Trump triumphiert über Mullahs: Doch unklare Atom-Lage wirft eine brisante Frage auf
Wie stark sind die Atomanlagen des Irans bei den jüngsten US-Angriffen beschädigt worden? Über diese Frage wird seit Tagen diskutiert. US-Präsident Donald Trump gab sich zuletzt gewohnt eindeutig.
Die Anlagen Fordo, Natans und Isfahan seien "vollständig zerstört" und Teherans Atomprogramm "um Jahrzehnte" zurückgeworfen worden, erklärte er auf seiner Plattform Truth Social. Aber stimmt das? Es gibt mehrere Gründe, weshalb solche Aussagen mit Vorsicht zu genießen sind.
1. In den USA kursieren sich widersprechende Einschätzungen
Nicht nur Trump hat sich zum Ausmaß der Schäden im Iran geäußert. Auch US-Außenminister Marco Rubio gab eine Erklärung ab. Die klang jedoch weniger absolut als die des US-Präsidenten.
Rubio sagte, der Iran sei nach den Angriffen "deutlich weiter von einer Atomwaffe entfernt". Er sprach von einem "erheblichen, sehr bedeutenden Schaden an verschiedenen Komponenten". Die USA würden noch mehr über das Ausmaß der Zerstörung erfahren.
Nochmal anders sieht es der Geheimdienst des Pentagon. Die renommierte "New York Times" und der Sender CNN beriefen sich auf eine erste geheimdienstliche Einschätzung. Demnach hätten die Angriffe vom Wochenende Irans unterirdische Atomanlagen nicht vollständig zerstören können.
Beide Medien wiesen darauf hin, dass es sich um erste Annahmen handele und weitere Untersuchungen andere Ergebnisse liefern könnten. Trump und die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, dementierten die Berichte. Der US-Präsident sprach in gewohnter Manier von "Fake News".
Das heißt: Schon in den USA kursieren teilweise sehr unterschiedliche Einschätzungen zum Ausmaß der Schäden an Teherans Atomanlagen. Außerdem sind US-Geheimdiensterkenntnisse seit dem Irak-Krieg, für dessen Begründung die damalige US-Regierung nachweislich falsche "Beweise" vorlegte, mit einem gewissen Zweifel behaftet.
2. Berichte von Kriegsparteien sind in der Regel voreingenommen
Dazu kommt: Das erste Opfer von Kriegen ist bekanntlich die Wahrheit. Das dürfte auch beim Konflikt zwischen Israel und dem Iran gelten, der sich in den vergangenen Tagen immer weiter zugespitzt hatte - auch wenn vorerst eine Waffenruhe vereinbart wurde.
Jede Kriegspartei hat in der Regel ein Interesse, Informationen zum eigenen Vorteil zu präsentieren. Zu behaupten, man hätte die dortigen Atomanlagen völlig zerstört, wie Trump es getan hat, kann also auch schlicht der Kampf um die Deutungshoheit sein.
Dasselbe gilt für Informationen aus israelischen oder iranischen Quellen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte zuletzt, sein Land habe "einen historischen Sieg errungen" und das iranische Atomprogramm zerstört. Die israelische Armee schlug in eine ähnliche Kerbe.
Sprecher Effie Defrin sagte sagte auf einer Pressekonferenz am Mittwoch, die iranischen Atomanlagen hätten durch israelische und US-amerikanische Angriffe erheblichen Schaden erlitten. Weiter erklärte er, Teherans Atomprogramm sei "um Jahre zurückgeworfen" worden.
Das wäre aus israelischer Sicht wünschenswert. Immerhin ist das Kriegsziel klar formuliert: Das iranische Atomprogramm soll dauerhaft beendet werden.
Darstellungen aus dem Iran klingen ganz anders
Wenig überraschend ist, dass die Darstellungen aus dem Iran anders klingen, wenngleich sie sich in den vergangenen Tagen verändert haben.
Zunächst wurde zwar bestätigt, dass die eigenen Atomanlagen angegriffen wurden. In einem X-Post vor einigen Tagen stufte Mahdi Mohammedi, Berater des iranischen Parlamentschefs, die Schäden jedoch als nicht allzu gravierend ein.
Darin heißt es: "Aus iranischer Sicht ist nichts allzu Ungewöhnliches passiert. Der Iran wartet seit mehreren Nächten auf einen Angriff auf Fordo. Der Standort ist längst evakuiert und hat bei dem Angriff keine irreversiblen Schäden erlitten."
Am Mittwoch erklärte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Esmail Baghaei, in einem Interview mit "Al Jazeera TV" dann erstmals, dass die Atomanlagen "schwer beschädigt" worden seien. Einzelheiten wollte er nicht nennen. So bleibt unklar, ob die iranischen Zentrifugen zur Anreicherung von Uran und der Vorrat an angereichertem Uran vernichtet worden sind. Beides ist für die Herstellung einer Atombombe zentral.
Baghaeis schwammige Reaktion ist naheliegend, schließlich will sich der Iran - wie die anderen Kriegsparteien auch - nicht in die Karten schauen lassen.
3. Kein unabhängiger Experte ist vor Ort
Es gibt aber noch einen weiteren Grund für die Unklarheit: Denn eine unabhängige Begutachtung ist aktuell kaum möglich. Und sie würde wohl auch viel Zeit kosten.
Der Leiter der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA), Rafael Grossi, sprach zuletzt von "erheblichen Schäden" an der unterirdischen Uran-Anreicherungsanlage Fordo. Seine Behörde könnte jetzt wichtige Erkenntnisse liefern.
Denn: Inspektoren der IAEA sind Grossi zufolge noch im Iran. Er forderte in einer am Dienstagabend veröffentlichten Erklärung, dass sie ihre Arbeit wiederaufnehmen, zu den Atomanlagen des Landes zurückkehren und die Bestände an nuklearem Material überprüfen können. Darunter seien mehr als 400 Kilogramm auf 60 Prozent angereichertes Uran.
Gleichzeitig räumte Grossi ein, dass die Untersuchung von kriegsbeschädigten Anlagen schwierig sei. Das Parlament in Teheran hatte zuvor außerdem beschlossen, die Zusammenarbeit mit der IAEA in Wien vorübergehend auszusetzen, wie der Staatssender IRIB berichtete.
Es kursiert eine brisante Frage
Es gibt mit Blick auf die Atomanlagen im Iran also nach wie vor viele offene Punkte. Und darüber hinaus kursiert eine brisante Frage. Sie lautet: Wenn der US-Angriff nicht ausreichte, um die unterirdischen Atomanlagen in Fordo langfristig zu zerstören, wäre gegebenenfalls eine weitere Bombardierung nötig?
Also: Ist das "Problem" nur kurzfristig gelöst und der nächste Iran-Israel-USA-Konflikt nur eine Frage der Zeit?
Laut einem Bericht der "New York Times" gehen Experten davon aus, dass das Areal für eine wirklich dauerhafte Zerstörung dazu tage- oder sogar wochenlang hätte bombardiert werden müssen. Auch deshalb schreibt das Blatt, die ersten Ankündigungen des US-Präsidenten, die Anlagen seien "vollständig zerstört" worden, seien vermutlich übertrieben.
mit Material der dpa