Blaulichtfahrer müssen immer bereit sein
Sie müssen immer bereit sein – auch dann, wenn es die anderen Autofahrer nicht sind. Die Sanitäter des BRK sind schwierige Verkehrssituationen gewöhnt. Ganz ablegen können sie die Anspannung auf ihren Einsatzfahrten nicht. Auf einer Tour ohne Blaulicht sprechen zwei über ihren Beruf.
Wolfratshausen – Wenn der Piepser geht, ist Lena Trischberger auf einmal angespannt. Gerade hatte sie noch locker mit den Kollegen geplaudert, jetzt verändert sich ihre Haltung. Es geht nur um eine einfache Transportfahrt, kein Zeitdruck, kein Blaulicht. Trotzdem sieht man der 20-Jährigen die Ernsthaftigkeit an, wenn sie mit schnellen Schritten zum Auto eilt. Trischberger ist Rettungssanitäterin beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK) in Wolfratshausen. Sie kennt den Verkehr in der Region, jeden Winkel auf den Straßen und das Adrenalin, wenn sie mit Tempo 70 durch den Ort braust, weil jede Minute im Notfall zählt. An ihrer Seite sitzt heute Maximilian Strasser. Der Notfallsanitäter ist seit 2015 Teil der Wache des BRK in Wolfratshausen. Einsatzerfahrung hatte er schon früher: „Ich war davor bei der Feuerwehr.“ Blaulicht und hohes Tempo: Strasser schockiert daran nichts mehr.
Der Job macht Lena Trischberger Spaß
Trischberger ist seit 2022 immer mal wieder auf dem Fahrersitz im Rettungswagen. Vergangenes Jahr machte sie ein Freiwilliges Soziales Jahr beim BRK. Offenbar gefiel ihr die Arbeit: Sie blieb den Rettern nach ihrem FSJ als hauptamtliche Mitarbeiterin erhalten. „Der Job macht mir Spaß“, erklärt sie. „Und vielleicht habe ich ein bisschen das Helfersyndrom, das man dafür braucht.“ Zum täglichen Brot der beiden BRK-Mitarbeiter gehören rasante Fahrten im Einsatzauto – mit Blaulicht und möglicherweise lebensrettenden Entscheidungen. „Im FSJ und in der Ausbildung lernt man die Grundlagen für das Fahren im Einsatzwagen“, sagt Strasser. Er glaubt aber: „Erst danach, wenn man wirklich unterwegs ist, lernt man es richtig.“ Denn die Realität stellt oft ganz andere Anforderungen, als in der Theorie geschult werden können. Vor der ersten Fahrt als Krankenwagenführerin war Trischberger dementsprechend nervös. „Ich weiß gar nicht mehr, was ich gedacht habe. Wahrscheinlich wollte ich nur vorsichtig sein und alle lebend zum Einsatz bringen.“ Sie merkte schnell, dass der reale Straßenverkehr anders ist als jede Vorbereitungsfahrt.
Manchmal fluchen wir ziemlich.
„Wir wissen natürlich, was wir tun müssen – aber die anderen Autofahrer haben das nie gelernt, was genau zu tun ist“, erklärt Strasser. Das beobachtet auch Trischberger immer wieder, wenn sie das Blaulicht anschaltet. „Es wäre sinnvoll, wenn das alle Fahrer lernen müssten. Viele wissen nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen.“ Das sorge immer wieder für Verzögerungen. „Für uns wäre am besten, alle fahren nach rechts und werden dort langsamer“, dann könne das Sanitäterteam die frei gewordene Straßenmitte nutzen. Im Verkehr ist die Lage aber oft eine ganz andere. „Manchmal fluchen wir ziemlich“, sagt Strasser. Wenn Autofahrer überfordert sind und einfach mittig auf der Straße bremsen etwa. Oder, wenn eine Situation an der Ampel so festgefahren ist, dass die Retter trotz Blaulicht und Sirene auf Grün warten müssen. Trischberger: „Wir müssen manchmal einfach Geduld haben. Auch wenn das schwierig ist.“
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Während der Einsätze können Sekunden entscheiden. Deswegen sind Tempolimits – logischerweise – für die Retter außer Kraft gesetzt. „Es gibt schon ein paar Vorgaben. Wir versuchen innerorts nicht mehr als 70 zu fahren“, sagt Strasser. Trotzdem werden die Kollegen immer mal wieder geblitzt. Bezahlen müssen sie dafür nicht. „Es gibt auch kein Ranking, wer das schnellste Blitzerbild bekommen hat“, sagt Strasser.

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Dass in den vielen riskanten Situationen während der Einsätze nicht dauernd Unfälle passieren, liegt an einigen Regeln, an die sich die Rot-Kreuzler halten müssen. „Wir tasten uns zum Beispiel auch mit Blaulicht langsam in Kreuzungen hinein, wenn wir Rot haben“, sagt der Wolfratshauser. Man könne schließlich nie ausschließen, dass ein anderer Autofahrer das Tatü-Tata überhört. „Wir fahren erst, wenn wir sicher sind, dass es frei ist.“ Den Stadtverkehr mögen die beiden trotzdem nicht – „am liebsten“ ist Trischberger „die Autobahn“. Auch, weil sich inzwischen herumgesprochen hat, wie eine Rettungsgasse aussehen muss. Strasser: „Die Werbung dafür in den vergangenen Jahren hat schon etwas gebracht: Die Leute kriegen das besser hin, und unsere Arbeit wird dadurch leichter.“ Innerorts gebe es mehr Probleme, auch deshalb, weil die Straßen so eng sind.
Parkende Autos in engen Straßen sind ein Problem
Durch den Wolfratshauser Ortsteil Waldram beispielsweise fährt Lena Trischberger „sehr ungern. Und in einigen Dörfern ist es auch wirklich schwierig durchzukommen, wenn auf den engen Straßen auch noch Autos parken.“ Sollte es wirklich nicht genügend Platz für den Krankenwagen geben, gibt es laut Trischberger zwei Möglichkeiten: „Wenn wir nah genug am Einsatzort sind, würden wir stehen bleiben und hinlaufen. Sonst müssten wir einen anderen Weg suchen. Beides kostet Zeit.“ Sie selbst hat das noch nicht erlebt. „Ich bin bisher immer irgendwie durchgekommen.“
Bisweilen kommt es zu unschönen Szenen
Manchmal müssen andere Verkehrsteilnehmer zurückstecken, damit die Sanitäter helfen können. Das sorgt hin und wieder für höchst unschöne Szenen. Strasser „wurde auch schon ein Mittelfinger gezeigt, weil’s einem anderen Fahrer nicht gepasst hat, wie schnell wir waren“. Lena Trischberger muss regelmäßig diskutieren, ob sie den Krankenwagen nicht noch einmal umparken könnte. Die fast immer gleiche Antwort: „Kann ich nicht. Die meisten verstehen dann, dass sie kurz warten müssen, weil ein Notruf einfach vorgeht.“ Ein paar Querulanten gibt es aber immer wieder. Man lerne, das auszublenden.
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Möglicherweise hat der Verkehrsstress, dem die beiden beruflich ausgesetzt sind, auch einen Vorteil. Trischberger fährt „privat deutlich entspannter als zuvor“. Und anders als viele andere Fahrer, weiß sie sogar, wie sie sich verhalten muss, wenn ein Blaulichtfahrzeug angeschossen kommt.