Schlechte Nachrichten für Deutschland: Das sind die wertvollsten Branchen der Welt

Corona-Krise, Ukraine-Krieg, Energiekrise: An schlechten Nachrichten mangelte es der Börse in den vergangenen fünf Jahren nicht. Doch trotz allem sind die Renditen für Aktienanleger hoch geblieben. 

Die Boston Consulting Group (BCG) hat für ihren jährlichen „Value Creators Report“ 2345 Aktien aus 35 Branchen analysiert. Im Schnitt stiegen diese jährlich um 9,8 Prozent im Wert seit Anfang 2020. Das ist sogar noch mehr als in den fünf Jahren vor Corona – da waren es nur 9,6 Prozent. Aus Sicht deutscher Anleger spiegelt sich das auch im Dax. Der stieg im gleichen Zeitraum pro Jahr um durchschnittlich 9,1 Prozent an. Von 2015 bis 2019 lag die durchschnittliche Rendite hingegen nur bei 7,2 Prozent.

35 Branchen im Blick

Doch wie das bei Durchschnitten immer so ist, verteilt sich diese Rendite ganz unterschiedlich auf die 35 Branchen, die BCG untersucht hat. Die Ergebnisse der Studie sind dabei nicht nur für Aktienkäufer interessant, denn sie geben auch Aufschluss darüber, welche Branchen in der Weltwirtschaft generell zuletzt boomten und welche schwächelten. Diese Industrien stechen heraus:

1. Tech

Wenig verwunderlich sind es die Tech-Konzerne, die in der jüngsten Vergangenheit die größten Renditen abwarfen. Die großen fünf aus den USA – Apple, Amazon, Meta, Alphabet und Netflix – kommen auf durchschnittlich 150 Prozent Kurssteigerung in den vergangenen fünf Jahren. Dazu gesellen sich etwa Nvidia mit fast 1500 Prozent und Microsoft mit rund 140 Prozent. Aus Deutschland kann da etwa SAP mit 137 Prozent und Infineon mit 82 Prozent mithalten. Neuere Konzerne wie Zalando, HelloFresh und Delivery Hero schrumpften allerdings gegen den Trend.

Hardwarehersteller aus der Tech-Branche haben ihr Wachstum sogar gegenüber der Zeit vor 2020 noch gesteigert. BCG führt das vor allem auf den Aufstieg von Künstlichen Intelligenzen (KI) zurück. Entsprechend führt die Tech-Branche auch das Ranking für die kommenden fünf Jahre an. Hier bewertet BCG die „Vitalität“ einer Branche. Dafür wird bei jedem Konzern geschaut, wie gut er aufgestellt ist, um die positiven Rahmenbedingungen für seine Branche in reale Gewinne umzumünzen. Dazu werden mehr als 20 Kategorien ausgewertet, zu denen etwa auch der Umgang mit Mitarbeitern und die Qualität des Vorstandes gehören.

Selbst die schlechtesten Software-Unternehmen kommen dabei noch auf einen Vitalitäts-Wert von 200. Null wäre die Grenze zwischen zu erwartendem Wachstum und rückläufigen Gewinnen. Im Median landet die Software-Branche bei rund 450 Punkten – weit vor jeder Konkurrenz. Die besten Unternehmen kommen auf Werte von mehr als 700. Das bedeutet, dass BCG in dieser Branche sogar noch von einer Beschleunigung des sowieso schon starken Wachstums ausgeht.

Anders sieht es für die Hardware-Sparte aus. Hier liegt der Median nur bei 100 Punkten. Das ist aber auch noch eine Renditesteigerung, allerdings müssen Sie Aktien hier vorsichtiger auswählen, da nicht jeder Konzern gewinnen wird.

2. Pharma

Obwohl die Pharma-Industrie besonders in der Corona-Krise in den Fokus rückte und einige Konzerne, besonders Impfstoffhersteller, beeindruckende Kurssteigerungen einfahren konnten, bremste das Wachstum der Branche sich seitdem gegenüber der Vor-Corona-Zeit ab. Das gilt stärker für mittelgroße Pharmaunternehmen und etwas weniger für Großkonzerne. So haben von den bekannten Impfstoffherstellern nur AstraZeneca (+29 Prozent) und Johnson & Johnson (+4 Prozent) sich insgesamt im grünen Bereich gehalten. Für Pfizer ging es gegenüber Anfang 2020 um 33 Prozent nach unten. Ähnlich unterschiedlich sieht es auch bei deutschen Konzernen aus. Während die Merck KGaA ihren Aktienkurs um immerhin 15 Prozent unterdurchschnittlich steigerte, ging es für Bayer – das neben Pharma noch ein kriselndes Chemie-Geschäft besitzt – um 62 Prozent hinab. Shootingstar Biontech sticht mit +108 Prozent seit Börsenstart positiv heraus.

