Analyse von Ulrich Reitz - Die große Kanzler-Klatsche! Die Abwahl der Ampel hat begonnen

Was hat der Bundeskanzler nicht alles versucht – zuletzt gerierte sich Olaf Scholz, der in Berlin eine mehrheitlich linke Bundesregierung anführt, als „Mister Knallhart“. Nach dem Attentat eines abgelehnten afghanischen Asylbewerbers auf einen Polizisten und einen Islamkritiker kündigte er Abschiebungen sogar in die Bürgerkriegsländer Afghanistan und Syrien an. Es war eine Art Last-Minute-Propaganda. Aber nicht einmal dieser Schachzug konnte den Kanzler vor dem Schachmatt bewahren.

Kaum etwas zeigt die Niederlage der Kanzlerpartei so eindrücklich wie der Umstand, dass Deutschlands älteste Partei weniger Menschen in der Bundesrepublik überzeugen konnte als die Rechtsradikalen. AfD vor SPD, und das trotz aller Skandale, in die sich die Rechtsradikalen mit ihrem dubiosen Spitzenpersonal zuletzt noch verwickelten – eigentlich hätte die SPD allen Grund, angesichts dessen vor Scham im Boden zu versinken.

Was die Niederlage der SPD zu einer gravierenden Niederlage für Olaf Scholz macht: Der Kanzler hatte sich selbst zur Wahllokomotive für Europa gemacht. Eine Eisenbahn, die dann aber auf halber Strecke liegenblieb. Der Grund dafür: Scholz hat seinen Anfangs-Kredit in der Bevölkerung nachhaltig verdaddelt. Was Scholz als Deutschlands Regent verspielte, kann keine Wahlkampf-Kampagne wieder egalisieren.

Scholz kann mit keiner Kanzler-Version punkten

Scholz inszenierte sich als Friedenskanzler – unter der Überschrift: „Besonnenheit“. Es war ein Flop. Scholz inszenierte sich als Sozialkanzler, als Renten-Regierungschef, als Mindestlohn-Vorkämpfer und Bürgergeld-Booster. Auch das war ein Flop. Das muss man sich einmal vorstellen.

Scholz kann nicht einmal mit der Kombination aus: Äußerer Sicherheit (Friedenskanzler), innerer Sicherheit (Abschiebekanzler) und sozialer Sicherheit (Kümmer-Kanzler) punkten. Es sind die drei zentralen Botschaften, die in der DNA der SPD liegen – und bisher dachte man, sie bildeten ziemlich genau die DNA der Deutschen ab.

Womöglich ist das auch immer noch so, aber: Der Bundeskanzler kann diese Sehnsucht der Deutschen nach Sicherheit, im Äußeren, im Inneren und im Sozialen, nicht mehr in seiner Person bündeln. Dieser Bundeskanzler hat sich zum umfassenden Regierungschef der Unsicherheit regiert. Und das dürfte Folgen haben.

Wie lange werden die Sozialdemokraten Scholz stützen?

Bisher gibt es keine Kanzlerdebatte. Es gibt Umfragen, allesamt dokumentieren sie einen umfassenden Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Regierungs-Qualität des Bundeskanzlers. Aber aus der eigenen Partei heraus wurde Olaf Scholz bislang nicht infrage gestellt.

Wird das so bleiben? Zumal dieser Trend sich bei den nächsten Wahlen, im Osten Deutschlands, wohl noch fortsetzen dürfte, wenn es dort nicht sogar noch schlimmer aussieht für Olaf Scholz. Angesichts der absehbaren Entwicklung: Werden die Sozialdemokraten auch dann noch stillhalten, wenn sie den Verlust einer ganzen Reihe von Mandaten bei den folgenden Bundestagswahlen befürchten müssen?

Die Ampel wurde für ihre Gesellschaftspolitik abgestraft

Bleiben wir fair: Das schlechte Abschneiden von Scholz und der SPD hat seine Ursache nicht allein bei Scholz und seiner Partei. Scholz führt eine Regierung, die Unvereinbares unter einen Hut bringen will – und eigentlich muss. Die Regierungskoalition ist zugleich eine Nichtregierungs-Koalition.

Beim Krieg in der Ukraine passt zwischen FDP und Grüne kein Blatt, bei der Migration, in der Sozial- und der Gesellschaftspolitik ist es so bei SPD und Grünen. Deshalb muss man feststellen, vor allem nach dem klaren Abschmieren der Grünen: Für ihre Gesellschaftspolitik wurde die Ampelregierung hart abgestraft.

Die Mehrheit der Deutschen kann und will nicht verstehen, weshalb biologische Männer, die als Frauen „gelesen“ werden wollen, sich Zutritt verschaffen können sollen in Frauen-Schutzräume. Eine Mehrheit kann und will nicht verstehen, dass die Antwort auf eine zunehmende Desintegration von Ausländern die erleichterte Einbürgerung von Migranten sein soll.

Platzverweis für die Grünen und Roten

Und eine Mehrheit hat Angst vor dem wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands – was sich immer mit einer Regierung verbindet. Wobei: Die Ampel hat sich ihren Ruf, eine Regierung des wirtschaftlichen Abschwungs zu sein, „redlich“ verdient – vor allem mit ihrer teuren, unter dem Strich aber wirkungsarmen Energiepolitik.

Die schlechten Werte für die SPD und ihren Kanzler stehen in deutlichem Kontrast zu dem zur Schau gestellten Selbstbewusstsein von Olaf Scholz. Augenscheinlich sind immer mehr Menschen genervt vom Scholz-Gestus des strukturellen Besserwissers. Dieser dem Kanzler persönlichkeitsbedingt innewohnende Elitismus stößt die Bevölkerung zunehmend vor den Kopf.

Mit dieser Kombination aus Führungsschwäche und Arroganz wird Scholz inzwischen zur größten Hypothek für die SPD. Das Kanzler-Vertrauen ist weg, die Grünen haben ihren Nimbus verspielt – das sind die nachhaltigsten Ergebnisse dieser Europawahl. Die Grünen und die Roten haben vom Wähler die Rote Karte gezeigt bekommen: Platzverweis.