es klingt fast wie aus einer modernen Serie: Zwei Menschen verlieben sich, sie finden in ihrer Beziehung Stabilität und Freude – und plötzlich sitzen sie auch noch im selben Büro. Anfangs läuft es überraschend gut. Grenzen werden respektiert, Privates und Berufliches lassen sich trennen, und die gemeinsame Arbeit macht sogar Spaß.
Doch irgendwann verändert sich etwas: Einer von beiden wird befördert und steht nun in der Hierarchie über dem anderen. Genau hier beginnt ein neues Kapitel, das für viele Paare zur Herausforderung wird.
Die eingangs beschriebene Situation – die Partnerin, die sich Sorgen macht, nicht mehr als eigenständige Mitarbeiterin, sondern nur als „die Freundin des Chefs“ wahrgenommen zu werden – ist keineswegs selten. In Psychotherapie und Coaching tauchen solche Konstellationen immer wieder auf. Denn hier stoßen gleich mehrere psychologische Dynamiken aufeinander: Fragen nach Macht, nach Identität, nach Fairness – und nach der Balance von Nähe und Distanz.
Wenn Nähe zur Herausforderung wird
In einer Partnerschaft ist Nähe normalerweise etwas Positives: Sie gibt Sicherheit, Geborgenheit und Vertrautheit. Am Arbeitsplatz gelten jedoch andere Regeln. Dort spielt Distanz eine wichtige Rolle: Kolleginnen und Kollegen erwarten Gleichbehandlung, Transparenz und eine gewisse Professionalität.
Wenn nun Partner zugleich auch Chef und Mitarbeiterin sind, verschieben sich diese Ebenen. Aus psychodynamischer Sicht könnte man sagen: Die Beziehung pendelt zwischen zwei Polen – Nähe und Distanz.
Im Privatleben darf dieses Pendel weit in Richtung Nähe ausschlagen. Am Arbeitsplatz dagegen wird ein Mindestmaß an Distanz gefordert. Genau hier entsteht die Spannung: Die Rollen vermischen sich, und das sorgt nicht nur für innere Konflikte bei den Betroffenen, sondern auch für Misstrauen im Team.
Die Rolle bestimmt die Wahrnehmung
Ein entscheidender Punkt ist, dass Menschen am Arbeitsplatz nicht nur die Person sehen, sondern auch die Rolle. Ein Partner ist plötzlich nicht mehr nur Partner, sondern eben auch Teamleiter, Vorgesetzter, Entscheider.
Für die betroffene Partnerin bedeutet das: Sie muss sich in zwei Rollen gleichzeitig bewegen – als Partnerin und als Mitarbeiterin. Das erzeugt eine Art Doppelbindung: Privat möchte man sich nah sein, Ideen teilen, einander unterstützen. Beruflich hingegen ist man auf Neutralität, Eigenständigkeit und faire Zusammenarbeit angewiesen.
Dieser Rollenwechsel gelingt nicht immer bruchlos. Viele Menschen berichten im Coaching, dass sie irgendwann das Gefühl haben, ihre Leistung werde nicht mehr „ihnen“ zugeschrieben, sondern automatisch als Ausfluss der Partnerschaft gesehen.
Was die Forschung zeigt
Interessant ist: Die Organisationspsychologie hat sich schon länger mit Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz beschäftigt. Studien deuten darauf hin, dass solche Beziehungen nicht per se ein Problem sind – solange sie offen und transparent gelebt werden.
Heimliche Beziehungen oder Unklarheiten dagegen führen fast immer zu Spannungen. Auch in der psychodynamischen Therapie taucht ein Muster immer wieder auf: Wer in seiner Herkunftsfamilie gelernt hat, dass Nähe automatisch Abhängigkeit bedeutet, reagiert auf Hierarchien in der Partnerschaft besonders empfindlich.
Ein Beispiel: Eine Frau berichtete, dass sie sich nach der Beförderung ihres Partners zunehmend zurückzog, weil sie fürchtete, nicht mehr „als sie selbst“ wahrgenommen zu werden. Erst als beide klare Absprachen trafen und sie sich aktiv eigene Bühnen im Unternehmen suchte – etwa indem sie Projekte selbst präsentierte – entspannte sich die Situation.
Typische Konflikte in Job-Liebesbeziehungen
Drei Felder tauchen fast immer auf, wenn Paare im Beruf plötzlich in ein Hierarchie-Gefälle geraten:
- Die Wahrnehmung durch andere: Selbst wenn objektiv keine Bevorzugung stattfindet, entsteht schnell der Verdacht.
- Die eigene Identität: Betroffene fragen sich, ob sie wirklich wegen ihrer Leistung geschätzt werden.
- Grenzen zwischen Privat und Beruf: Brainstorming beim Abendessen kann inspirierend sein, aber auch die Trennung verschwimmen lassen.
Wie lässt sich das lösen?
