US-Sanktionen als Ansporn: Wie Huawei den Kampf gegen Donald Trump gewann

Kaum ein chinesischer Konzern wird weltweit mit so viel Argwohn betrachtet wie Huawei. Sicherheitslücken in Geräten des Telekom-Herstellers werden ebenso vermutet wie Einfallstore für chinesische Staatsspionage. In einigen Ländern wie Deutschland und den USA ist Huawei vom Bau der Mobilfunknetze ausgeschlossen, obwohl der Konzern einer der größten Anbieter in diesem Bereich ist. 

Und 2019 erkor der damalige und heutige US-Präsident Donald Trump Huawei zu seinem speziellen Feind. Per Dekret verbot er US-Firmen, Waren und Lizenzen an das chinesische Unternehmen zu liefern. Praktisch über Nacht war Huawei, damals aufstrebend im Smartphone-Markt, die Nutzung des Google-Betriebssystems Android und in den USA entwickelter 5G-Chips untersagt. 

Huawei trotzt den Widrigkeiten

Doch trotz aller Widrigkeiten floriert der Konzern auch heute noch. Vergangenes Jahr wurde mit einem Umsatz von umgerechnet rund 104 Milliarden Euro abgeschlossen. Das war das zweitbeste Jahr in der Firmengeschichte nach 2020, ein Plus von 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Um Huawei besser zu verstehen, müssen wir die Firmengeschichte erzählen. In den 1980er Jahren war China von seinem heutigen Glanz noch weit entfernt. Gemessen in Bruttoinlandsprodukt pro Kopf rangierte das Reich der Mitte damals nur auf Platz 137 in der Welt. Nur Mosambik war unter den Staaten, zu denen es Daten gibt, damals noch ärmer.

China ein unterentwickeltes Land 

Einer der Bereiche, in denen das Land unterentwickelt war, war die Telekommunikation, was damals noch hauptsächlich normale Telefone meinte. Um dies zu ändern, gründete die chinesische Regierung 1980 die Sonderwirtschaftszone Shenzhen im Süden des Landes. Zu diesem Zeitpunkt lebten hier, nördlich angrenzend an die damalige britische Kolonie Hongkong, rund 30.000 Menschen, die hauptsächlich von der Landwirtschaft lebten. 

Heute ist Shenzhen das größte Technologiezentrum Chinas. Mit rund 17 Millionen Einwohnern ist sie die drittgrößte Stadt des Landes und nirgendwo anders ist das Pro-Kopf-Einkommen höher.

Die Anfänge von Huawei

Die neue Sonderwirtschaftszone lockte viele Gründer an, die vor allem auf Handel mit dem nahen und reicheren Hongkong aus waren. Einer von ihnen war Ren Zhengfei, der Huawei hier 1987 ins Leben rief. Ren, damals 43 Jahre alt, sitzt bis heute im Vorstand von Huawei, hat den Posten als CEO aber abgegeben. Ihm selbst gehören heute noch 0,65 Prozent des Unternehmens. 

Ren stammt aus der Provinz Guizhou rund 800 Kilometer nordwestlich von Shenzhen. Er studierte Bauingenieurwesen und arbeitete später als IT-Ingenieur – also genau in dem Bereich, in dem er Huawei erfolgreich machen sollte. Weil seine Eltern die falsche politische Gesinnung hatten, wurde er selbst erst 1978 in die Kommunistische Partei Chinas aufgenommen. Zuvor arbeitete er in Projekten für die Armee mit, bekam aber ohne Parteizugehörigkeit keinen offiziellen Rang. Obwohl seine Arbeit ihm viel Lob einbrachte, flog er 1982 bei einer Massenentlassungswelle raus und ging nach Shenzhen.

Wer Huawei die Aufträge sicherte

Zu Beginn konnte Huawei noch keine eigenen Produkte entwickeln oder herstellen. Stattdessen kaufte Ren Vermittlungsstellen und Brandmelder in Hongkong ein und verkaufte diese in China weiter. Parallel arbeitete er an einer eigenen Telefonanlage, die er 1993 auf den Markt brachte. Weil sie der Konkurrenz technisch weit überlegen war und Ren einen großen Fokus auf guten Service legte, eroberte er sich damit zunehmend Marktanteile.

Die ersten Produkte waren die Basis, der Durchbruch kam aber ab 1996, als die chinesische Regierung beschloss, heimische Telekom-Ausrüster stärker zu fördern und ausländische Firmen vom Markt auszuschließen. Ren hatte durch seine Militärzeit gute Verbindungen und sicherte Huawei damit Aufträge. Das ermöglichte auch die Expansion ins Ausland. 1997 schloss Huawei einen ersten Vertrag in Hongkong, in Schweden betraten die Chinesen 2002 erstmals europäischen Boden. 2005 machte Huawei erstmals mehr Umsatz im Ausland als in China.

Kontroversen und Sperren

Mit dem Erfolg wuchsen aber auch die Kontroversen. Die Sorge: In Huaweis Geräten gibt es Hintertüren für chinesische Geheimdienste. Bewiesen wurde dies bis heute nicht. Als Indiz gilt Rens Vergangenheit beim chinesischen Militär.

