Trump bleibt hart – droht uns jetzt eine weltweite Rezession?

Mit seinen Zollankündigungen am Mittwoch hat Donald Trump die Weltbörsen einen Abgrund geschickt: Nasdaq, S&P 500 und Nikkei verloren seitdem, in Prozent gerechnet, zweistellig. Von Ihren Allzeithochs aus dem ersten Quartal sind sie nun rund 25 Prozent entfernt, auch der deutsche Leitindex Dax verlor fast 20 Prozent.

Seit China am Freitag mit Gegenzöllen von 34 Prozent auf US-Güter antwortet, fürchten Anleger und Volkswirte einen weltweiten Handelskrieg – bei dem es keine Gewinner geben würde. 

Unterdessen reden Donald Trump und sein Finanzminister Scott Bessent die Probleme klein: Er kenne keine amerikanischen Rentner, die sich angesichts des Kurseinbruchs Sorgen um ihr Leben im Ruhestand machten, sagte  der langjährige Hedgefonds-Manager Bessent am Wochenende; wohl wissend, dass die Altersvorsorge der Amerikaner fast ausschließlich auf Aktien und anderen börsengehandelten Wertpapieren beruht.

Scott Bessent
Der amerikanische Finanzminister Scott Bessent IMAGO / ZUMA Press Wire

Am Montag verbreitete Donald Trump auf seiner Social-Media-Plattform „Truth Social“ seine Sicht der Dinge: „Die Ölpreise sind gesunken, die Zinsen sind gesunken, die Lebensmittelpreise sind gesunken, es gibt keine Inflation und die seit langem missbrauchten USA kassieren wöchentlich Milliarden von Dollar aus den Missbrauchsländern durch bereits bestehende Zölle.“

Dass die Inflation in den USA schon sehr bald steigen wird, weil die US-Verbraucher den Zollaufschlag auf auf viele Güter des täglichen Bedarfs zahlen müssen, sagte Trump – wieder – nicht. Dass die Zinsen und Ölpreise fallen, liegt weniger an seiner weitsichtigen Politik, sondern daran, dass die Kapitalmärkte eine heftige Rezession erwarten und in solchen Phasen zum Beispiel weniger Öl nachgefragt wird. Das Trump im gleichen Tweet China als „Missbrauchsstaat“ geißelte, machte die ohnehin angespannte Lage noch schlimmer.

Stürzt Trump die Welt in eine Rezession?

Die Frage ist nun: Stürzt Donald Trump nicht nur die Börsen in einen Bärenmarkt, sondern die gesamte Weltwirtschaft in die Rezession? Insbesondere Deutschland muss dieses Szenario nach bereits zwei Jahren sinkenden Wirtschaftswachstums fürchten. Auch Chinas Wirtschaft hat den Crash an seinem Immobilienmarkt noch lange nicht verdaut und kann einen weiteren Rückschlag im Export womöglich nicht so leicht verkraften.

Führende Ökonomen haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sich Trump eines Besseren besinnt – und anfängt zu verhandeln. Denn ein weltweiter Handelskrieg ist „so offensichtlich schlecht für die US-Verbraucher, Investoren und Wähler, dass der sich abzeichnende Schaden die Chance erhöht, dass die Turbulenzen in Abschlüssen enden und nicht in Stagflation oder Schlimmerem“, schrieb der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding, am Montagmorgen in einem aktuellen Kommentar.

US-Regierung will globales Wirtschaftssystem umgestalten 

Die Deutsche Bank ist da weniger optimistisch: Man könne kaum behaupten, „dass wir nicht gewarnt wurden“, schreibt der Chefökonom der Deutschen Bank, Jim Reid. Trump habe seine Ansichten zu Zöllen „seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, ziemlich klar dargelegt, und seine Handlungen und Worte vor und nach der Amtseinführung waren ziemlich eindeutig“. Zudem hätten US-Handelsminister Howard Lutnick und Finanzminister Bessent in einem Podcast kürzlich noch einmal klar gemacht, „dass diese Regierung das globale Wirtschaftssystem grundlegend umgestalten will“, so Reid.

Das Ausmaß der Zölle habe die Erwartungen dann jedoch in negativer Hinsicht übertroffen, die „willkürliche Art und Weise, wie sie kalibriert wurden, war ein großer Schock“ und habe ein erhebliches Glaubwürdigkeitsproblem geschaffen, sagt Reid. Zwei Monate lang sei versucht worden, die Handelsbeziehungen der USA mit ihren Partnern Zeile für Zeile zu dokumentieren. All diese Bemühungen sein nun aber im Wesentlichen durch eine simple Formel außer Kraft gesetzt worden. Damit spielt Reid auf die Berechnung an, durch die die zum Teil willkürlich erscheinenden Zölle zustande gekommen sein sollen.

