Börsen-Absturz wie bei "The big short": Wer von der Krise profitiert

Der Ausverkauf bei Aktien nach den Zollankündigungen von US-Präsident Donald Trump sorgt bei den meisten Anlegern für lange Gesichter – aber nicht bei allen: Für sogenannte Shortseller schlägt die große Stunde. Ihr Geschäftsmodell ist riskant, und sie sind in der Regel geächtet, weil Pessimismus ihre Erfolgsgrundlage ist. Jetzt aber wünschen sich viele, sie wären rechtzeitig auf die Seite der Berufspessimisten gewechselt. Denn das, was gerade an den Börsen passiert, erinnert fatal an das Drehbuch, das Regisseur Adam McKay 2015 in seinem Blockbuster „The big short“ auf die Kinoleinwände brachte.

Trumps Zölle führen zu Milliardenverlusten am Aktienmarkt

Globale Hedgefonds und Exchange Traded Funds Fonds (ETFs), die einen Index abbilden, haben in der vergangenen Woche in einem rasanten Tempo Aktien im Wert von mehr als 40 Milliarden US-Dollar abgestoßen, wie aus Schätzungen der US-Banken JP Morgan und Goldman Sachs hervorgeht. Seit Mittwochabend, als Trump die Zollschranken auf das höchste Niveau seit mehr als einem Jahrhundert anhob, haben die Unternehmen des amerikanischen Index S&P 500 mehr als vier Billionen US-Dollar an Börsenwert verloren. Goldman Sachs teilte seinen Kunden mit, dass sogenannte Aktien-Long/Short-Hedgefonds weltweit am Donnerstag die größten Nettoverkäufe seit fast 15 Jahren verzeichneten und gleichzeitig die pessimistischste Stimmung seit 2011 aufwiesen.

Shortseller setzen auf fallende Aktien-Kurse

Ausgangspunkt für Shortseller ist eigentlich ein einfaches Geschäft: Ein Hedgefonds leiht sich eine Aktie gegen eine kleine Gebühr aus und verkauft sie sofort. Wenn er die Aktie vor dem Rückgabetermin günstiger zurückkaufen kann, ist die Differenz zwischen Verkaufs- und Rückkaufpreis abzüglich der Leihgebühr sein Gewinn. Im Gegensatz zu anderen Anlegern, die in der Regel auf steigende Kurse setzen, wettet der Shortseller also genau auf das Gegenteil. An sich ist die Strategie zum Scheitern verurteilt, weil über einen längeren Zeitraum Aktien historisch eher gewonnen als verloren haben.

Deswegen steckt auch nicht hinter jeder Short-Position allein eine Wette auf fallende Kurse, erklärt Analyst Ihor Dusaniwsky von S3 Partners: „Shortselling ist auch eine notwendige Aktivität, die von Hedgefonds genutzt wird, um die Hebelwirkung in einem Portfolio zu erhöhen.“ Hebel bedeutet, dass sie durch einen Einsatz von Fremdkapital überproportional von der Entwicklung am Aktienmarkt profitieren können, wenn sie die richtig einschätzen. Indem Hedgefonds sowohl auf steigenden wie auch fallende Kurse setzen, reduzieren sie ihr sogenanntes Nettomarktrisiko. Wettet der Fonds beispielsweise bei 60 Prozent seiner Aktienkäufe auf steigende Kurse, bei 40 Prozent aber auf fallende Kurse, so beträgt das Nettomarktrisiko nur noch 20 Prozent: Wenn 40 Prozent schiefgehen, gehen 60 Prozent auf – und umgekehrt.

Hedgefondsmanager steigern mit Shortselling ihre Rendite

Dadurch allerdings sinken die Sicherheitsanforderungen, die Finanzmarkt-Aufseher wie in Deutschland BaFin und Bundesbank an die Hedgefonds stellen, sodass die auf Pump eine insgesamt größere Summe investieren können. Was das konkret bedeutet, erklärt S3-Experte Dusaniwsky: Ein Fonds mit 100 Millionen Dollar an investierbaren Barmitteln könne ein Portfolio mit Positionen, die auf steigende Aktien setzten, in Höhe von 200 Millionen Dollar und Positionen auf sinkende Kurse in Höhe von 100 Millionen Dollar aufbauen, anstatt nur eine Position auf steigende Aktien von 100 Millionen Dollar zu halten.

Durch ein solches sogenanntes Long-Short-Engagement können die Hedgefonds eine höhere Rendite erzielen, als wenn sie nur ein einzelnes Engagement auf steigende Aktien eingingen. Wenn der Hedgefondsmanager bei der Wahl der Positionen auf sinkende Kurse ein gutes Händchen beweist, kann er sogar auf beiden Seiten seines Portfolios eine positive Performance erzielen, wie ein Extrembeispiel aus dem Jahr 2024 zeigt: Hedgefonds, die im Chipsektor Intel statt Nvidia shorteten, erzielten damit eine Rendite von plus 86 Prozent statt minus 82 Prozent. 

Jüngstes Beispiel ist Tesla: Die Aktie des E-Autobauers war zunächst großer Gewinner des Wahlsiegs von Donald Trump, sie legte innerhalb von sechs Wochen um 94 Prozent zu. Seit ihrem Rekord im Dezember ist die Aktie in der Spitze um mehr als 50 Prozent eingebrochen. Zu den Gewinnern dieser Entwicklung gehören Hedgefonds, die auf einen Kursverfall gewettet hatten und nach Zahlen des Datenanbieters S3 Partners 16 Milliarden Dollar mehr in ihren Bilanzen stehen hatten.

Ein historisch unrentables Konzept

In den vergangenen Jahren dagegen waren die Geschäfte reiner Shortseller unrentabel, die sich nicht einzelne Aktien rauspickten, die sie für überbewertet hielten oder eben Gegenpositionen für ihre Long-Positionen aufbauten. Ihre Geschäfte waren 2024 extrem unrentabel, wie S3-Partners-Daten zeigen. Demnach verloren sie am US-Markt 181 Milliarden Dollar. Allein mit Wetten auf fallende Kurse beim Chipkonzern Nvidia und dem E-Auto-Bauer Tesla türmten sich Verluste von fast 38 Milliarden Dollar auf. In Europa verloren Shortseller bei Siemens Energy, dessen Aktien 2024 mehr als 300 Prozent gestiegen sind, das meiste Geld: rund eine Milliarde Dollar.

Dieser Beitrag erschien in Kooperation mit "Business Punk".