Eine Reform, die Kommunen in die Pflicht nimmt: Wie Freising die Grundsteuer steuert

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Wie teuer wird das eigene Haus? Die Stadt Freising hat den Grundsteuerhebesatz neu festgelegt. Kämmerer Johannes Hutter klärt über die Hintergründe auf. Die Bescheide sollen noch dieses Jahr an die Eigentümer gehen. © Jens Büttner/dpa

380 Prozent ist der neue Grundsteuer-Hebesatz. Für Grundstücksbesitzer ist das noch eine abstrakte Zahl. Doch schon in den kommenden Tagen werden die neuen Grundsteuerbescheide erstellt. Für manchen kann das eine Entlastung darstellen, andere werden stärker zur Kasse gebeten. Freisings Stadtkämmerer ordnet die Lage ein.

Freising – Freising hat in der Stadtratssitzung am Donnerstag den neuen Hebesatz der Grundsteuer von 380 Prozent auf den Weg gebracht, die Bescheide werden demnächst verschickt, ab Februar des kommenden Jahres werden die Beträge fällig. Das Ganze soll laut Vorgabe des Gesetzgebers aufkommensneutral über die Bühne gehen. In wenigen Einzelfällen kann das zu massiven Erhöhungen führen, so mancher kommt aber besser weg, eine sogenannte Belastungsverschiebung trete damit ein, wie Freisings Kämmerer Johannes Hutter erklärt.

Zwei konkrete Beispiele in Freising: Für ein Wohnhaus mit Garten auf einer Fläche von 180 Quadratmetern, für das bislang 217 Euro jährlich angefallen sind, wird mit den neuen Hebesätzen 1544 Euro fällig. Hingegen zahlt der Eigentümer eines Hauses ohne Garten mit einer Grundfläche von 75 Quadratmetern, nicht mehr 137 Euro, sondern kommt künftig 20 Euro günstiger weg.

Auf der Homepage der Bayerischen Landesanstalt für Steuern heißt es zur Grundsteuerreform: „Grundsätzlich gilt für das Flächenmodell: Eigentümerinnen und Eigentümer von großen Grundstücken mit großen Gebäuden werden entsprechend mehr Grundsteuer zahlen müssen als zum Beispiel Eigentümerinnen und Eigentümer von kleinen Wohnungen oder kleiner Grundstücke in derselben Gemeinde.“ Johannes Hutter hat im FT-Gespräch detaillierte Antworten auf Fragen rund um die Grundsteuerreform gegeben – auch darauf, was aufkommensneutral eigentlich bedeutet.

Herr Hutter, wie viel Arbeit macht Ihnen die Grundsteuerreform? Und wie viele schlaflose Nächte hat sie Ihnen bislang bereitet?

Nachdem ich im Steueramt auf ein eingespieltes Team von zuverlässigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zurückgreifen kann, beschränkt sich mein Arbeitsaufwand bezüglich der Grundsteuerreform auf die Koordination der vorhandenen personellen Ressourcen und die regelmäßige Abstimmung mit den zuständigen Mitarbeitern, um eventuell auftretende Probleme zu klären. Schlaflose Nächte habe ich hierdurch nicht. Für die Kolleginnen und Kollegen im Steueramt bedeutet die Reform allerdings ein deutlich erhöhtes Arbeitspensum.

Grundsätzlich war die Herausforderung für Sie also, einen Hebesatz festzulegen, der in der Summe in etwa den selben Betrag in die Kassen spülen wird wie bisher, ist das so ㈠richtig?

Ja, für mich persönlich dürfte dies die größte Herausforderung gewesen sein. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten darüber hinaus mit Anfragen der Steuerpflichtigen, Abstimmung mit dem Finanzamt und unserem Softwareanbieter hinsichtlich der Übernahme der Daten des Finanzamts zusätzliche Herausforderungen zu bestehen.

Für alle Nicht-Steuerexperten erläutert: Was genau bedeutet aufkommensneutral?

Unter dem Begriff aufkommensneutral im Zusammenhang mit der Grundsteuerreform ist zu verstehen, dass wir als Kommune versuchen, den Hebesatz so festzulegen, dass wir im nächsten Jahr möglichst die gleichen Einnahmen aus der Grundsteuer erzielen wie 2024. Hierbei schauen wir nur auf die Gesamtsumme. Für einzelne Steuerpflichtige kann es daher im Rahmen der Reform trotzdem zu einer höheren oder niedrigeren Grundsteuer kommen. Dies liegt jedoch in der Reform begründet und kann von uns nicht verhindert werden.

Und wieso ist dann mit Auswirkungen auf die Schlüsselzuweisungen und die Kreisumlage zu ㈠rechnen?

Für die Schlüsselzuweisungen und die Kreisumlage ist die Steuerkraft einer Kommune ausschlaggebend. In die Berechnung der Steuerkraft fließt unter anderem auch die Höhe des örtlichen Aufkommens der Grundsteuer mit ein. Bei der Berücksichtigung der Grundsteuer wird ein landeseinheitlicher Hebesatz angewandt, um Kommunen nicht für einen höheren Hebesatz zu bestrafen, der sogenannte Nivellierungshebesatz. Aktuell ist davon auszugehen, dass die Hebesätze in Bayern stärker auseinandergehen, als dies bisher der Fall war. Hierdurch wird es schwieriger werden, einen einheitlichen Nivellierungshebesatz anzuwenden. Wie dieser daher künftig ausschauen könnte, lässt sich aktuell noch nicht vorhersehen. Diese Auswirkungen werden erst 2027 spürbar sein, bis dahin kann noch eine Lösung für diese Problematik gefunden werden.