Das spricht für eine weltweite Rezession

Nach Schmiedings Einschätzung steht die Weltwirtschaft vor drei Hauptrisiken: 

Erstens: Eine Eskalation von Zöllen und Gegenzöllen, der Zölle, bei der die Handelspartner nach dem Motto reagieren „Wie du mir, so ich dir“.  Wenn nach China weitere Länder Gegenzölle erheben, um sich zu wehren, würde das die Lage verschärfen und die Unsicherheit an den Börsen noch verstärken. Schmieding verweist auf die frühen 1930er Jahre, als sich die USA schon einmal mithilfe von Zöllen abschotten wollten. Der „Smooth-Hawley-Tariff-Act“, benannt nach den Senatoren Reed Smooth und Willis C. Hawley hatte ebenfalls Gegenreaktionen der Handelspartner zur Folge und gilt als einer der Auslöser für kurz darauf beginnende Weltwirtschaftskrise.

Zweitens: Durch immer höhere gegenseitige Zölle könnten wichtige Versorgungsketten der Weltwirtschaft nicht nur gestört, sondern komplett unterbrochen werden. 

Drittens: Im Extremfall könnte der Ausverkauf an den Aktienmärkten in eine vorübergehende Panik umschlagen. Das würde nicht nur die Unsicherheit weiter erhöhen, sondern auch die Ausgabenentscheidungen der Verbraucher „noch mehr belasten“.

Das will Trump 

Das Team der Deutschen Bank um Jim Reid weist aber auch darauf hin, dass es tatsächlich große Ungleichgewichte gebe. Die USA hätten zuletzt nur noch 15 Prozent der weltweiten Industrieproduktion beigetragen, im Vergleich zu 24 Prozent im Jahr 1995. Im gleichen Zeitraum sei der Anteil Chinas von fünf auf 32 Prozent in die Höhe geschossen. Gleichzeitig stieg das US-Handelsbilanzdefizit auf 1,2 Billionen Dollar pro Jahr an, davon entfallen 290 Milliarden auf China – ein Viertel.

Das Trump diese Größenordnungen wieder verändern wolle, sei also verständlich. Die Frage sei aber das „wie“. Es habe in der Geschichte schon viele Versuche gegeben, globale Ungleichgewichte auszugleichen, schreibt die Deutsche Bank. „Aber ohne großen Erfolg.“ Die aktuelle Regierung unter Donald Trump dränge nun verstärkt darauf, allerdings ohne sich um die wirtschaftlichen und marktwirtschaftlichen Folgen zu kümmern.

Heftiger Absturz des Dollar

Das zeigt sich auch im heftigen Absturz des Dollar gegenüber allen anderen wichtigen Währungen der Welt. Der Auslöser dafür ist, dass Investoren weltweit ihr Geld aus den USA zurückholen; aus Angst vor einer Rezession und vor weiteren Repressalien. Denn sollte Trump die Pläne für das sogenannte „Mar-a-Lago-Abkommen“ umsetzen und ausländische Investoren zwingen, ihre Staatsanleihen in nahezu wertlose Nullzinsanleihen umzutauschen, müssten sie selbst um ihre vermeintlich sicher deponierten Dollar-Anlagen fürchten.

Die Frage ist nun, was im Rest der Welt passiert: Die Absatzchancen für ausländische Waren aller Art in den USA haben sich angesichts der Zölle erheblich verschlechtert. Die Produzenten in Europa und Asien müssen sich nun andere Märkte und Handelspartner suchen. Finden sie für ihre Waren jedoch keine neuen Abnehmer, wird das unweigerlich dazu führen, dass sie ihren Ausstoß herunterfahren müssen. Das würde einen Teufelskreis auslösen: Steigende Arbeitslosigkeit, sinkende Wirtschaftsleistung, sinkende Steuereinnahmen ... und so weiter und so fort.

Das spricht gegen eine weltweite Rezession

Volkswirt Schmieding mag in diesen Abgesang aber noch nicht einstimmen. Er geht davon aus, dass der Druck auf Trump schon in den nächsten Tagen sehr schnell sehr stark zunehmen wird: Da Trump auch sehr hohe Zölle auf Einfuhren von Standardkonsumgütern erhebe, werde der durchschnittliche US-Verbraucher – und Wähler – die Auswirkungen der Inflation „wahrscheinlich bald spüren. Und nach einem früheren Inflationsschock vor nur drei Jahren könnten die Verbraucher darüber besonders verärgert sein“, schreibt Schmieding. Schließlich hatte Trump im Wahlkampf versprochen, die Inflation zu senken.

