Von Totholz und Kiesbänken für Fische bis hin zu verbotenen Plätzen - Unterwegs mit der Lechrangerin

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Patrizia Majowski ist Lechrangerin. © HEROLD (Archiv)

Patrizia Majowski ist Rangerin des Lebensraums Lechtal und am Lech unterwegs, um Renaturierungsmaßnahmen zu prüfen. Wir haben sie bei ihrer Arbeit begleitet.

Schongau/Scheuring – „Naturliebhaber parken hier nicht – Allen anderen ist es verboten!“ Ein Schild der Unteren Naturschutzbehörde markiert die Stelle, an dem die Lech-Tour von Patrizia Majowski startet. Die Rangerin ist zu Fuß unterwegs, oft auch mit dem Rad. Zum vereinbarten Treffpunkt kommt sie mit ihrem ausgebauten VW-Bus. „Ich schlafe öfter im Auto, wenn ich in der Arbeit bin“, erklärt sie. Zuhause ist sie in Augsburg. Bevor es heute dahin zurück geht, steht noch eine Visite des Lechs, nahe der Staustufe 19, an. Nach nur wenigen Minuten bleibt Patrizia zum ersten Mal stehen.

Ihr Blick schweift auf das gegenüberliegende Lechufer. Eine riesige Kiesbank erstreckt sich über mehrere Meter. „Die Kiesbank wurde vom Fischereiverein Scheuring angelegt“, erklärt Majowski. Der Luftwaffenfischereiverein Lechfeld habe die Kiesbank als Lebensraum verbessernde Maßnahme in den Fluss eingebaut. Kies ist der dominierende Lebensraum des Flusses. Hier leben Tiere wie die Steinfliegenlarve oder der Bachflohkrebs, hier laichen aber auch die Fische.

Baumstämme und Steine im Lech als Lebensraum und Rückzugsort

Durch die Strukturveränderung und die Wasserkraft, die den natürlichen Geschiebebetrieb unterbrechen, schwindet aber die Kiesbedeckung und die Tiefenerosion nimmt zu. Durch die Kiesbank wird den mittlerweile bedrohten Fischarten ein Laichplatz geboten.

Der Weg schlängelt sich parallel zum Lech durch einen lichten Wald. Einige Baumstämme sind in den Fluss gefallen. „In den Lech wird bewusst Totholz eingebaut“, sagt Majowski. Bäume werden mit Stahlseilen gesichert, damit sie nicht wegtreiben. Hier finden vor allem Jung- und Kleinfische Lebensraum – abgeschirmt von der Strömung des Lechs.

Von einem „wilden Fluss“ hat sich der Lech zu einer Kette von Stauseen entwickelt. Dadurch hat sich auch die Fischfauna verändert – strömungsliebenden Arten sind inzwischen bedroht. Viele der ursprünglichen heimischen Fische müssen jetzt von Fischereivereinen eingesetzt werden.

Majowskis Begehung führt weiter zu einer Stelle, an der man bis zum Ufer des Lechs gehen kann. Einige große Steine reichen mehrere Meter weit ins Wasser. Auch sie liegen nicht zufällig im Wasser. An ihnen bricht sich die Strömung und sie lockern die kanalartige Uferstruktur auf. So dienen sie für verschiedenste Lebewesen als Hochwasser- und Wintereinstand, als Lebensraum und Rückzugsort.

Besucherlenkung ist ein Hauptbestandteil ihrer Arbeit

Deshalb sind diese Stellen für Badegäste tabu. Die Steine wurden extra mit der Spitze nach oben ins Wasser gelegt, damit die Leute nicht auf ihnen herumspazieren. „Viele wissen es einfach nicht“, berichtet Majowski. Wenn man die Leute darauf hinweise, seien die meisten einsichtig.

Die sogenannte Besucherlenkung ist ein Hauptbestandteil ihrer Arbeit. Sie bringt den Leuten in verschiedensten Formen die passenden Verhaltensweisen und Einstellungen gegenüber der Natur näher. Einige hätten aber kein Verständnis, wenn sie an einigen Stellen nicht baden dürfen.

Eine dieser Stellen ist der letzte Punkt von Majowskis Begehung. Wie eine kleine Lagune erstreckt sich ein Seitenarm des Flusses am Ufer. Die Bucht dient als Lebensraum für Klein- und Brutfische. Und, zum Bedauern der Rangerin, als beliebter Hundebadeplatz. Sicher könne man Schilder aufstellen. Mit zu vielen würden die Plätze aber ihren Natur-Charakter verlieren. Majowski hofft deshalb, dass es sich herumspreche, dass manche Stellen nicht betreten werden sollen.

Ökonomie und Ökologie verbinden

„Der Wasserstand ist sehr hoch“, bemerkt sie sofort, als sie auf einer Brücke steht, unter der der Fluss durchfließt. Der viele geschmolzene Schnee und der Regen haben den Pegel höher steigen lassen als normalerweise zu dieser Jahreszeit. In ihre Blickrichtung erstreckt sich der einst „wilde Lech“ voller Natur – oder das, was davon übrig ist. Schaut man in die andere Richtung, sieht man das Kraftwerk der Staustufe „Schwabstadl“. Paradox. Ökonomie und Ökologie liegen hier nur eine Kopfbewegung weit auseinander. In der Realität scheinen aber noch Welten dazwischen zu stehen.

Die Lechrangerin stellt im Gespräch mit der Heimatzeitung klar, dass sie die Kooperation mit den Wasserkraftwerksbetreibern schätzt. Außerdem sieht sie Chancen für den Lech: „Wenn wir es vor 70 Jahren geschafft haben, den wilden Lech zu kanalisieren, dann schaffen wir es jetzt auch, ein Gleichgewicht zwischen Ökonomie und Ökologie herzustellen.“ Man müsse nur anpacken.

Was macht die Lechrangerin?

„Es ist der beste Job der Welt“, sagt Patrizia Majowski über ihre Arbeit als Rangerin von einem der wichtigsten nördlichen Alpenflüsse. Aber wie kommt man dazu? Patrizia kommt aus Coburg. Hier schloss sie ihren Bachelor in „BioGeo-Analyse“ ab und wollte danach eigentlich mit dem Rad durch die Welt reisen. Dann ist sie auf eine Stellenanzeige aufmerksam geworden: Für das Projekt „Alpenflusslandschaften – Vielfalt leben von Ammersee bis Zugspitze“ wurde ein Lechranger gesucht. Seit fünf Jahren ist Patrizia jetzt Rangerin beim Lebensraum Lechtal und vor allem für Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit, Umweltbildung, Landschaftspflege und Monitoring zuständig. Dabei ist sie für die Lechstaustufen 2 bis 22 zuständig, vom Premer Lechsee bis an den Lechstausee Unterbergen im Landkreis Aichach-Friedberg. Ihre geplante Reise hat sie vorerst an den Nagel gehängt, mit dem Rad ist sie trotzdem unterwegs. Immerhin hat sie über 70 Kilometer ihres Lieblingsflusses zu betreuen. „Ich habe mich total in den Lech verknallt!“

Nathalie Schelle

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