Checken Sie zwei Werte: Millionen Deutsche haben kranke Nieren ohne es zu wissen

Die Nieren gehören zu den Organen, über die wir selten nachdenken. Und das obwohl sie täglich Enormes leisten. Sie reinigen das Blut, regulieren den Wasserhaushalt und halten viele Körperfunktionen im Gleichgewicht. So sind sie unter anderem dafür verantwortlich,

  • Giftstoffe aus dem Blut zu filtern,
  • den Blutdruck zu regulieren,
  • die chemische Zusammensetzung des Blutes zu regulieren,
  • und die Salz- und Wassermenge im Körper in Balance zu halten.

Doch was passiert, wenn diese stillen Helfer langsam ihre Kraft verlieren? Immer mehr Menschen in Deutschland entwickeln eine chronische Nierenerkrankung (chronic kidney disease, CKD). Oft, ohne es zu bemerken – denn diese bleibt lange ohne Symptome. 

"Auswertungen der Krankenkassendaten zeigen, dass im Endeffekt nur ein Drittel der deutschen Bevölkerung davon weiß, dass sie nierenkrank sind", warnt Julia Weinmann-Menke von der Universitätsmedizin Mainz im Vorfeld der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) Anfang Oktober 2025. Noch erschreckender: Selbst von den Personen, die von ihrer Erkrankung wissen, seien nur zwei Drittel in ärztlicher Behandlung. 

Fatale Folgen: Wenn die Nieren nicht mehr können

In Deutschland leiden etwa zehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung an einer chronischen Nierenerkrankung, die Weltgesundheitsorganisation hat die Erkrankung im Sommer 2025 sogar in die Liste der "globalen Volkskrankheiten" aufgenommen.

Dabei nimmt die Leistung der Organe über einen längeren Zeitraum kontinuierlich ab, bis sie im schlimmsten Fall gar nicht mehr funktionieren. Das kann zu verschiedenen Problemen führen. Darunter

Wird eine chronische Nierenerkrankung nicht erkannt und bleibt unbehandelt, schreitet sie ungehindert fort. Viele der Schäden sind irreversibel. Führt die chronische Nierenerkrankung zu einem Nierenversagen, sind Betroffene im schlimmsten Fall langfristig auf eine Dialyse oder Nierentransplantation angewiesen.

Ohne Diagnose auch keine Therapie

Im Gegensatz zu noch vor ein paar Jahren gibt es mittlerweile Behandlungsmethoden, die das Fortschreiten von chronischen Veränderungen in der Niere gut verhindern können. Dafür müsste man aber früh genug wissen wissen, wer betroffen ist. Die Krankheit wird jedoch häufig erst diagnostiziert, wenn es schon zu spät ist. "Wenn man chronisch nierenkrank ist, merkt man erstmal nicht, dass man krank ist", sagt dazu Weinmann-Menke. 

Hinzu komme, dass die Nierenfunktion viel zu selten beim Arzt mit überprüft werde. Eine Studie aus Deutschland zeige laut der Expertin, dass selbst Risikopatienten in mehr als 50 Prozent der Fälle nicht auf ihre Nierenfunktion untersucht werden. "Und das sind Risikogruppen!", betont Weinmann-Menke.

Für eine fundierte Einschätzung müssten Ärzte den Urin ihrer Patienten auf bestimmte Eiweiße untersuchen. Das werde sogar nur bei weniger als einem Prozent der Risikopatienten gemacht.

"Das heißt, wir diagnostizieren die chronische Nierenerkrankung nicht, weil wir die Diagnostik gar nicht durchführen", beklagt die Ärztin. So würden Patienten nicht wissen, wie sie sich am besten verhalten sollten und auch keine angemessene Therapie erhalten.

Laut der Expertin sei es eine "Zeitenwende in der Nephrologie oder sogar in der gesamten Medizin", wenn verstärkt nach einer chronischen Nierenerkrankung geschaut würde. Denn dann ließen sich viele Fälle auch frühzeitig behandeln.

Wer sollte seine Nierenfunktion checken lassen?

Zur Routinediagnostik gehört die Überprüfung der Nierenfunktion derzeit nicht. Patienten können laut Weinmann-Menke aber beim Hausarzt darum bitten, die Nierenfunktion abklären zu lassen. Laut der Nieren-Expertin sollten bestimmte Gruppen aktiv danach fragen. Darunter Personen mit

  • Bluthochdruck
  • Diabetes
  • vorherigem Nierenversagen
  • Übergewicht
  • bekannten Nierenerkrankungen in der Familie

Zwei Werte sind besonders wichtig

Zwei Werte sollten dabei in einem Urintest ermittelt werden:

  1. Kreatinin – daraus wird die glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) geschätzt. Diese gibt vereinfacht an, wie viel Blut die Nieren pro Minute filtern.
  2. Albumin – Das Vorkommen des Eiweißes Albumin im Urin gibt Aufschluss darüber, ob die Nieren nur eingeschränkt funktionieren. Eigentlich sollte es im Blut bleiben. Ist es aber im Urin erhöht nachweisbar nennt man das Albuminurie.

Aus Sicht von Experten wäre es am besten, wenn es ein Routine-Screening der Nierenfunktion gäbe, sagt Weinmann-Menke. Sie empfiehlt, die Urintests etwa in den kostenfreien Checkup 35 oder 45 zu integrieren. Dort sind sie bislang nicht vorgesehen.