Die gute Nachricht: Solche Konstellationen sind kein unüberwindbares Hindernis. Paare können sie meistern, wenn sie die psychologische Dynamik verstehen und bewusst gegensteuern. Am hilfreichsten ist dabei eine Mischung aus offener Kommunikation, klaren Strukturen im Team und Selbstreflexion.
Entscheidend ist, dass beide Partner aktiv dafür sorgen, dass die Rollen getrennt und sichtbar bleiben: Partner privat, Chef und Mitarbeiterin im Beruf. Das klingt einfach, verlangt aber kontinuierliche Aufmerksamkeit.
Ein weiteres Fallbeispiel: Liebe im Büro – und die Frage nach Loyalität
Markus, Mitte 40, war seit vielen Jahren in leitender Position in einem mittelständischen Unternehmen tätig. Er galt als fachlich kompetent, loyal und von seinem Team geschätzt. Eines Tages kam Anna, zehn Jahre jünger, als neue Mitarbeiterin in seine Abteilung. Anfangs verband die beiden ein rein professionelles Verhältnis – doch mit der Zeit entwickelte sich mehr.
Gemeinsame Projekte, lange Abende im Büro und viele Gespräche führten dazu, dass sie sich ineinander verliebten.
Zunächst hielten sie ihre Beziehung diskret, aber nicht geheim. Kolleginnen und Kollegen merkten bald, dass sie ein Paar waren. Anfangs gab es keine offenen Konflikte, doch die Gerüchteküche begann zu brodeln. Einige befürchteten, dass Anna Vorteile genießen könnte, andere sahen in Markus’ Rolle als Vorgesetzter einen Interessenkonflikt.
Wenn Liebe und Beruf kollidieren
Die Situation eskalierte, als die Geschäftsführung eingriff: Die beiden wurden zu einem Gespräch geladen und erhielten eine klare Ansage – so könne es nicht weitergehen. Entweder Markus oder Anna müsse das Unternehmen verlassen, da eine romantische Beziehung zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiterin in derselben Abteilung gegen die Unternehmensrichtlinien verstoße. Für beide war das ein Schock: Weder Markus noch Anna wollten ihre Karriere aufgeben, gleichzeitig aber auch nicht ihre Beziehung.
Die angespannte Lage führte zu Unsicherheit, Tränen und der Frage, ob sie sich zwischen Liebe und Beruf entscheiden müssten.
Erst als eine externe Organisationsberaterin hinzugezogen wurde, entspannte sich die Situation. In moderierten Gesprächen zwischen dem Paar und der Geschäftsführung wurde eine Lösung entwickelt: Markus wechselte in eine andere Abteilung mit gleichwertiger Verantwortung, während Anna in ihrem bisherigen Team bleiben konnte.
Wichtig ist eine saubere Trennung
Im Nachhinein beschreiben beide die Phase als extrem belastend, aber auch als lehrreich. „Wir haben verstanden, wie wichtig klare Strukturen und Transparenz sind“, sagt Markus. „Nur weil wir ein Paar sind, heißt das nicht, dass wir keine Profis sein können.“ Anna ergänzt: „Wir mussten lernen, unsere Beziehung und unseren Job sauber zu trennen – und genau das funktioniert jetzt besser als je zuvor.“
Heute arbeiten beide weiter erfolgreich im Unternehmen, jedoch in unterschiedlichen Bereichen. Ihre Beziehung hat die Krise überstanden – und sie selbst sind überzeugt, dass die externe Beratung entscheidend war, um sowohl die berufliche Integrität als auch ihre Partnerschaft zu retten.
Praktische Tipps für den Alltag
- Kommunikation klären: Absprechen, dass jede und jeder die eigenen Ideen selbst im Team vorstellt.
- Transparenz schaffen: Die neue Situation offen im Team ansprechen, Missverständnissen vorbeugen.
- Eigene Sichtbarkeit stärken: Präsentationen, Protokolle oder direkte Beiträge nutzen, um die eigene Leistung sichtbar zu machen.
- Selbstreflexion fördern: Sich fragen, welche Gefühle die neue Konstellation auslöst und ob alte Muster hineinspielen.
- Grenzen ziehen: Berufliches und Privates trennen – etwa durch Rituale wie keine Jobgespräche nach 20 Uhr.
Fazit
Eine Liebesbeziehung am Arbeitsplatz ist kein Tabu mehr – aber sie bleibt eine Herausforderung, wenn Hierarchien ins Spiel kommen. Wichtig ist, dass Paare sich ihrer Rollen bewusst sind und sie aktiv gestalten. Mit klarer Kommunikation, Transparenz und einem wachsamen Blick für die eigene Identität lässt sich verhindern, dass Nähe zum Problem wird. Im Gegenteil: Wer diese Balance schafft, gewinnt sogar – an Professionalität im Job und an Tiefe in der Beziehung.
Dr. med. Stefan Woinoff ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in München. Als Psychodramatherapeut, Autor und Beziehungsexperte der Plattform „50plus-Treff.de“ begleitet er Menschen in Einzel-, Paar- und Gruppentherapien. Er ist Teil unseres Experts Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.