Trumps-Zoll-Hammer – Experte: „Da entscheidet der Zoll über Sieg oder Untergang“
Donald Trump hat der EU hohe Zölle aufgedrückt. In der deutschen Wirtschaft herrscht Unsicherheit. Experte und Unternehmensberater Andreas Haag ordnet ein.
Brüssel – US-Präsident Donald Trump drückt der Welt seine Zölle auf – auch Deutschland und der EU. Für die schwächelnde deutsche Wirtschaft sind sie ein weiterer schwerer Klotz am Bein; darüber steht die bange Frage, was diese Entwicklung für die Zukunft bedeuten wird. Werden deutsche Unternehmen verstärkt ihre Produktion in die USA verlagern? Oder brechen hierzulande die Exporte ein? IPPEN.MEDIA hat mit dem Unternehmensberater Andreas Haag von Streamliners gesprochen, der einen Überblick über die us-amerikanische und deutsche Industrie hat.
Streamliners ist eine Management-Consulting-Firma, die weltweit Kunden bei Produktionsprozessen berät. Die Kunden sind dabei in allen Branchen tätig – von Automotive über Pharma, Lebensmittel und Elektronik bis hin zu Textilien. Auch große Firmen wie der deutsche Autobauer BMW oder der us-amerikanische Milka-Hersteller Mondelez gehören dazu.
„Das Chaos momentan in den USA ist wie in vielen anderen Ländern gewaltig“
„Das Chaos momentan in den USA ist wie in vielen anderen Ländern gewaltig“, meint Haag zu Trumps Zoll-Politik. „Das hat in erster Linie damit zu tun, dass niemand wirklich weiß, ob die Zölle von Trump eher Pokerchips sind. Kommen diese Zölle jetzt langfristig oder sind sie eher Verhandlungsmasse, die dann auch schnell wieder verschwindet?“

US-Präsident Trump hatte Anfang April einen Zollkonflikt mit Handelspartnern in aller Welt entfacht. Er kündigte hohe Importaufschläge für zahlreiche Länder an, senkte diese dann aber auf zehn Prozent, um Verhandlungen zu führen. Für EU-Waren gilt seit Anfang August ein Satz von 15 Prozent auf fast alle Produkte. Ob das so bleibt, ist allerdings fraglich. Trump kündigte beispielsweise noch viel höhere Zölle für die Pharmabranche an.
Trumps Zoll-Chaos: Experte erklärt, was deutsche Unternehmen tun können
Unternehmen in Europa und Deutschland müssen sich nun überlegen, wie sie darauf reagieren. Der Autobauer Audi will beispielsweise künftig in drei Werken in den USA Modelle bauen, Mercedes die Produktion in Alabama deutlich ausweiten. Doch ist das eine gute Idee für alle Unternehmen?
Haag erklärt: „Wenn man mal die Emotionen herausnimmt, ist eine Zollerhöhung im Prinzip nichts anderes als eine Kostenerhöhung. Und wenn man mit Kostenerhöhungen konfrontiert ist, habe ich als Unternehmen mehrere Optionen: Ich kann mir einen günstigeren Lieferanten suchen, um Kosten zu drücken oder ich suche im eigenen Unternehmen, wie wir Kosten sparen können, um dann die Kosten der Zölle aufzufangen. Oder ich baue eine Fabrik in den USA und stelle das Produkt dort her.“
„Weil Trump ständig seine Meinung ändert, will niemand den Abzug drücken und wirklich Jobs in die USA holen“
Das heißt, Trumps Ziel geht in Erfüllung – deutsche und andere Unternehmen müssen Fabriken in den USA bauen und ihre Produktion dorthin verlagern? „Ich würde deswegen meinen Kunden jetzt noch nicht raten, eine Fabrik in den USA aufzubauen“, meint Haag. „Ich glaube, dafür ist die Ungewissheit noch zu groß.“ Ein Werk in den USA zu bauen, sei „brutal teuer“, erklärt der Experte. „Trump stellt das so dar, als müsste man da einfach mal die Portokasse öffnen und sich dann ein Werk hinstellen.“ Dabei würde eine kleine Einsteigerfabrik mit einfachsten Produktionsprozessen schnell 25 bis 40 Millionen Dollar kosten, eine mit komplexeren Produktionsprozessen hunderte von Millionen.
Haag glaubt, diese Entscheidungen würden Unternehmen treffen, wenn sie wüssten, dass die Zölle bleiben und dass „das über die nächsten fünf, zehn Jahre unsere Zukunft, unsere neue Ausgangssituation ist“. „Aber nachdem niemand weiß, was passieren wird, weil Trump ständig seine Meinung ändert, will niemand den Abzug drücken und wirklich Jobs in die USA holen“, weiß Haag.
