Kempten mit zwei Experten im Spitzenverband der bayerischen Wohnungswirtschaft vertreten

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Ihr gemeinsames Ziel heißt: Wohnen bezahlbar machen. Oberbürgermeister Thomas Kiechle (von links), BSG-Geschäftsführerin Tanja Thalmeier und Sozialbau-Geschäftsführer Martin Langenmaier in der Schrannenhalle des Kemptener Rathauses. © Lajos Fischer

Zwei Kemptener gestalten Bayerns Wohnbaupolitik mit – als Stimme aus der Praxis in den Spitzen-Gremien des Verbandes bayerischer Wohnungsunternehmen.

Kempten – „Der Wohnungsbau ist ein zentrales Element der Daseinsfürsorge und ein absoluter Schwerpunkt in meiner Arbeit“, sagte Oberbürgermeister Thomas Kiechle bei einem Pressetermin in der Schrannenhalle. Deswegen sei es für ihn ein wichtiges Anliegen, darauf aufmerksam zu machen, dass mit Tanja Thalmeier von der BSG Allgäu und Martin Langenmaier von der Sozialbau zwei Experten aus Kempten in die zentralen Gremien des Verbandes bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW) gewählt worden sind.

Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen

Der VdW Bayern ist ein genossenschaftlicher Prüfungs-, Fach- und Interessenverband mit 505 Mitgliedern, der es sich zur Aufgabe macht, preisgünstige, dennoch hochwertige Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen zu schaffen. Die 352 Wohnungsgenossenschaften, 113 kommunale und 40 kirchliche bzw. private Wohnungsunternehmen verwalten rund 550.000 Wohnungen (inklusive 106.699 Sozialwohnungen) in Bayern, deren Durchschnittsmiete 7,23 Euro pro Quadratmeter beträgt.

Thalmeier gehört seit 2022 zu den vier gewählten Mitgliedern des siebenköpfigen Gesamtvorstands. Sie ist zudem Mitglied im Verbandsrat des Bundesverbandes. Langenmaier wurde im Mai dieses Jahres Mitglied des Verbandsrats, in den der Verbandstag 19 bis 23 Unternehmensvertreter wählt. Außerdem leitet er den Fachausschuss für Digitalisierung. Der Sozialbau-Geschäftsführer erinnert an die Lebensleistung und das bayernweite ehrenamtliche Engagement ihrer beiden „Vordenker“ Mario Dalla Torre und Herbert Singer.

Thalmeier: „Bauen ist zu teuer geworden.“

„Bauen ist zu teuer geworden“, sagt Thalmeier. „Aber wir haben einige Ansätze, wie man es wieder billiger machen kann.“ Es sei wichtig, die eigenen Erfahrungen auch über die Stadtgrenzen hinaus einzubringen. „In Kempten können wir trotz allem noch bauen“, stellt Langenmaier fest. Das sei einer der Gründe dafür, warum die Expertise aus dem Allgäu zurzeit Gehör finde. Die Stadt trage entscheidend zum Erfolg bei, indem sie der Sozialbau die Freiheit gewährt, gewinnorientiert, aber nicht gewinnmaximierend zu arbeiten, betont er.

„Die BSG Allgäu ist eine der größten aktiven Genossenschaften in Bayern“, erklärt Thalmeier. Sie habe einen breiten Tätigkeitsbereich. Sie nutze die durch die Bautätigkeit generierte Wirtschaftskraft, um in den eigenen Wohnungsbestand und in die Instandhaltung der Mietwohnungen zu investieren.