Aus Sorge um die Sicherheit nahmen deswegen in den 2010er Jahren immer mehr Länder Abstand von Huawei als Ausrüster von Mobilfunk und Breitband. Australien sperrte die Chinesen etwa schon 2012 aus, Taiwan folgte 2014, Neuseeland 2018. In Deutschland darf Huawei weiter operieren, die Ampel-Koalition wies die hiesigen Mobilfunkbetreiber aber an, kritische Komponenten ihrer Netzwerke bis 2029 auszutauschen. In den USA darf Huawei wie oben beschrieben seit 2019 nicht mehr agieren.

Seit 2011 mit eigenen Smartphones aktiv

Das gilt allerdings jeweils nur für die Netzwerkausrüstungen des Unternehmens. In den vergangenen 15 Jahren hat sich Huawei aber auch zu einem Anbieter für Unternehmen und private Verbraucher entwickelt. So bietet die Firma seit 2011 eigene Smartphones an, dazu Tablets, Smartwatches, USB-Sticks, Router, Wechselrichter für Solaranlagen und vieles mehr. 

Besonders das Smartphone-Geschäft wurde – mit großem Marketing-Aufwand gepusht – zum Erfolg. Schon 2015 schob sich Huawei hinter Samsung und Apple auf Platz 3 der größten Hersteller der Welt. 2016 schloss der Konzern eine Kooperation mit dem Kamera-Spezialisten Leica ab. Lange gehörten die Kameras in Huawei-Handys dadurch zu den besten der Welt, mittlerweile haben andere Hersteller aufgeschlossen.

Warum Huawei nicht unterging

Das Smartphone-Geschäft war es denn auch, was Donald Trump 2019 auf den Plan rief, der mit seiner Blockade Huaweis versuchte, die Firma aus dem Markt zu drängen: US-Firmen wurde untersagt, Huawei mit Chips und Software für die Handys zu beliefern. Das hieß: Keine 5G-Chips mehr, kein Android mehr. 

"Das war ein ziemlicher Schock", erinnert sich Carsten Senz, Vice President Corporate Communications bei Huawei in Deutschland, der schon damals bei dem Unternehmen war. "US-Firmen waren wichtige Zulieferer für uns und wir hatten damals als Open Source-Partner Android mitentwickelt." Doch Huawei überstand die Krise, wurde dadurch sogar stärker. "Jetzt können wir vieles selbst, was wir vorher zugekauft hatten", sagt Senz.

Huaweis Weg zum Erfolg

Der Kraftakt gelang aus seiner Sicht aus mehreren Gründen. Huawei hatte schon immer stark auf Forschung und Entwicklung gesetzt. Mehr als die Hälfte der 207.000 Beschäftigen ist in diesem Bereich tätig. Zuletzt flossen mehr als 23 Prozent des Umsatzes in die Forschung. Zum Vergleich: Bei Apple sind es knapp sieben Prozent. Mehrere Teams konkurrieren bei den Projekten miteinander und wetteifern darum, die beste Lösung zu finden. Die Innovationskraft ist hoch. Kein Unternehmen reichte 2023 mehr Patente in Europa ein als Huawei. 

Dank dieser Innovationskultur Huawei konnte damals auf ein Betriebssystem zurückgreifen, an dem schon seit einiger Zeit gearbeitet wurde: Harmony. Der Konzern musste also nicht bei null anfangen. Die Transformation gelang: 2020 in der Corona-Krise war Huawei sogar kurzzeitig der größte Smartphone-Hersteller der Welt und feierte gleichzeitig sein bestes Geschäftsjahr der Unternehmensgeschichte. 

Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor

Aber die Gründe für die Widerstandsfähigkeit gehen tiefer. Senz sieht auch einen wichtigen Erfolgsfaktor in der Unternehmenskultur. Über 99 Prozent des Unternehmens gehört den Mitarbeitern. Sie bestimmen den Vorstand, der dann den Geschäftsführer wählt. "Die kooperative Eigentümerschaft sorgt für eine ganz andere Verbundenheit und Motivation, als wenn man nur Angestellter ist", sagt Senz. Dazu kommt, dass zwei Drittel des Gewinns als Dividende an die Mitarbeiter ausgeschüttet werden, die Anteile halten. Auch das sorgt für Bindung und Motivation. "Die Dividenden-Zahlung ist eine zusätzliche Motivation und kann hoch ausfallen, wenn man viele Jahre investiert hat. Die Anteile sind entsprechend begehrt. Aber nur wer bestimmte Ziele erreicht, darf sie kaufen", erklärt Senz. 

Der studierte Sinologe sieht aber noch einen anderen Grund: "Zur Unternehmenskultur bei Huawei gehört es, immer auf der Hut zu sein. Ständig rechnen wir damit, dass etwas Unerwartetes passieren kann. Das hilft, mental auf Krisen vorbereitet zu sein und flexibel reagieren zu können."

Solche Extremereignisse werden auch als Schwarze Schwäne bezeichnet. Ganz konkret haben die Mitarbeiter von Huawei sie jeden Tag vor Augen: Auf dem Campus in Shenzhen leben Schwarze Schwäne.