Produktionsstandort in die USA verlagern? Dort herrscht Arbeitskräftemangel
Und Unternehmen, die ihre Produktion in die USA verlegen, haben zudem ein Problem, das die Trump-Administration ganz anders darstellt: „Die amerikanische Industrie sieht sich gerade mit einem massiven Arbeitskräftemangel konfrontiert“, warnt Haag. „Wir sind in unterschiedlichen Branchen in unterschiedlichen US-Bundesländern unterwegs und sehen flächendeckend das gleiche Problem: Es können bereits heute nicht alle Stellen besetzt werden, weil man einfach nicht genügend amerikanische Arbeiter findet, die in den Fabriken oder in Lagerhäusern arbeiten.“

Dabei hat Trump doch getönt, mit den Zöllen die Industrie ankurbeln zu wollen und mehr Arbeitsplätze in den USA zu schaffen. Nur will die offenbar keiner: „Die Realität ist, der amerikanische Arbeitsmarkt liefert nicht genügend Arbeiter“, meint Haag. Besonders absurd: „Ein erheblicher Anteil der Arbeiter in Produktion und Lagerhäusern besteht aus Latinas und Latinos“, so der Experte, der verschiedene Produktionsstätten in den Vereinigten Staaten kennt und betreut. „In unseren Projekten geht es momentan darum, wie man die Einstellung und das Training für spanischsprechende, lateinamerikanische Mitarbeiter verkürzen und beschleunigen kann. Die Fähigkeit, lateinamerikanische Arbeiter schnell im Unternehmen zu integrieren, wird als großer Wettbewerbsvorteil gesehen.“
Trumps Polemik gegen die lateinamerikanischen Einwanderer sei „komplett losgelöst von der gelebten Realität, die wir dort haben. Wenn er die lateinamerikanischen Einwanderer wegschickt, dann stehen in den USA die Fabriken still.“
„Ein amerikanischer Anwalt, der ein deutsches Auto kaufen will, ärgert sich darüber, dass ein Porsche jetzt teurer ist – aber deshalb wird er sich keinen Ford kaufen.“
Trumps Zölle: „Spitzenprodukte aus Deutschland werden auch nach wie vor zähneknirschend aus den USA gekauft“
Und auch sonst lasse Trumps Zollpolitik bei den amerikanischen Firmen und Verbrauchern keine Sektkorken knallen. Denn: Deutsche Produkte werden mit den Zöllen teurer, aber haben in der Regel nach wie vor einen ganz exzellenten Ruf, weiß Haag. „Ein amerikanischer Anwalt, der ein deutsches Auto kaufen will, ärgert sich darüber, dass ein Porsche jetzt teurer ist – aber deshalb wird er sich keinen Ford kaufen.“
Noch mehr gilt das für amerikanische Unternehmen. Haag gibt das konkrete Beispiel einer amerikanischen Süßigkeiten-Firma, die Snacks mit Schokolade überzieht. Dafür braucht sie spezielle Maschinen. „Diese Fabrik arbeitet deshalb mit einem hochkarätigen Maschinenbauer aus Deutschland zusammen. Und die sagen natürlich ganz klar: die Alternative ist nicht, dass wir uns schlechtere Maschinen aus einem Land kaufen, wo es günstigere Zölle gibt. Da zahlen wir ja dann durch Prozessverluste wegen der schlechteren Maschinen drauf.“ Deshalb sei seine Prognose: „Spitzenprodukte aus Deutschland werden auch nach wie vor zähneknirschend in den USA gekauft.“
Die Zölle würden eher Alltags- oder Mittelmaßprodukte treffen. „Zum Beispiel betreuen wir einen Bügelhersteller aus Österreich, bei so einem Produkt entscheidet der Zoll wirklich über Sieg oder Untergang.“ Für diese Unternehmen sei nun wichtig, dass die EU eine Einigung mit Trump erzielt habe. „Da spielen 20, 30 Prozent plus minus an Zoll im Vergleich zu einem US-amerikanischen Wettbewerber eine kriegsentscheidende Rolle. In dem Fall sind dann 15 Prozent ganz anders zu kompensieren und zu wuppen als 30 Prozent.“
Aber: „Der Großteil der Produkte aus Deutschland, die in die USA geliefert werden, sind ja Halbfertigerzeugnisse oder Zulieferteile, die dann in andere Maschinen oder in anderen Formen mit eingebaut werden. Und da fliegt nirgendwo in den USA der Sektkorken, weil es einfach kaum Alternativen zu den Produkten gibt, und weil das für die amerikanischen Hersteller auch erstmal eine Preiserhöhung ist. Die sind eigentlich eher mit der Frage beschäftigt, wie sie diese Preiserhöhungen an ihre Kunden in den USA weitergeben sollen“, erklärt der Experte.