Nach Bachmut und Awdijiwka: Putins neue Offensive hinterlässt in weiterer Stadt verbrannte Erde
Putins neue Offensive auf Charkiw war offenbar gut vorbereitet – während die Ukraine teils überrumpelt wurde. Die Folgen sind verheerend.
Charkiw/Wowtschansk – Die russische Armee hat eine neue Front im Krieg gegen die Ukraine eröffnet: Am Morgen des 10. März drangen russische Truppen von der russisch-ukrainischen Grenze in Richtung Charkiw, der zweitgrößten Stadt der Ukraine, vor. Seitdem haben die Russen offenbar mehrere kleinere Ortschaften erobert und die Kleinstadt Wowtschansk ist zum Brennpunkt der Offensive geworden. Die Stadt liegt nur vier Kilometer von der russischen Grenze und 45 Kilometer von Charkiw entfernt.
Lokale ukrainische Beamte äußerten gegenüber der Nachrichtenagentur AP die Befürchtung, dass das Schicksal von Wowtschansk dem von Bachmut und Awdijiwka ähneln könnte. In diesen beiden ukrainischen Städten führten heftige Kämpfe letztendlich zum Rückzug der Ukraine. Nach dem Rückzug waren die Städte durch russischen Artilleriebeschuss völlig zerstört und praktisch unbewohnbar.

Im Ukraine-Krieg wird Wowtschansk nach Charkiw-Offensive zur Geisterstadt
Wowtschansk scheint bereits jetzt fast zu einer Geisterstadt geworden zu sein: Vor dem Krieg lebten dort rund 19.000 Menschen, jetzt sind laut Berichten nur noch 500 Bewohner in der Stadt, die laut Bildern größtenteils zerstört ist. Vor der russischen Offensive auf Charkiw wohnten noch 2500 Zivilisten in der Stadt. Tausende wurden in den vergangenen Tagen evakuiert.
Trotz des Vorrückens der russischen Armee bringt die Polizei weiterhin Einwohner aus der Stadt in Sicherheit, sagte der Polizeichef der Region Charkiw, Wolodymyr Tymoschko. Medien berichten aktuell von schweren Straßenkämpfen in Wowtschansk und dem Vorrücken russischer Soldaten in den Ort. Wowtschansk werde von drei Seiten angegriffen. Der ukrainische Kriegsreporter Juri Butusow berichtete auf Facebook, die Russen seien in den Vororten der Stadt „zahlenmäßig überlegen“.
Charkiw-Offensive: Russland vorbereitet, Ukraine überrumpelt
Die Armee von Wladimir Putin scheint sich gut auf die Angriffe im Rahmen der neuen Charkiw-Offensive vorbereitet zu haben, während die Ukraine wohl davon überrumpelt wurde. Ukrainische Verteidigungsanlagen waren offenbar teilweise falsch positioniert. Laut einem Bericht des Spiegels befanden sich die Defensivanlagen nicht direkt an der Grenze, sondern einige Kilometer im Landesinneren. „Der Feind hat den geografisch günstigsten Ort identifiziert, die Staatsgrenze“, sagte dazu Jurij Federenko, Kommandeur eines Bataillons der ukrainischen 92. Brigade, laut einem Bericht der Nachrichtenagentur AP.
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In einem öffentlichen Schreiben auf X (vormals Twitter) kritisierte eine Gruppe ukrainischer Soldaten, dass Wowtschansk nicht besser befestigt gewesen sei. Nach zwei Jahren Ukraine-Krieg hätte es dort zumindest „Betonbefestigungen“ auf der ukrainischen Seite der Grenze sein müssen, bemängelten sie.
Die Soldaten berichteten über schwere Straßenkämpfe und eine Umzinglung der Stadt durch die russische Armee: „Jetzt verlieren wir erneut Menschen und Territorium und tun das, was wir schon im September 2022 getan haben.“ Kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs hatte die russische Armee die Stadt Wowtschansk schon einmal besetzt. Der Ukraine gelang es im Herbst 2022 durch eine erfolgreiche Gegenoffensive, sie zurückzuerobern.
Ukraine braucht für neue Offensive dringend Munition – das nutzt Putin jetzt aus
Nicht nur mangelnde Befestigung, auch Munitionsknappheit aufseiten der Ukraine erleichtert der Armee von Wladimir Putin wohl die neue Offensive bei Charkiw. Die Eröffnung der neuen Front im Nordosten der Ukraine dient wohl dazu, ukrainische Truppen dort zu binden und von den Kämpfen im Donezk und Luhansk abzuziehen, so Analysten. Dies soll die Ukraine weiter schwächen, bevor weitere Militärhilfe aus den USA und weiteren Ländern des Westens die Front erreicht.
Die Ukraine hat bisher offenbar mindestens drei Brigaden und eine andere Einheit in die Region rund um Charkiw verlegt. Dies schwächt die Ukraine an der Front im Donbass. Putins Machthunger dürfte sich wohl weiterhin auf den Donbass konzentrieren: Der Kreml-Machthaber hat schon im Herbst 2022 vier ukrainische Oblaste in diesem Gebiet völkerrechtswidrig zu russischem Gebiet erklärt.
Mit der Charkiw-Offensive will Putin aber offenbar auch eine Art Pufferzone zur russischen Grenzregion Belgorod schaffen, wo die Ukraine in jüngster Zeit wiederholt Drohnenangriffe startete. (smu)