- Faktencheck: Wie sich Elon Musk in die Bundestagswahl einmischt

Lange Zeit war er "nur" Unternehmer und Milliardär, jetzt ist Elon Musk auch Berater des US-Präsidenten Donald Trump. Musk verbreitete bereits im US-Wahlkampf viele falsche Behauptungen, unter anderem zu Migration und angeblichem Wahlbetrug. Ähnlich verfährt er im Vorfeld der Bundestagswahlen am 23. Februar in Deutschland.

Musk stellt sich hinter die rechtspopulistische und in Teilen rechtsextreme Partei Alternative für Deutschland (AfD). Er führte bereits ein Live-Gespräch mit Alice Weidel, Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion und AfD-Kanzlerkandidatin, auf seiner Social Media Plattform X und war per Video einer AfD-Wahlkampfveranstaltung zugeschaltet.

Laut Jan Rathje, Senior Researcher beim Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), ist Musk über Kommentare und Reposts online eng mit vielen rechtsextremen Accounts vernetzt. Und jeder seiner Posts auf X erreicht Millionen Nutzende weltweit.

Doch was genau verbreitet Elon Musk auf X? DW Faktencheck hat sich zwei Behauptungen des Tech-Milliardärs in Bezug auf die Bundestagswahl genauer angeschaut.

Behauptung: Am 11. Januar teilte Elon Musk einen Post auf X (hierarchiviert), in dem der ehemalige EU-Kommissar Thierry Breton angeblich zugegeben hatte, dass die EU für die Annullierung der Wahlen in Rumänien verantwortlich gewesen sei. "Wir haben es in Rumänien getan, und wir werden es in Deutschland tun, wenn es nötig ist", heißt es in dem Post. Musk kommentierte das Ganze mit dem Satz: "Die verblüffende Absurdität von @ThierryBreton als Tyrann von Europa". Sein Repost erhielt über 21 Millionen Views.

DW Faktencheck: Falsch.

Diese Worte sagt Thierry Breton zwar in dem Video, doch der Ausschnitt wurde aus dem Zusammenhang gerissen. Mit dem, was in Rumänien getan wurde, bezieht er sich nicht auf die Annullierung von Wahlen, sondern auf die Durchsetzung des "Digital Services Act" (DSA)in Europa, also das Gesetz über digitale Dienste.

Das Video zeigt Breton als Gast in der Sendung "Apolline Matin" des französischen Senders Radio Monte Carlo (RMC) am 9. Januar. Das Gespräch zwischen Elon Musk und Alice Weidel sollte kurz darauf auf X stattfinden. In der Sendung spricht Breton über Musk, dessen Recht, "zu sagen, was er will", aber auch darüber, dass man dafür sorgen müsse, dass sich Musk in Europa an die Gesetze halte.

Der DSA ist eine Verordnung der Europäischen Union, die die Verbreitung illegaler Inhalte auf digitalen Plattformen verhindern und somit Nutzer besser schützen soll. Breton hat als damaliger EU-Kommissar das Gesetz über digitale Dienste mitgestaltet. Auf X reagierte er auf Musks Behauptungen und schrieb: "Die EU hat KEINEN Mechanismus, um Wahlen irgendwo in der EU zu annullieren. Das ist gar nicht, was in dem Video unten gesagt wird, es bezieht sich auf die Anwendung des DSA und seine Moderationspflichten (...)".

Das Gespräch ist in voller Länge auf der Seite von RMCnachhörbar und drehte sich um zunehmende Spannungen zwischen Elon Musk, Donald Trump und europäischen Politikern und Gesetzen. In diesem Zusammenhang erwähnte Breton die Wahlen in Rumänien und die Rolle, die TikTok dort gespielt hat.

In Rumänien wurden die Wahlen nach der ersten Runde annulliert. Die EU-Kommission leitete ein Verfahren gegen TikTok wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das DSA-Gesetz ein. Es war jedoch das rumänische Verfassungsgericht, das die Wahlen für ungültig erklärte, nachdem der rumänische Geheimdienst Beweise für russische Manipulationen, unter anderem in den sozialen Medien, gefunden hatte. Die EU-Mitgliedstaaten entscheiden selbst über ihre Wahlen und die EU kann die Bundestagswahlen nicht für ungültig erklären.

Der ursprüngliche Verfasser des Video-Posts, der Account "Visegrád 24", verbreitet regelmäßig konservative und nationalistische Standpunkte. Die Inhalte des Accounts mit 1,3 Millionen Followern wurden in der Vergangenheit schon mehrfach von Faktencheckern als falsch oder irreführend eingestuft.

