„Mit einer ,DELEIKA‘ hat alles angefangen“: Walter Ott aus Altenstadt hat riesigie Drehorgel-Sammlung

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Sammler Walter Ott senior an seiner „DELEIKA“-Pfeifenorgel, mit der er kürzlich beim Seniorentreff in Altenstadt für musikalische Stimmung sorgte. © Hans-Helmut Herold

Wer wurde nicht schon einmal von den Tönen einer Drehorgel angelockt und hat den Mann an der Kurbel faszinierend beobachtet? Einer, der sich diesem Instrument verschrieben hat, ist Walter Ott aus Altenstadt.

Altenstadt – Ungewohnte Klänge an diesem Nachmittag am Seniorentreff beim „Alten Lagerhaus“ in Steinwurfnähe der ehrwürdigen Basilika Altenstadt: Schon beim Näherkommen fällt der Mann in seiner ausgefallenen Kleidung auf, der hinter dem Kasten auf Rädern steht. Weiße Weste über dem glatt gebügeltem Hemd, elegante schwarze Hose mit Kummerbund, der den kleinen Bauchansatz dezent unterdrücken soll, die ebenfalls schwarzen Schuhe glänzend poliert. Ein Strohhut als Kopfbedeckung, der Zwicker als Sehhilfe und die Kette der Taschenuhr runden das Bild ab.

Gleichmäßig dreht der Mann an einer Kurbel, mit der er dem hölzernen Kasten die Töne entlockt. Fast wie in einem Hinterhof im alten Berlin, wo der bekannte Maler Heinrich Zille solch ein „Milljöh“ in seiner Bildermappe festgehalten hat. Auch die Melodie erinnert an diese Zeiten. „Rosamunde“ trällert es aus dem Schallfenster.

Walter Ott aus Altenstadt hat riesigie Drehorgel-Sammlung

Der Mann im noblen Zwirn ist Walter Ott senior aus Altenstadt. Wer ihn kennt, weiß, dass Ott ein großer Sammler historischer Dinge ist. Über 60 Jahre lang hat Ott seine große Leidenschaft gepflegt und sich vieler Sammelgebiete gewidmet. „Es war der Diensthut meines Großvaters, der im Ersten Weltkrieg in Bosnien als ,K. und k. Feldgendarm‘ eingesetzt war, der in mir die Initialzündung ausgelöst hat“, erklärt Ott. Ein Hut mit einem goldenen Symbol an der Seite und blau glänzenden Federn nach hinten verlaufend. Mit diesem Hut begründete Ott seine Sammlung.

Uniformen, Hüte, Orden und Paradewaffen: Das Sammelgebiet war fast unerschöpflich. Doch mit der Zeit wurde es immer schwieriger, fehlende Teile auf Flohmärkten oder Börsen zu vernünftigen Preis zu ergattern. Das Sammelgebiet wird erweitert.

Aufgrund seiner langjährigen Zeit als Kommandant der Altenstadter Feuerwehr hat es ihn natürlich auch in diese Richtung gezogen. Helme der Feuerwehren aus der ganzen Welt fanden ein neues Zuhause bei ihm. Eines seiner Lieblingsstücke ist ein lederner Helm aus der Bronx in New York, den ihm ein Soldat aus den USA mitgebracht hat.

Seine Frau war überall mit dabei

Bahn, Post, Bergbau, Polizei, Bundeswehr, Zoll oder Rotes Kreuz: Ott hat als Sammler überall seine Finger im Spiel. Vor allem auf Dienstmützen wirft er jetzt ein Auge. Von der Dienstmütze eines Lkw-Fahrers der 50er Jahre bis hin zur Schirmmütze eines Generals der Bundeswehr, die Regale sind gefüllt damit. Und natürlich auch von den guten alten Steinbierkrügen, die mittlerweile Raritäten sind. Seine Lieblinge sind die mit dem 8/10tel Eichstrich bayerischer Bahnhofgaststätten und natürlich die der alten Schongauer Wirtshäuser.

Eine treue Begleiterin zu all‘ den Börsen und Flohmärkten war Otts Ehefrau Gabriela. Sie zwängte sich zu ihm in seinen „Messerschmidt Kabinenroller“ oder nahm hinter ihm auf derm nostalgischen 500er BMW-Motorrad Platz, um in Richtung Flohmärkte zu fahren. Tausende Kilometer wurden so zurückgelegt. Liebend gerne verweilte Gabriela auf Märkten, bei denen Drehorgelmusik zu hören war.