Nur wenige starke Akteure bauen

Er habe einen guten Überblick über die Bautätigkeit in der Stadt, betont Baureferent Tim Koemstedt. Momentan seien nur noch wenige starke Akteure in der Lage zu bauen. „Der Markt ist zusammengebrochen.“ Es gebe viele genehmigte Bauprojekte, bei denen nichts passiere. Als Beispiel nennt er das ehemalige Krankenhaus in der Memminger Straße. Dort könnten 100 Wohnungen entstehen. Die Stadt habe keinen Einfluss darauf, ihr bleibe nur die Zuschauerfunktion, erläutert der OB. Er könne die Firmen gut verstehen, sagt Langenmaier. „Wenn das Geld nicht reicht, kann man nicht investieren.“

Konkrete politische Reformvorschläge

Welche konkreten Vorschläge bringen Sie in den Landesverband ein, um die Situation zu ändern?, will Kiechle von den beiden Experten wissen. „Der Wohnungsbau muss aus dem Kreisverkehr raus, und zwar auf die Überholspur“, antwortet Langenmaier prompt. Er müsse – wie die Windräder – privilegiert werden, Vorfahrt und mehr Entscheidungsfreiheit bekommen. Einen massiven Bürokratieabbau auf allen Ebenen, vom Bund bis zu den Kommunen fordert Thalmeier. Schnellere Verfahren bedeuteten weniger Kosten. Man sollte auf E-Bauen setzen (einfach und experimentell). In Deutschland seien europaweit die dicksten Decken vorgeschrieben und man verbaue am gleichen Gebäude doppelt so viel Stahl wie vor 30 Jahren. Wozu? Nehme man als Beispiel die Wohnungen am Hofgarten (an der Stelle der ehemaligen Prinz-Franz-Kaserne), ergänzt Langenmaier. Mit deren Standards seien alle zufrieden, heute dürfte man sie aber nicht mehr bauen. Sein Wunsch: zu diesen Standards zurückzukehren. Die Überregulierung habe viel mit fehlendem Vertrauen zu tun: zum OB, zum Stadtrat, zur Verwaltung, fügt Kiechle hinzu. „Man sollte sie machen lassen, sie wissen, was richtig ist.“ Die bürokratische Regulierung von außen schränke die Handlungsfähigkeit ein, erhöhe die Komplexität und koste Geld.

Es gehe nicht, dass man 20 Euro Kaltmiete zahlen müsse, damit es sich rentiere, Mietwohnungen zu bauen, sagte Thalmeier. Das Ziel sollte sein, wieder Immobilienpreise zu bekommen, bei denen sich eine Familie aus ihrem Einkommen eine Vierzimmer-Eigentumswohnung leisten könne. Vor fünf Jahren habe das noch funktioniert, heute sei die Belastung durch die Finanzierung so hoch, dass Leute, die nichts erben, keine Chance hätten. Ihnen bleibe nur der Weg zu einer Mietwohnung, auch deswegen stünden bei beiden Unternehmen etwa 2.000 Menschen auf der Warteliste.

Impulse geben und voneinander lernen

Auf die Frage des Kreisboten, wie groß der Einfluss des Verbandes auf politische Entscheidungen sei, erwidert Thalmeier: Einer der beiden Verbandsdirektoren, Hans Maier, kümmere sich um die Interessenvertretung nach außen, er habe direkten Draht zu den Ministerien und zum Bundesverband. Hauptsächlich er kommuniziere die von der Basis eingebrachten Impulse nach oben, mit Erfolg. Das sehe man u.a. an der guten, verlässlichen bayerischen Wohnraumförderung. Das Netzwerk in Bayern funktioniere besser als in den meisten anderen Bundesländern, ergänzt Langenmaier. „An uns mit unserer Größe kommt niemand vorbei. Wir geben die sozialen Leitplanken vor, praktisch sind wir die Mietpreisbremse.“ In formellen Verfahren werde der VdW genauso gehört wie der Städtetag, fügt Koemstedt hinzu.

Ein weiterer Vorteil des Verbandes sei, dass es unter den Mitgliedern keine Konkurrenz gebe und sie deshalb offen miteinander reden können, berichtet Thalmeier über ihre Erfahrungen. So lernten alle voneinander. Die BSG habe beispielsweise Ideen im Bereich der Personalarbeit übernommen und tausche sich regelmäßig mit Kolleginnen und Kollegen aus Nürnberg aus. Zum Schluss sagt sie: „Wir halten zusammen, die Rahmenbedingungen von außen sind schwer genug.“

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