Krankenhaus-Aktionsbündnis: „Chapeau an diesen Herrn Lippmann“

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Schongau
  4. Schongau

Kommentare

„Wir sind laut, weil man uns das Krankenhaus in Schongau klaut!“, lautete heuer die Losung bei einer Demo für den Erhalt des Schongauer Krankenhauses. © Hans-Helmut Herold

Ein Jahr nach dem Bürgerentscheid zum Erhalt der beiden Krankenhäuser Schongau und Weilheim flattern 290 Mitarbeitern der Krankenhaus GmbH Kündigungen ins Haus. Wie geht es nun weiter mit dem Aktionsbündnis? Ein Interview.

Schongau – Ein Jahr nach dem Bürgerentscheid entlässt die Krankenhaus GmbH 290 Mitarbeiter. Immer wieder, auch im Kreistag, wird die Schieflage der Krankenhaus GmbH dem Aktionsbündnis Pro Krankenhaus Schongau angelastet. Wie aber sieht das die Bürgerinitiative? Die Heimatzeitung hat darüber mit Daniela Puzzovio (Vizebürgermeisterin Schongau) und Stefan Konrad (SPD-Stadtrat in Schongau und Notfallsanitäter) gesprochen.

290 Angestellte der Krankenhaus GmbH bekommen gerade ihr Kündigungsschreiben. Kam das für Sie überraschend?

Daniela Puzzovio Vize-Bürgermeisterin (ALS) und ebenfalls Bündnis-Sprecherin
Daniela Puzzovio Vize-Bürgermeisterin (ALS) und ebenfalls Bündnis-Sprecherin © Hans-Helmut Herold

Puzzovio: Wir haben damit gerechnet.
Konrad: Es war nicht unerwartet. Was mich mehr entsetzt hat, ist, dass die Kündigungen kurz vor Weihnachten rausgehen, weil die Mitarbeiter das angeblich erwarten würden. Und das von einem Mann, der sich gerade erst wieder seinen Fünf-Jahres-Vertrag gesichert hat. Die Heimatzeitung hatte über die Kündigungen bereits berichtet.

Immer wieder wird behauptet, dass das Aktionsbündnis die alleinige Schuld an der Lage der Krankenhaus GmbH trägt. Wie wehren Sie sich gegen diesen Schwarzen Peter?

Konrad: Ich kann es ganz ehrlich nicht mehr hören.
Puzzovio: Wenn man in die Verteidigung geht, bringt das nichts. Wir wissen, dass wir nicht daran schuld sind.
Konrad: Viele Bürger wissen es auch. Wir wissen aber auch, dass, seit das Krankenhaus Schongau vom Netz gegangen ist, sich in Weilheim die Fallzahlen nicht erhöht haben. Die Bürger im westlichen Landkreis gehen ins Allgäu oder nach Landsberg.
Puzzovio: Man muss auch sagen: Einen Tag nach dem Bürgerentscheid hat die Landrätin gesagt: Das Zentralkrankenhaus kommt. Ja wo ist es denn? Die Finanzierung kriegen wir schon hin, haben wir vom Kreiskämmerer gehört. Und jetzt hofft man auf ein paar Millionen Euro aus dem Pott der Regierung. Es ist einfach nur lächerlich. Wir wissen inzwischen alle, dass sich das Finanzproblem im Laufe der letzten zehn Jahre entwickelt hat.

Wo geht die Reise hin?

Konrad: Die Horrorvorstellung wäre, dass da irgendwann nur noch das leere Gebäude steht, vielleicht noch mit einzelnen Arztpraxen.
Puzzovio: Ich befürchte das auch, denn die ersten Anzeichen dafür sehen wir schon: Seit 1. Dezember gibt es ab 16 Uhr keine Bereitschaft mehr von der Anästhesie und vom OP-Dienst. Das bedeutet, ambulante OPs, bei denen die Gefahr einer Nachblutung besteht, können oder besser sollten in Schongau gar nicht gemacht werden.
Konrad: Wir brauchen nach operativen Eingriffen eine Möglichkeit, Patienten kurzzeitig stationär zu versorgen.
Puzzovio: Aber nicht nur mit einem Pflegepersonal, auch ein Arzt muss greifbar sein.

