Auf den Flächen des Tölzer Forstbetriebs wird derzeit Inventur gemacht. Dabei werden tatsächlich auch Bäume gezählt – an 6000 Stellen.
Bad Tölz-Wolfratshausen – Wie eine Inventur im Supermarkt funktioniert, kann sich vermutlich jeder vorstellen. Wie aber geht so eine Bestandsaufnahme im Wald? Der Experte dafür ist Adrian Valerius. Der Mitarbeiter der Bayerischen Staatsforsten leitet die Inventur, die gerade auf den Flächen des Tölzer Forstbetriebs läuft. Die besondere Herausforderung: „Mit 44 000 Hektar Fläche, von denen 32 000 Hektar Wald sind, sind wir der zweitgrößte Forstbetrieb in Bayern“, sagt Forstbetriebsleiter Robert Krebs. Zwölf Inventurmitarbeiter plus zwei Tölzer Forstwirte, die mit den Aufgaben vertraut gemacht wurden, sind seit Monaten auf den Flächen unterwegs. Jetzt, im September, kommen acht weitere Mitarbeiter aus ganz Bayern hierher, „damit wir fertig werden, bevor der Schnee fällt“, sagt Valerius.
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Erfasst wird der Ist-Zustand – und das alle zehn Jahre
Die Inventur ist ein Teil der sogenannten Forsteinrichtung, steht alle zehn Jahre auf dem Programm und liefert die Daten für die im darauffolgenden Jahr stattfindende Forsteinrichtungsplanung. Natürlich findet das nicht in allen Forstbetrieben gleichzeitig statt, das wäre vom Aufwand her nicht zu schaffen. Erfasst wird derzeit der Ist-Zustand. Wie sieht es mit den Holzvorräten aus, wie mit dem Verbiss und anderen Schäden? Wie entwickelt sich die Verjüngung, wie die Artenvielfalt? Was machen die rund 10 000 Hektar Naturwald, die es im Bereich des Tölzer Forstbetriebs gibt? „Das ist fast ein kleiner Nationalpark. Die Naturwälder werden nicht genutzt, aber natürlich auch inventarisiert“, sagt Krebs.

Ergebnisse zeigen, wie gut der Forstbetrieb gearbeitet hat
Vergleicht man die Ergebnisse mit denen von vor zehn Jahren, kann daraus abgelesen werden, wie gut die Arbeit des Forstbetriebs in der Vergangenheit war. Aber auch Maßnahmen für die Zukunft sollen daraus abgeleitet werden. Wie viel Holz kann genutzt werden? Wo sind Nachpflanzungen sinnvoll? „Naturschutz- und Jagdkonzepte werden daraufhin angepasst“, sagt Krebs. Ziel ist es, dass wir bis 1. Juli 2027 einen neuen Plan haben.“
6000 Punkte vom Tal bis ins Hochgebirge
Davor wartet aber erst einmal eine Mammutaufgabe. Natürlich kann man nicht jeden Baum zählen. Vielmehr gibt es Stichproben, die hochgerechnet werden. Allerdings sind es tatsächlich sehr viele Stichproben. Digital wird ein Raster über die Gesamtfläche gelegt. „Alle sechs Hektar gibt es einen Stichprobenpunkt“, sagt Valerius. 6000 kommen so zusammen – von Talflächen in Seeshaupt oder Eurasburg bis hin zum Hochgebirge in Lenggries oder Mittenwald. „Nur wenn man wirklich gar nicht an den Punkt hinkommt, lassen wir ihn weg.“

Ein Magnet im Erdreich wird in zehn Jahren wichtig
Der Punkt wird vom Inventurmitarbeiter angesteuert. Am Ziel angekommen, vergräbt er erst einmal einen Magneten im Erdreich. Das ist neu und soll dafür sorgen, dass in zehn Jahren wieder genau an derselben Stelle die Inventur innerhalb dieses Rasterbereichs beginnt. Aufgespürt wird der Magnet mit einem Metalldetektor. Auch bislang wurde natürlich immer vom selben Punkt begonnen – allerdings nur mehr oder weniger. Denn GPS funktioniert unter dem dichten Blätterdach eher mäßig bis gar nicht. Also gab es durchaus Abweichungen um ein paar Meter. Das soll durch den Magneten nun genauer werden.
Beim Messen der Baumhöhen hilft Ultraschall
Ist der Punkt markiert, werden in Kreisen mit verschiedenen Radien drumherum die Bäume gezählt. „Im innersten Kreis wird alles gezählt, was mindestens 20 Zentimeter hoch ist“, sagt Valerius. Auf dicht bewachsenen Flächen mit viel Verjüngung kann das dauern. Auch die Baumarten werden erfasst. Im zweiten Kreis kommen alle Bäume in die Erfassung, die mindestens einen Durchmesser von zwölf Zentimetern aufweisen. Auch Geländedaten, Hangneigungen, Bodenbeschaffenheit, Wasserversorgung, Totholz (stehend oder liegend), Verbiss, Rückeschäden oder auch Zäune werden erfasst.

Natürlich soll auch festgestellt werden, wie alt und wie hoch die großen Bäume auf der Fläche sind. Fürs Alter setzt Forstwirt Thomas Wametsberger an manchen Stämmen einen Vorratsbohrer an. Am dünnen Bohrkern können die Altersringe abgezählt werden. 95 Jahre habe die Fichte auf dem Buckel, sagt Wametsberger. Danach schiebt er den Bohrkern zurück ins Loch im Stamm, damit der Baum keinen dauerhaften Schaden nimmt.
Und woher weiß Wametsberger, wie hoch der Baum ist? Dabei hilft moderne Technik. Das Vertex, ein etwa faustgroßes Gerät, das er um den Hals trägt, arbeitet mit Ultraschall und spuckt die jeweilige Höhe aus.
Sechs bis sieben Punkte pro Tag sind zu schaffen
Sechs bis sieben Punkte schafft ein routinierter Mitarbeiter pro Tag. Im schwierigen Gelände kann es aber auch mal weniger sein. „Die Laufwege sind schon auch die Herausforderung“, sagt Valerius. Und einige der Rasterflächen werden nicht nur einmal inventarisiert. Damit die Datenqualität auch wirklich gut ist, „werden fünf Prozent der Punkte noch einmal angeschaut und die Daten abgeglichen“, sagt Valerius.