Es sollte einfach so kommen: Damit ihr Walter auch zuhause ihre Lieblingsstücke „Auf der Vogelwiese“ oder den „Sportpalast Walzer“ vorspielen konnte, erstand Ott seine erste Drehorgel. „Mit einer ,DELEIKA Drehorgel‘ hat alles angefangen“, erinnert sich Ott. Satte 2000 D-Mark hat er dem Händler damals hinblättern müssen. „Viel Geld, aber die hatte es mir wegen der Technik einfach angetan“, so Ott.

Unterschied zwischen Drehorgel und Leierkasten

Jetzt gerät er geradezu ins Schwärmen. „Es ist eine Pfeifenorgel mit 31 Pfeifen und einem angesetzten Xylophon. Um die 20 Töne der Drehorgel zu entlocken, wird vorher ein Lochband aus Papier eingesetzt.“ Durch das Kurbeln wird das „Innere“ in Bewegung gesetzt, und die Melodie erklingt.

Natürlich bleibt es bei dem Sammler nicht bei dem „Einsteigerstück“. Weitere Drehorgeln und Leierkästen finden regelrecht Zuflucht bei Ott. Nach der „DELEIKA“ konnte Ott ein weiteres Schmankerl erstehen. Einen wahren Nostalgiker. Es handelt sich um eine Zungenorgel mit Walzensteuerung, die 1927 in Mähren von der Firma „Kolb & Söhne“ hergestellt wurde. Die Sammlung beginnt sich zu vergrößern.

Eine Metallpfeifenorgel folgt. Ott erwirbt von dem bekannten Hersteller Curt Baum ein Berliner Modell der „Bacigalupo Orgel“. Diese wird mit einer Stiftwalze zum Klingen gebracht. „10 000 kleine Metallstifte sind absolut genau in die abgedrechselte Holzrolle per Hand geklopft worden“, erklärt Ott. Damit sie an richtiger Stelle landen, hat man die Töne der Melodien per kleiner Punkte auf Papier gezeichnet und das Papierstück dann auf die Holzrolle geklebt. „Jeder Stift ein kurzer Ton, lange Töne wurden mit Klammern erzeugt“, so der Fachmann. Was ihn aber besonders fasziniert, ist, dass auf einer Walze acht komplette Lieder „eingenagelt“ sind. Nur durch kleinstes Verschieben der Walze kann man ein anderes Lied erklingen lassen.

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Für diesen heißen Tag in Altenstadt hat Ott seine „DELEIKA“ausgewählt. Als ein Zuhörer Näheres über den „Leierkasten“ erfahren will, entlockt diese Frage bei Ott einen leichten Aufschrei, hinführend fast zur Schnappatmung. „Der Begriff „Leierkasten ist eine Abwertung der Drehorgel“, so der Spezialist, und geht näher darauf ein.

Gute Drehorgeln konnte sich damals keiner leisten. Die waren für den Normalbürger einfach zu teuer. Also hat jemand, der sich am Wochenende ein paar Groschen dazuverdienen wollte, sich eine Drehorgel bei einem Verleiher ausgeliehen. Ging damit auch nicht gerade zimperlich um. Ließ das Instrument oft mal im Regen stehen, wenn das spendierte Bier doch so gut schmeckte. Dann wurde eben die gute Drehorgel langsam zum Leierkasten.

Auch auf die Kleidung kommt es an

Auch auf die Kleidung geht Ott ein, der sich in diesem „Milljöh“ bestens auskennt. „Von wegen Frack und Zylinder, die armen Hunde kamen in Lumpen und Schiebermütze“, klärt Ott auf. Und setzt nach, dass ein guter Orgelspieler mit seinem Instrument sogar vor dem Gewerbeverband vorspielen musste, um die Genehmigung zu bekommen. „Wenn der Beamte nicht zufrieden war, schaute der gute Mann in die Röhre.“

Da diese Instrumente alle bewegt und bespielt werden müssen, besucht Walter Ott immer wieder Veranstaltungen, zu denen er eingeladen wird. Einen seiner größten Auftritte hat er im Sommer immer wieder im Freizeitpark Rust. Da kann er sein Repertoire an Walzen und Lochbändern voll ausspielen. „Gute 500 Lieder habe ich im Programm“, so Ott. Alles ist dabei. Vom „Donauwalzer“, „Berliner Luft“ und „Lili Marleen“ über Glenn Miller bis zu den Beatles.

Wenn man ihn dann in einer Pause zwischen den Liedern fragt, was er als nächstes für ein Sammelgebiet eröffnen will, bekommt man nur ein Lächeln. Soll heißen, dass er nach Drehorgeln weiter Ausschau hält.

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