Es kann doch auch bei geplanten Operationen zu Komplikationen kommen?

Konrad: Ärzte werden dem auch nicht tatenlos zusehen. Dann gehen sie in ein anderes Klinikum zum Operieren.
Puzzovio: Und nicht unbedingt nach Weilheim. Aber es gibt natürlich genug Operationen, wo keine oder nur eine geringe Gefahr der Nachblutung besteht.

Die geforderte 24/7-Notfallversorgung für Schongau wird noch untersucht. Was macht das Aktionsbündnis, wenn die Kreisräte dies nicht mittragen?

Puzzovio: Wir haben einen Versorgungsauftrag im Landkreis, und der ist meiner Ansicht nach nicht mehr erfüllt, und zwar im Schongauer Gebiet für knapp 30 000 Leute. Man setzt sich über die Vorschriften, die in Deutschland gelten, hinweg. Eine 24/7-Notfallversorgung wird nicht kommen, das ist abgehakt, das wollten sie nicht haben. Wir werden dies sicher bei übergeordneten Stellen bekannt machen.

Für die Notfallversorgung steht eine Summe von zwei Millionen Euro im Raum.

Konrad: Es kommt darauf an, wie man rechnet, nur mit Honorarärzten wird das teuer. Puzzovio: Wir haben bei der Vorstellung unserer Variante eine Portalambulanz verknüpft mit dem Krankenhaus Weilheim vorgeschlagen. Dies wäre wesentlich günstiger gewesen. Konrad: Wir haben nicht starrsinnig auf unserem Standpunkt beharrt, sondern akzeptiert, dass die Ambulantisierung fortschreiten wird. Aber die Geschäftsleitung hat sämtliches Vertrauen verspielt.

Offenbar nicht so weit, dass man die Gewerkschaften für die Verhandlung des Sozialplans mit ins Boot genommen hätte.

Konrad: Das geschah auf Wunsch des Betriebsrats, der wollte Verdi explizit nicht dabei haben. Chapeau an diesen Herrn Lippmann, wie der ein Konstrukt des Misstrauens und der Angst geschaffen hat. Man hat nicht mehr gewusst, welchem Mitarbeiter kann man vertrauen, oder wird es gleich die Geschäftsleitung erfahren. Das hat Herr Lippmann exzellent vorbereitet. Er hat es gemacht wie Merkel.
Puzzovio: Damit hat er schon 2014 begonnen, das war sein Einstand. Vorher hat man Millionen für ein Gutachten ausgegeben. Schon nach einem halben Jahr wurde die Richtung geändert zur Exzellenzmedizin, dem Aufbau von Leuchttürmen. Aber man kann doch nicht nur Geld ausgeben. Der „Return on Investment“ ist nicht gekommen. Konrad: Wie konnte man die Geschäftsführung nur so lange wursteln lassen?

Wir waren beim Thema Ausbooten der Gewerkschaft. Auf welcher Seite steht denn nun der Betriebsrat?

Stefan Konrad SPD-Stadtrat und Sprecher des Aktionsbündnisses
Stefan Konrad SPD-Stadtrat und Sprecher des Aktionsbündnisses © Hans-Helmut Herold

Konrad: Mein Eindruck ist: Der Betriebsrat arbeitet der Geschäftsführung zu, ist der ehrliche Makler.
Puzzovio: Wir hatten einmal ein Treffen mit dem Betriebsrat in Schongau, das musste geheim bleiben. Wir sind ja die Bösen, und sie wollten weiter als die Guten dastehen bei der Geschäftsleitung. Das heißt aber auch: Sie sind auf Schmusekurs gegangen und nicht in die Konfrontation.

