Mögliche Wiederwahl: Treibt Donald Trump China in den Krieg gegen Taiwan?

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„Tolle Chemie“: Xi Jinping und Donald Trump 2017. © Alex Brandon/picture alliance/dpa

Donald Trump könnte erneut US-Präsident werden – und China ermutigen, nach Taiwan zu greifen. Dort ist der Republikaner trotzdem beliebt.

Kaum ins Amt gewählt, tat Donald Trump etwas Unerhörtes: Er ging ans Telefon. Am anderen Ende der Leitung war Tsai Ing-wen, die Präsidentin Taiwans, sie gratulierte Trump zum Wahlsieg. Das Telefonat war historisch. Zum ersten Mal seit 1979, als die USA die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abgebrochen hatten und zu Peking gewechselt waren, sprach ein amtierender oder designierter US-Präsident mit seinem taiwanischen Gegenüber. „Die Präsidentin von Taiwan hat MICH heute ANGERUFEN, um mir zum Gewinn der Präsidentschaft zu gratulieren“, posaunte Trump nach dem Gespräch via Twitter in die Welt hinaus, vermutlich ohne zu ahnen, was er da getan hatte.

Im Dezember 2016 war das, in Europa saß der Schock über die Wahl des Republikaners tief. In Taiwan hingegen blickte man deutlich optimistischer in die Zukunft, das Land hatte plötzlich einen unerwarteten Verbündeten an seiner Seite.

Und Trump blieb beliebt in Taiwan. Als er 2020 zur Wiederwahl antrat, hofften einer Umfrage zufolge 42 Prozent der Taiwaner, dass der Republikaner gewinnen würde; seinem Konkurrenten Joe Biden drückten nur 30 Prozent die Daumen. Die Trump-Jahre, die Europa und viele andere Teile der Welt in eine Schockstarre versetzt hatten, bezeichneten taiwanische Medien als „goldenes Zeitalter“. Das liegt nicht nur an dem geschichtsträchtigen Telefonat mit Präsidentin Tsai. Unter Trump verabschiedeten die USA auch eine Reihe von Gesetzen, um die inoffiziellen Beziehungen zu Taiwan zu stärken, sie verkauften so viele Waffen an das von China bedrängte Land wie seit Jahrzehnten nicht mehr, und sie eröffneten eine neue, 255 Millionen Dollar teure De-facto-Botschaft in der Hauptstadt Taipeh.

Donald Trump und China: Erst beste Freunde, dann tobt ein Handelskrieg

Vor allem aber wandelte sich Trump in nur wenigen Monaten vom China-Freund zum China-Kritiker. Anfang 2017 hatte er noch die „tolle Chemie“ zwischen sich und Chinas Präsidenten Xi Jinping gepriesen. Wenig später aber brach Trump einen Handelskrieg mit den Chinesen vom Zaun, denen er unfaire Handelspraktiken vorwarf. In der Folge verhängten die USA Zölle auf chinesische Waren im Wert von mehr als 360 Milliarden US-Dollar. Diese blieben größtenteils auch unter Biden bestehen. Davon profitierte: Taiwan.

„Viele Unternehmen passten ihre Lieferkette an, und viele von ihnen verließen China“, sagt Chen Fang-yu, Politikwissenschaftler an der Soochow University in Taipeh. Einige der Firmen, die aus China geflüchtet waren, hätten in Taiwan eine neue Heimat gefunden. „Daher gibt es aufgrund des Handelskriegs mehr und mehr ausländische Direktinvestitionen“, so Chen. Noch heute hätten deswegen „die meisten Taiwaner ein positives Bild von der Trump-Regierung“.

Nun steht Donald Trump vor einem möglichen Comeback: Nach dem „Super Tuesday“ und dem Rückzug von Nikki Haley deutet alles auf ein zweites Duell mit Joe Biden hin, in den meisten Umfragen liegt Trump vorne. Grund zum Jubeln also in Taiwan? Nicht ganz. Denn Trumps Unterstützung für die Inselrepublik erzürnte Peking – und das bekam auch Taiwan zu spüren.

Wird Trump Taiwan ans Messer liefern?

Das Telefonat mit Tsai tat Chinas Außenminister Wang Yi noch als „kleinen Trick“ der Taiwaner ab. Je mehr sich aber der Konflikt mit den USA verschärfte, desto aggressiver trat Peking Taiwan gegenüber auf. Das kann man zum Beispiel daran ablesen, wie oft chinesische Kampfjets in Taiwans Luftverteidigungszone (ADIZ) eindrangen: 2018 zählte die Seite PLA Tracker, die Aktivitäten von Chinas Volksbefreiungsarmee überwacht, noch keinen derartigen Vorfall; zwei Jahre später hingegen schon fast 400 Verletzungen von Taiwans ADIZ, ein weiteres Jahr später kletterte die Zahl auf knapp 1000.

Völlig unklar ist auch, ob Trump Taiwan militärisch unterstützen würde, sollte China den Inselstaat angreifen. Im vergangenen Sommer hatte sich der Ex-Präsident geweigert, diese Frage zu beantworten. „Das würde mich in eine schlechte Verhandlungsposition bringen“, sagte Trump damals in einem Interview mit Fox News. Joe Biden hingegen hat Taiwan mehrfach zugesichert, im Ernstfall einzugreifen. „Das Problem ist, dass Trump unvorhersehbar ist“, sagt Politikwissenschaftler Chen.

Trump ist kein Freund von Bündnissen

Er verweist zudem darauf, dass Trump mit seiner „America First“-Politik kein Freund von Bündnissen ist: „Das könnte die Allianzen der USA in der Region schwächen.“ Mühsam hatte Biden etwa Taiwans Nachbarn Japan, Südkorea und die Philippinen wieder enger an die USA gebunden. Sollte der Konflikt um Taiwan eskalieren, würden von den dortigen Militärstützpunkten wohl amerikanische Kampfjets abheben und Kriegsschiffe auslaufen.

Auch Trumps Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin beobachtet man in Taiwan mit Sorge. Könnte sich Chinas Kommunistische Partei ermutigt fühlen, nach Taiwan zu greifen, falls Trump die Ukraine fallenlässt? Taiwans neu gewählter Präsident Lai Ching-te müsse jedenfalls auf eine zweite Amtszeit des Republikaners vorbereitet sein, erklärte unlängst Stanley Kao, der einst als taiwanischer De-facto-Botschafter in Washington das Telefonat zwischen Trump und Tsai Ing-wen eingefädelt hatte.

„Ich sehe eine wachsende und sehr starke Unterstützung für Taiwan“

Es sind solche Befürchtungen, die sogar Politiker aus Trumps eigenem Lager dazu bewegen, Taiwan den unerschütterlichen Beistand der Amerikaner zuzusichern. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Unterstützung für Taiwan anhalten wird, unabhängig davon, wer im Weißen Haus sitzt“, sagte der mächtige republikanische Abgeordnete Mike Gallagher Ende Februar bei einem Besuch in Taipeh. „Ich sehe eine wachsende und sehr starke Unterstützung für Taiwan.“

In Peking hingegen glaubt man, dass Trump die Taiwaner jederzeit fallenlassen könnte. „Die USA werden immer eine ‚America first‘-Politik verfolgen“, sagte ein Sprecher von Chinas Büro für Taiwan-Angelegenheiten Ende Januar. „Und Taiwan kann jederzeit von einer Schachfigur zu einer weggeworfenen Schachfigur werden.“

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