Aber für die kommenden fünf Jahre attestiert BCG der Branche eine hohe Vitalität. Sie liegt im Median bei rund 250 Punkten und schwankt je nach Konzern von 100 bis 600. Das mag nur rund halb so hoch sein wie in der Tech-Branche, doch ist der zweitbeste Wert aller Branchen. Die Zeichen sind günstig. Mit immer stärker alternden Gesellschaften in Industrieländern werden neue Medikamente und Therapien immer gefragter. Das hilft auch der Medizintechnik-Branche, die insgesamt Platz 5 belegt und auf 150 Vitalitäts-Punkte im Mittel kommt.

3. Medien und Unterhaltung

Die Medienbranche ist meist selten im Fokus, wenn es um Aktienberichte geht. Dabei war sie schon von 2015 bis 2019 eine der rentabelsten für Anleger. Das hat sich in der Post-Corona-Zeit etwa abgeschwächt. Da lagen die Renditen nur noch knapp unter dem Durchschnitt. Besonders erfolgreich sind traditionelle Medienmarken wie die News Corporation von Rupert Murdoch mit einem Aktienplus von 185 Prozent seit Anfang 2020, die Nachrichtenagentur Thompson Reuters (+149 Prozent) und der US-TV-Sender Fox Corporation mit plus 83 Prozent. Deutsche TV-Aktien wie RTL Group und ProSieben Sat.1 stehen hingegen im Minus. Allerdings verbucht die Ticketplattform CTS Eventim mit plus 174 Prozent enorme Gewinne seit Corona.

BCG gibt der Branche im Median die drittgrößte Vitalität mit knapp 200 Punkten. Aber die Spanne ist groß. Kriselnde Film-Riesen wie Disney und Warner Bros. liegen teils im negativen Bereich, die besten Konzern kommen auf fast 450 Punkte. Wer hier investieren will, muss also genau auswählen, wessen Aktien er kauft.

4. Finanz-Infrastruktur

Auf hohem Niveau wurden Finanz-Infrastruktur-Anbieter in den vergangenen fünf Jahren gebremst. Ihre durchschnittlichen Renditen sind aber immer noch Top. Hinter der sperrigen Branchen-Beschreibung stecken etwa Börsenbetreiber und Payment-Anbieter. Von den großen Konzernen ist Paypal der Einzige, der über einen Fünf-Jahres-Zeitraum nicht große Renditen abwarf. Bei den Börsenanbietern führt Nasdaq mit +114 Prozent vor der Deutschen Börse mit +100 Prozent, dem NYSE-Betreiber Intercontinental Exchange (+93 Prozent) und der CME Group mit +63 Prozent. Payment-Anbieter wie Mastercard (+103 Prozent), Visa (+95 Prozent) und der niederländische Zahlungsabwickler Adyen (+57 Prozent) haben sich ebenfalls prächtig entwickelt.

Das soll für die meisten Unternehmen der Branche laut BCG weitergehen. Sie ist mit einer mittleren Vitalität von 100 Punkte die letzte, die deutlich im Plus landet. Nur wenige Konzerne werden hier negativ bewertet.

Comebacks, die nicht von Dauer sind

Die größten Gewinner der vergangenen fünf Jahre finden sich hingegen auf dem absteigenden Ast – außer der Techbranche. So legten von 2020 bis 2024 etwa Öl- und Gasunternehmen ein Comeback hin, ebenso die Autoindustrie, die Metallbranche, die Bergbauindustrie und die Baubranche. Für alle sieht BCG in den kommenden fünf Jahren keine glorreiche Zukunft. Automobilzulieferer schneiden mit einer mittleren Vitalität von knapp über 0 Punkten noch am besten ab. Autobauer selbst landen bei minus 100, mit nur einer Handvoll Konzernen mit positiven Aussichten. Bergbau und Baustoffe landen bei rund minus 200 Punkten, die Baubranche selbst bei minus 250. Öl und Gas ist mit minus 300 die drittschlechteste Branche in der BCG-Analyse und die Metallindustrie landet mit einem Median von weniger als minus 300 Punkten ganz am Ende.

Was bedeutet der Bericht für Deutschland?

Für Deutschlands wichtigste Industrien ist die BCG-Analyse schlecht. Die Automobil-Industrie liegt wie gesagt nur bei den Zuliefern noch leicht im positiven Bereich. Auch Deutschlands zweitgrößte Branche, der Handel, gehört zu den Verlierern mit einer mittleren Vitalität von minus 200 Punkten. Gleiches gilt für weitere wichtige Branchen wie Maschinenbau (-100 Punkte im Mittel), die Elektroindustrie (-50 Punkte) und die Chemiebranche (-90 Punkte). Einzige Lichtblicke aus deutscher Sicht sind Pharma und Software, in denen unsere Industrie stark ist.