Zurück zum Bürgerentscheid – der wurde nicht umgesetzt. Werden Sie noch einmal aktiv?

Puzzovio: In einer guten Welt hätte es so sein sollen: Wir haben einen Bürgerentscheid, wir wollen das anders. Ein Bürgerentscheid ist wie ein Kreistagsbeschluss, das hätten die Kreisräte umsetzen müssen. Da wäre eigentlich unsere Arbeit zu Ende gewesen. Aber das ist so leider nicht geschehen.

Haben Sie überlegt, rechtlich vorzugehen?

Puzzovio: Ja, das haben wir anwaltlich prüfen lassen, aber wir haben keine Chance. Konrad: „Wir hatten überlegt, vor dem Verwaltungsgericht eine einstweilige Verfügung zu beantragen, wie es bei der Klinik in Lindenberg passiert ist. Aber unsere juristischen Möglichkeiten waren an dem Abend, an dem die Wahlurnen geschlossen wurden, zu Ende, eine Klage würde nicht zugelassen.

Hätten Kreisräte die Möglichkeit, zu klagen?

Puzzovio: Ja, Kreisräte hätten die Möglichkeit. Die zweite Möglichkeit wäre eine Rüge. Auch wir haben bei der Regierung von Oberbayern eine Rüge eingereicht wegen der Schließung der Geburtenstation. Aber da kam als Antwort, dass es nur eine vorübergehende Stilllegung sei. Der Scherz: Die Regierung hat alles direkt mit den Beteiligten im Landkreis geprüft, nicht übergeordnet. Und es ist kein Verstoß, weil es dazu keinen Kreistagsbeschluss gibt. Was dabei auch herauskam: Der Kreistag hat sowieso nichts zu sagen.

Entscheidungen trifft also wer? Der Aufsichtsrat? Thomas Lippmann?

Puzzovio: Nein, eigentlich nur die Landrätin. Der Aufsichtsrat hat nur eine Kontrollfunktion über die Geschäftsführung.
Konrad: Die Landrätin ist alleinige Gesellschafterin. Sie entscheidet, ob eine Station geschlossen oder stillgelegt wird – oder gleich ein ganzes Haus. Die Kreisräte nicken nur den Haushalt ab.
Puzzovio: Und vertrauen der Verwaltung, was ich verstehen kann. Jetzt haben viele das Vertrauen nicht mehr, darunter auch Kreisräte, die im September für die Rettung der GmbH gestimmt haben. Die Inszenierung dieser Sitzung war der Wahnsinn, wie die Kreisräte unter Druck gesetzt wurden. Es hieß, wenn man nicht zustimmt, verlieren die Mitarbeiter binnen von drei Monaten ihren Job. Und was ist jetzt?

Was wäre denn das richtige Vorgehen gewesen?

Puzzovio: Ich verstehe nicht, dass, wie in anderen Landkreisen auch, nicht abgewartet wird, bis die Krankenhausreform durch ist, damit wir endlich wissen, wovon wir reden. Das interessiert hier einfach nicht, es wurde der eigene Plan verfolgt.
Konrad: Angenommen, das derzeit auf Eis gelegte neue Herrschinger Krankenhaus würde Zentralklinikum werden, dann weiß ich nicht, ob am Schluss Weilheim wenigstens auf dem Status stehen bleibt, den wir für Schongau erhalten wollen.

„Wir sind nicht gescheitert, sondern gescheiter geworden“ schreiben Sie in ihrem neuen Flyer, der derzeit verteilt wird.

Puzzovio: Ja, die Leute müssen einfach mal verstehen, wer, für was zuständig ist. Als wir verstanden haben, dass der Kreistag nichts beschließen kann, außer, wie die Gelder verteilt werden, war klar: Die ganze Arbeit mit dem Bürgerentscheid hätten wir uns sparen können. Konrad: Eines muss ich den Kreisräten zugutehalten, dass es wirklich keine einfachen Entscheidungen sind. Aber vielleicht hätten sie sich besser informieren sollen.

