Börsenstrategie - Wie Anleger mit Short-Selling und Leerverkauf am besten umgehen
Statt auf steigende Kurse zu setzen, hoffen sie, dass der Kurs fällt: Short-Seller. Sie verdienen, wenn eine Aktie fällt. Der Grund: Short-Seller besitzen die Aktie, um die es geht, gar nicht selbst. Sie verkaufen stattdessen geliehene Aktien, in der Hoffnung, sie später zu einem niedrigeren Preis zurückzukaufen. Die Differenz zwischen Verkaufspreis und Rückkaufpreis ist ihr Gewinn.
In der Hoffnung auf eine möglichst gute Rendite suchen sich Short-Seller Firmen raus, die gerade mit Problemen zu kämpfen haben oder wo sie vermuten, dass ein Ereignis den Kurs stark fallen lassen könnte. Auslöser dafür könnten zum Beispiel schlechte Ergebniszahlen sein oder unsaubere Bilanzierungspraktiken. „Oft gibt es schon im Vorfeld Signale, die einen hellhörig werden lassen können“, erklärt Moritz Hessel, Manager eines Long/Short-Fonds. Dazu gehöre, wenn plötzlich die Führungsriege das Unternehmen verlasse oder ein neuer Chef berufen werde, der schon in anderen Firmen keine gute Arbeit gemacht habe. „Auch Geschäfte des Unternehmens mit Personen, die dem Management nahestehen, können auf Probleme hindeuten“, so Hessel.
Auf Seiten im Internet kann man sehen, welche Unternehmen Short-Seller im Visier haben. Dort ist die Zahl der leerverkauften Aktien nachzulesen.
Nicht blind handeln
Aber nur, weil Leerverkäufer eine hohe Position in einem Unternehmen haben, muss das ein Warnsignal für andere Anleger sein. „Das lässt sich nicht pauschal sagen“, erklärt Hessel. „Das muss man sich jedes Mal genau anschauen, was dahintersteckt.“ So genannte Valuation-Shorts sieht er zum Beispiel kritisch. Dabei spekulieren Leerverkäufer auf ein extrem hoch bewertetes Unternehmen. Denn wenn es die Erwartungen nicht erfüllen kann, droht ein Kurseinbruch, wenn enttäuschte Anleger ihre Aktien verkaufen. „Aber nichts spricht dagegen, dass eine hohe Bewertung noch höher werden kann“, warnt Hessel.
Auch der Fall Gamestop zeigte, dass eine hohe Short-Quote nicht unbedingt ein Warnsignal sein muss, sondern auch eine Chance sein kann. Vor drei Jahren schoss die Aktie in die Höhe. Anleger hatten erkannt, dass die Short-Quote so hoch war, dass es kaum noch freie Aktien gab. Die Leerverkäufer mussten immer höhere Preise zahlen, um ihre Rückgabeverpflichtung erfüllen zu können. Es kam zu einem sogenannten Short Squeeze.
Einige Investoren, zu denen Hessel gehört, spekulieren darauf, dass sich der Fall beim US-Einzelhandelsunternehmen Kohl’s wiederholen könnte. Es hat mit Problemen zu kämpfen, der Kurs ist stark gefallen. Shortseller hoffen auf weitere Verluste und haben in großer Zahl die Aktie leerverkauft. Zwar ist die Shortquote nicht so hoch wie bei Gamestop, aber mit 36 Prozent doch beträchtlich. Das Kalkül der Investoren: Über Aktienrückkäufe, einer höheren Dividende oder einer Neubewertung des Immobilienbesitzes könnte das Management die Attraktivität der Aktie steigern. Zieht der Kurs an, kommen die Leerverkäufer in die Bredouille. Sie müssen sich eindecken, bevor es noch weiter nach oben geht und ihre Verluste wachsen. Das wiederum sorgt für weitere steigende Kurse.
Es lohnt sich aus Hessels Sicht daher auf jeden Fall, sich als Anleger mit dem Short-Selling zu beschäftigen: Entweder, um an fallenden Kursen mitzuverdienen, oder aber abzukassieren, wenn die Spekulation der Leeverkäufer schief geht. „Reich wird man als Anleger auf der Long-Seite. Reich bleiben tut man auf der Short-Seite“, so Hessel.