Rechnen Sie in Fällen erheblicher Erhöhungen einzelner Grundsteuerbescheide mit Widersprüchen und welche Aussicht auf Erfolg haben diese?

Die Aussichten auf Erfolg eines Widerspruchs gegen den Grundsteuerbescheid der Stadt Freising würden wir als sehr gering einschätzen. Unserem Grundsteuerbescheid liegt der Grundsteuermessbetragsbescheid des Finanzamts zu Grunde. Der Grundsteuermessbetrag wird von uns, vereinfacht gesagt, nur mit dem geltenden Hebesatz multipliziert. Dass uns hierbei Fehler unterlaufen, dürfte eher unwahrscheinlich sein. Wenn Zweifel an der Richtigkeit des Grundsteuermessbetrags bestehen, müssen sich die Bürger an das zuständige Finanzamt wenden. Erst wenn uns von diesem berichtigten Datum übermittelt werden, können wir diese anwenden.

Finden Sie das neue Berechnungsmodell auch mieterfeindlich, wie in der Sitzung aus den Reihen des Gremiums angemerkt wurde?

Diese Sichtweise von einigen Ausschussmitgliedern kann ich nicht nachvollziehen. Die Grundsteuer ist, unabhängig davon ob altes Recht gilt, neues Recht, Bundesmodell oder wertunabhängiges Flächenmodell, auf den Mieter im Rahmen der Nebenkosten umlegbar. Insoweit sehe ich keine großartige Änderung zu der bisher in Deutschland bestehenden Rechtslage.

Was ist der Unterschied zur Grundsteuerreform im Rest von Deutschland? Wieso geht Bayern einen eigenen Weg?

Im Zuge der Grundsteuerreform wurde ein Standard vorgegeben (Bundesmodell) und eine Öffnungsklausel für die Bundesländer eingeführt. Neben Bayern haben sich sechs weitere Bundesländer für ein modifiziertes beziehungsweise eigenes Modell entschieden. Das Bayerische Modell, das sogenannte wertunabhängige Flächenmodell, hat zum Ziel, den Verwaltungsaufwand möglichst gering zu halten und keine unnötigen Kosten hierdurch entstehen zu lassen und zu verhindern, dass die Grundsteuer aufgrund steigender Bodenrichtwerte automatisch steigt. Ob diese Ziele erreicht werden, wird man in einigen Jahren sehen.

Kämmerer Johannes Hutter stellte die Zahlen vor.
Kämmerer Johannes Hutter: Manche Auswirkungen der Steuerreform werden erst 2027 spürbar sein. © Lehmann

Sie haben in der Sitzung von Finanzamtsdaten gesprochen, die „nicht plausibel“ sind. Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Fälle, die uns nicht plausibel erscheinen, sind solche Fälle, die jahrelang als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (Grundsteuer A) bewertet wurden und jetzt als unbebaute Grundstücke (Grundsteuer B) aufgeführt sind. Und Fälle, bei denen sich der Messbetrag um 100 Prozent und mehr erhöht hat.

Wie und wann werden die Freisinger erfahren, wie viel Grundsteuer sie ab 2025 zahlen müssen?

Nach Verabschiedung der Hebesatz-Satzung im Stadtrat am 24. Oktober werden wir die Satzung veröffentlichen und die neuen Grundsteuerbescheide erstellen. Unser Ziel ist es, dass die meisten betroffenen Bürger bis Mitte Dezember Informationen über ihre künftige Höhe der Grundsteuer haben. In Einzelfällen, etwa weil es Änderungen bei den Adressdaten gab, kann es auch noch zu einer späteren Zustellung des Bescheids kommen. Erstmalig abgebucht wird die neue Grundsteuer für die meisten zum 15. Februar 2025. Soweit uns von einzelnen Bürgern kein SEPA Lastschriftmandat erteilt wurde, müssen diese den fälligen Betrag selbst überweisen.

Wie hoch werden die Einnahmen durch die Grundsteuer für Freising 2025 sein, und gibt es einen Unterschied zu bisher?

Aufgrund der angestrebten Aufkommensneutralität rechnen wir für 2025 mit Einnahmen in Höhe von 130 000 Euro bei der Grundsteuer A und 6,3 Millionen Euro bei der Grundsteuer B.

Wo kann man sich bei Fragen hinwenden? 

Wir planen allen Grundsteuerbescheiden ein Informationsblatt beizulegen, aus dem hervorgeht, in welchen Fällen das Steueramt der Stadt Freising bzw. das örtliche Finanzamt der richtige Ansprechpartner ist. Für die bessere Erreichbarkeit der Ansprechpartner für die Grundsteuer im Steueramt wurde eine eigene E-Mail Adresse (grundsteuer@freising.de) und eine Sammelrufnummer unter Tel. (0 81 61) 54 4 22 05 eingerichtet. Darüber hinaus stehen die Sachbearbeiter zu den Öffnungszeiten der Stadtverwaltung im Amtsgebäude in der Amtsgerichtsgasse 6 für Fragen zur Verfügung.

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