Daher kürzlich auch die Annonce an die Kreisräte? Wer hatte die Idee?

Konrad: Da sitzt sie (weist auf Daniela Puzzovio).
Puzzovio: Wir haben lange gedacht, dass die Kreisräte mehr Macht haben. Wir haben sie mit Informationen versorgt, damit sie bessere Entscheidungen treffen können. Aber das war nicht gewollt. Und Herr Lippmann redet schon lange nicht mehr mit uns, weil er weiß, er kann uns nicht mehr auf seine Seite bringen. Deshalb schickt er immer Herrn Rauschmeier vor. Aber der singt auch nur das Lied des Herrn Lippmann. Jeder singt nur das Lied des Herrn Lippmann, und wer es nicht singt, der fliegt.

Was also wird nun aus dem Haus Schongau?

Konrad: Dass nun ein kompletter Rückwärtsgang eingelegt wird, sehe ich nicht.
Puzzovio: Zumindest nicht unter dieser Geschäftsführung.
Konrad: Da müsste man ganz andere Konzepte verfolgen. Aber wir wollen ja auch nicht um ein leeres Haus kämpfen, es soll genutzt werden. Wenn ein echtes Ambulanzzentrum kommt, sollen die Leute es bitte annehmen und sich in Schongau operieren lassen.
Puzzovio: Auch das haben wir in den Flyer reingeschrieben.

Sie sind aber skeptisch, was das Ambulanzzentrum anbelangt?

Puzzovio: Es sind zwei Dinge: Das Facharztzentrum mit dem MVZ und das Ambulanzzentrum. Ich sehe für das Facharztzentrum vieles kritisch. Wenn ich als Arzt dorthin gehe, möchte ich Dienste nutzen wie das Labor oder das Röntgen. Jetzt gibt es aber schon Gerüchte, dass sich in Schongau auch das Labor verändern soll, angeblich gibt es erste Kündigungen.
Konrad: Was ich schon fantastisch finden würde: Man bekommt für das Ambulanzzentrum Ärzte, aber als es um die stationäre Versorgung ging, hieß es, es geht kein Arzt nach Schongau. Trotzdem die Bitte: Wenn sie das Ambulanzzentrum zum Laufen bringen, dann muss es auch von den Leuten genutzt werden. Dann könnte man die ein oder andere Leistung wieder dazunehmen.

Ihre Prognose: Was passiert ab dem 1. März?

Konrad: Ich habe die Befürchtung, dass Schongau weiter heruntergefahren wird. Dass die Umsetzung der Variante 5 nicht funktionieren wird, wie sie im September im Kreistag beschlossen wurde. Es kann tatsächlich sein, dass sie im Februar sagen, wir haben alles versucht, jetzt können wir Schongau nicht halten, es bleibt nur Weilheim übrig.

Und Ihre Prognose, Frau Puzzovio?

Puzzovio: Es wird heißen: „Wir haben alles versucht, aber es hat leider nicht geklappt.“ Und dann gibt es wieder ein paar Schuldige: Die Bürger haben es nicht angenommen, und das Aktionsbündnis ist auch schuld. Ich wundere mich, warum wir überhaupt zu Gesprächen eingeladen wurden von der Landrätin, aber wir waren wohl Teil des Spiels. Und eine Aufgabe haben wir in jedem Fall noch als Aktionsbündnis: Vor der nächsten Wahl daran zu erinnern, was war.

Gehen müssen bei der Krankenhaus-GmbH auch die Pflegehelfer

Unser Schongau-Newsletter informiert Sie regelmäßig über alle wichtigen Geschichten aus Ihrer Region.

Alle News und Geschichten sind auch auf der Facebook-Seite der Schongauer Nachrichten zu finden.

Die Heimatzeitungen im Landkreis Weilheim-Schongau sind unter „merkur_wm_sog“ auf Instagram vertreten.

Auch interessant

Kommentare