Zudem könnte Ausverkauf an den Aktienmärkten samt Vertrauensverlust die Botschaft an das Weiße Haus senden: „Es ist besser, in den nächsten Monaten mit den Handelspartnern zu verhandeln, als die Folgen eines eskalierenden Handelskriegs zu tragen. (...) Je schlechter es jetzt aussieht, desto wahrscheinlicher könnte es sein, dass Trump verhandeln wird, anstatt lange auf seinem derzeitigen Ansatz zu beharren.“

Schmieding rechnet fest mit baldigen Verhandlungen. Er gehe geht davon aus, „dass ein erheblicher Teil der neuen Trump'schen Zölle, einschließlich der Hälfte der 20-prozentigen Zusatzabgabe auf US-Importe aus der EU, im Gegenzug für einige Zugeständnisse der EU und anderer Handelspartner wegverhandelt wird.“

Europa hat weitere Optionen

Für Europa, Asien und auch Südamerika gibt es darüber hinaus weitere Optionen: Die USA sind zwar der größte Einzelmarkt der Welt - aber nicht der einzige. So könnten sich neue Allianzen schmieden, über die in Land wie Deutschland neue Märkte erschließen könnte, etwa in Südamerika oder Indien. Der Börsenbrief-Herausgeben Hans A. Bernecker brachte auf dem Anlegertag in München am Samstag ein weiteres Land ins Spiel: Russland, so Bernecker, könne Deutschland ein Exportvolumen bieten, das etwa halb so hoch sei wie die Exporte nach China und in die USA. Allerdings erscheint diese Option angesichts der herrschenden Sanktionen und ohne eine faire, nachhaltige Friedenlösung in der Ukraine ausgeschlossen.

Deutsches Schuldenpaket als Wirtschafts-Booster?

Auch das umstrittene Schuldenpaket, das CDU/CSU und SPD für Deutschland schnüren wollen, könnte bei der Emanzipation von den USA hilfreich sein: Richtig eingesetzt, könnte es die Binnenkonjunktur anfachen und ganz Europa mitziehen. Ironie der Geschichte: Nach dem Absturz nicht nur der Börsenkurse, sondern auch der Anleiherenditen wären die Kosten für die geplante Neuverschuldung von bis zu einer Billion Euro über die nächsten Jahre aktuell niedriger als befürchtet.

Noch aber hofft man in Berlin und Brüssel darauf, dass es doch zusammen mit den USA weitergeht. Am Montag bot die Europäische Union der US-Regierung erneut Verhandlungen an. Man habe die Abschaffung gegenseitiger Zölle „wiederholt“ angeboten, etwa im Automobilsektor, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. „Aber es gab keine angemessene Reaktion auf dieses Angebot“. Die EU sei „immer zu einem guten Geschäft bereit“.

Zwar bereiten die EU-Staaten, wie China, eine Reihe von Gegenmaßnahmen vor, um auf die US-Zölle zu reagieren. Doch diese sollen erst ab Mitte April und dann auch nur schrittweise in Kraft treten. Die EU will die Tür für Verhandlungen offenlassen.

Trump poltert statt einzulenken

Trump und seine Administration taten am Montag alles, um diese Option vom Tisch zu fegen: Erst drohte sein Berater Peter Navarro Vietnam. Das Land hatte am Freitag sein Einlenken signalisiert und angeboten, Zölle auf US-Güter komplett zu streichen, wenn Trump auf seinen angekündigten Zoll von 49 Prozent verzichte. Selbst null Prozent seien nicht genug, polterte Navarro im US-Sender CNBC. Es gebe noch viele andere Handelshemmnisse, die ausgeräumt werden müssten. Viele US-Einzelhändler beziehen ihre Kleidung aus Vietnam, allen voran der US-Sportartikelhersteller Nike und die Lifestyle-Marke Lululemon. Ihre Aktienkurse verloren seit Trumps Zollankündigung mehr als 15 Prozent. 

Am Nachmittag meldete dann CNBC, Trump erwäge eine 90-tägige Pause gegenüber China. Prompt schossen S&P-500-Index und Dow Jones nach oben, der Dax gewann 2300 Punkte. Alle Ereignisse im Börsenticker.

Doch das Weiße Haus dementierte scharf: Die Meldung sei „Fake News“. Eine Stunde später legte Trump nach und kündigte an, er werde den geplanten Zoll gegenüber China von 32 auf 50 Prozent erhöhen, wenn die Chinesen nicht weitere Handelshemmnisse abbauten.

Wer findet den Ausweg?

Am wichtigsten sei nun die Frage, „ob die US-Regierung versucht, einen eleganten Ausweg zu finden, oder einen Rückzieher macht“, fasst Jim Reid zusammen. Das sei „von entscheidender Bedeutung“. Und es werde viel umfassendere Auswirkungen haben als nur auf den Handel. „Es wird die gesamte Beziehung zwischen den USA und der übrigen Welt in allen wichtigen Bereichen beeinflussen, einschließlich Verteidigung, Geopolitik und der multilateralen, auf Regeln basierenden Weltordnung. Eine US-Administration, die einen Rückzieher macht, habe „immense globale Auswirkungen für 2025 und die kommenden Jahre und Jahrzehnte“, so Reid. 

Derzeit gibt es kaum Anzeichen dafür, dass Trump zurückzieht. In diesem Fall rechnet Reid mit weiteren, heftigen Marktturbulenzen. „Selten, wenn überhaupt, waren die nächsten paar Tage so wichtig“, schreibt der Chefökonom der Deutschen Bank.