Demo gegen den Rechtsextremismus: Ein Funkeln zieht durch die Loisachstadt
Hunderte protestieren in Wolfratshausen für die Demokratie und alle Altersklassen machen mit: Am Freitag war Lichterdemo in der Altstadt.
Wolfratshausen – Die wenigen Plakate waren kaum zu lesen in der abendlichen Dunkelheit. Das Leuchten und Funkeln stand auch viel mehr im Mittelpunkt als die Sprüche auf Karton-Pappe. Ein kleiner Bub wuselte zwischen den Warnwesten Richtung Lautsprecher, wo seine Freunde stehen. Durch eben jenen Lautsprecher hallte zu dem Zeitpunkt die Stimme von Martin Lorenz. Der 40-Jährige ist Frontmann des Protests gegen Rechtsextremismus in der Loisachstadt. Zusammen mit einigen Mitstreitern hat er den „Wir zusammen für Demokratie“-Lichterzug durch die Altstadt am Freitag initiiert.
Laut Polizei schlossen sich 350 Menschen dem Protest an. Die Veranstalter zählten sogar über 420 Demonstranten. „Ich bin so stolz, dass Ihr alle gekommen seid“, sagte Lorenz in sein Mikrofon. Das sei „sehr wichtig“. Durch rechtsextreme Tendenzen, die mal lauter, mal leiser diskutiert werden, sorgt sich Lorenz: „Unsere Demokratie ist gefährdet. Nur gemeinsam, sichtbar und laut können wir dem entgegenstehen.“ Die inzwischen öffentlich diskutierten Ideen von einer Remigration nicht deutschstämmiger Menschen aus der Bundesrepublik treibe ihn, der seit 37 Jahren in Deutschland lebt, immer noch um. Lorenz betonte, dass er weder eine ernsthafte Angst um sein Wohlergehen verspüre, noch eine Demo aus privater Betroffenheit anzetteln wollte. Sein eigenes Schicksal als Beispiel sei trotzdem wichtig. „Es geht darum aufzuzeigen, dass auch Bürgerinnen und Bürger betroffen wären, denen man nicht ansieht, dass sie Migrationshintergrund haben.“

„Dafür haben wir doch den Rechtsstaat“: Demonstrant fordert strafrechtliche Verfolgung von Extremisten
Was aktuell debattiert wird, das möchte der politisch bislang nicht aktive Martin Lorenz nicht mehr hinnehmen: „Es wird Zeit, dass diese Menschen endlich strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden für ihre Aussagen und Taten. Dafür haben wir doch einen Rechtsstaat.“
(Unser Wolfratshausen-Geretsried-Newsletter informiert Sie regelmäßig über alle wichtigen Geschichten aus Ihrer Region. Melden Sie sich hier an.)
Eva Greif, ehemalige Geschichtslehrerin und rührige Ehrenamtliche im Badehaus-Verein und dem Museum Wolfratshausen, erklärte, wie schnell es den Nationalsozialisten in den 1930er-Jahren möglich war, eben diesen Rechtsstaat auszuhebeln und aus einer – ja, seinerzeit sehr wackligen – Demokratie einen autokratischen Führerstaat zu formen. Mit den bekannten Folgen. „Im November 1938 schrieb das Wolfratshauser Tagblatt: Wolfratshausen wurde Judenfrei“. Es war in den Tagen nach den Pogromen der Reichskristallnacht. „Und das ist erst der Beginn der großen Menschheitskatastrophe“, sagte Greif. „Wir haben die Verantwortung, eine Wiederholung zu verhindern.“
Meine news
Friedliche Demo in Wolfratshausen: „Leistet Widerstand gegen den Faschismus“
Der Protestzug durch die Altstadt wurde die von den Initiatoren gewünschte friedliche Demonstration des Zusammenhalts – mit einer Ausnahme ganz am Ende. Zuvor zog der leuchtende Tross über die Marktstraße, die Sauerlacher Straße und die Bahnhofstraße – teils singend, meist funkelnd. „Wehrt euch, leistet Widerstand gegen den Faschismus hier im Land“, sangen Senioren, Familien und jüngere Teilnehmer gleichermaßen mit.
Viele Junge mit dabei: Demo zieht alle Altersklassen an
„Ich finde es sehr schön, dass so viele Junge hier sind“, sagte Ingrid Reichert. Einige Gruppen von fünf oder sechs Jugendlichen hatten sich der Demonstration angeschlossen. Für Reichert ein gutes Zeichen. Sie wollte die Demonstration unbedingt unterstützen. „Ich weiß nicht, ob wir etwas an der Sache ändern können – aber Garnichts zu tun und zu hause zu bleiben, das wäre sicher falsch“, sagte sie. Die Wolfratshauserin hoffte, dass es der Protest nachhaltig in die öffentliche Wahrnehmung schaffe: „Den Leuten wird hoffentlich dadurch noch mehr und stärker bewusst, um was es eigentlich geht.“
Ans offene Mikro tritt auch ein Montags-Demonstrant: Die Reaktionen sind kontrovers
In der Schulklasse eines Kindes von Katja und Hilmar Toppe wurden die Remigrations-Fantasien des rechten Rands thematisiert. „Von 30 Kindern durften noch drei bleiben“, berichtete die Mutter beim Rundgang. Was Hilmar Toppe gefiel: „Der Protest ist so friedlich, es ist keine reißerische Demo.“
Das war den Initiatoren wichtig. Deshalb schritt Lorenz auch beim abschließenden „Offenen Mikro“ ein, als einige Menschen auf dem Marienplatz pfiffen und den Redner ausbuhten: Dr. Josef Hingerl hatte als erster das Mikro genommen. Hingerl, Rechtsanwalt, ist eines der Gesichter der montäglichen Demos in Wolfratshausen – und bei einigen der Teilnehmern am Freitag offenbar nicht wohlgelitten. Dass Hingerl den Teilnehmern für ihren Einsatz für Demokratie und Rechtsstaat dankte, ging unter Buh-Rufen fast unter. Andere quittierten seine Ansprache mit Applaus. Eine Wolfratshauserin erklärte, dass sie sich viel mit Flüchtlingen beschäftige. „Wenn ich daran denke, dass jemand sie zurückschicken will...“. Sie beendete den Satz nicht. „Ich bin froh, dass wir zusammen hier sind“, um für die Demokratie und Humanität einzustehen. Ein Jugendlicher nahm das Mikrofon. „Jede Demonstration nimmt den Rechtsextremisten Prozente weg“, sagte er. „Wir müssen weitermachen. Wir dürfen nicht aufhören, zu demonstrieren.“
Mehr News finden Sie in unserer brandneuen Merkur.de-App, jetzt im verbesserten Design mit mehr Personalisierungs-Funktionen. Direkt zum Download, mehr Informationen gibt es hier. Sie nutzen begeistert WhatsApp? Auch dort hält Sie Merkur.de ab sofort über einen neuen Whatsapp-Kanal auf dem Laufenden. Hier geht‘s direkt zum Kanal.