Behauptung: "Wow" schreibt Musk am 9. Januar auf X zu einer Grafik mit dem Titel "In Deutschland sind Afghanen und Pakistaner anteilig 16-mal häufiger in Vergewaltigungen verwickelt als deutsche Staatsbürger" (hierarchiviert). Das Säulendiagramm soll zeigen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Menschen mit unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten an Vergewaltigungen in Deutschland beteiligt sind.

DW Faktencheck: Falsch.

Eine Nachfrage beim Bundeskriminalamt (BKA) und bei dem Kriminologen Ralf Kölbel ergibt, dass in der Grafik Zahlen auf unzulässige Weise miteinander in Verbindung gebracht und letztendlich fehlinterpretiert wurden.

Die Grafik wurde am 6. Januar von einem Account gepostet (hierarchiviert), der regelmäßig Daten zu Migration und Kriminalität in Europa visualisiert. Die Grafik verknüpft BKA- Daten mit Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis)von 2017 bis 2021.

Das BKA erstellt mit der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS)eine jährliche Datensammlung zu den polizeilich erfassten Straftaten in Deutschland. Die verwendeten PKS-Zahlen beziehen sich auf Menschen unterschiedlicher Staatsangehörigkeiten, die der Vergewaltigung und sexueller Nötigung verdächtigt wurden. Die Zahlen umfassen daher nicht nur Verdächtige von Vergewaltigung, wie der Titel der Grafik suggeriert, sondern auch Verdächtige der sexuellen Nötigung.

Wichtig ist auch, dass es sich hier um Tatverdächtige handelt, nicht um verurteilte Straftäter. Ralf Kölbel, Professor für Kriminologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, führt weiter aus: "Die Freispruchquote bei Sexualdelikten ist viel höher als bei anderen Delikten, sodass also die polizeilichen Angaben besonders unter Vorbehalt stehen."

Auch sollte im Vergleich zwischen Bevölkerungsgruppen berücksichtigt werden, wie sich ihre Zusammensetzung unterscheidet. So sind in der afghanischen Bevölkerungsgruppe deutlich mehr Männer als in der Bevölkerungsgruppe mit deutscher Staatsangehörigkeit enthalten. Und "Sexualdelikte werden nun mal ganz vorwiegend von Männern begangen," laut Rathje.

Auf Anfrage unserer Partnerredaktion #Faktenfuchs schreibt eine Sprecherin des Bundeskriminalamtes: "Ein Verhältnis von Tatverdächtigenzahlen bestimmter Bevölkerungsgruppen zur Gesamtzahl der gleichen Bevölkerungsgruppen lässt sich nur berechnen, wenn die Vergleichsgrößen nicht ungleich sind."

Die Zahlen des Statistischen Bundesamts beziehen sich jedoch nur auf Menschen mit festem Wohnsitz in Deutschland. Im Gegensatz dazu umfassen die PKS-Zahlen auch Tatverdächtige ohne festen Wohnsitz, wie Touristen oder Durchreisende.

Das BKA hält die in der Grafik behaupteten Anteilen letztlich für "nicht korrekt". Die Grafik zeigt also eine falsch berechnete Wahrscheinlichkeit, dass Menschen bestimmter Staatsangehörigkeiten häufiger Vergewaltigungen begehen.

Rathje betont, es sei wichtig über Musks Einfluss zu sprechen, "weil er sehr viele Ressourcen besitzt, die er in Macht umwandeln kann". Man könne derzeit beobachten, wie er seine ökonomische Macht in politische Macht umwandle. Und Elon Musk verhelfe Falschinformationen im deutschen Bundestagswahlkampf zu mehr Verbreitung.

Plattformen wie X stehen derzeit in der Kritik, weil Falschinformationen sowie Hass und Hetze kaum reguliert werden. Zudem stellen Recherchen die Neutralität der Plattform in Frage. Aktuelle Studien zeigen, dass Posts von Musk und rechten Nutzern auf X bevorzugt wurdenund tausende illegitime Accounts AfD- und Musk-Posts verbreiteten.

Einige Institutionen und Personen verlassen aus diesen Gründen derzeit X. Man sollte aber nicht unterschätzen, so Rathje, wie Unentschiedene, die noch auf der Plattform sind, beeinflusst werden können.

Mitarbeit: Ines Eisele

Hinweis: Dieser Artikel entstand im Rahmen der Kooperation der ARD Faktenchecker von ARD-faktenfinder, BR24 #Faktenfuchs, und DW Fact check.

Von Alima de Graaf

Das Original zu diesem Beitrag "Faktencheck: Wie sich Elon Musk in die Bundestagswahl einmischt" stammt von Deutsche Welle.