Was Steinmeiers Staatsbesuch in Sopron mit der Städtepartnerschaft zu Kempten zu tun hat
Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier besuchte anlässlich des 35. Jahrestages des Paneuropäischen Picknicks Kemptens ungarische Partnerstadt Sopron. Der von ihm beschriebene „Geist von Sopron“ hat auch einiges mit der jahrzehntelangen Freundschaft zu Kempten zu tun.
Sopron/Kempten – Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier wünschte in seiner Rede zum 35. Jahrestag des Paneuropäischen Picknicks, dass in Zukunft Ungarn und Deutsche „im Geiste Soprons“ die Europäische Union gemeinsam gestalten. Was bedeutet dieser Geist und warum spielt die Partnerschaft mit Kempten dabei eine, vielleicht gar nicht so unwichtige, Rolle?

„Sopron ist ein Symbol für europäische Solidarität, für Freiheit und Einheit, für Selbstbestimmung statt Abschottung. Diese Werte einen uns Europäerinnen und Europäer“, hieß die Definition des Bundespräsidenten. Als im September 1987 Oberbürgermeister Dr. Josef Höß und Ratsvorsitzender József Markó ihre Unterschrift unter den Freundschaftsvertrag zwischen den beiden Städten setzten, ging es an erster Stelle um die Überwindung der Abschottung, bedingt durch die beiden Staatenblöcke in Europa. Was in der großen Politik noch nicht möglich war, konnte auf der kommunalen Ebene gelebt werden: Freundschaften entstanden zwischen den Menschen, die auf einmal die Freiheit erhielten, ihre gemeinsamen europäischen Werte offen zum Ausdruck zu bringen.
Steinmeier: „Eine gemeinsame europäische Bestimmung“
Heute, als die beiden EU-Länder erhebliche Probleme haben, in der großen Politik eine gemeinsame Sprache zu finden, ist es mit Sicherheit kein Zufall, dass Steinmeier gerade Sopron als Ziel seines ersten Ungarn-Besuchs (die Nervosität der Sicherheitskräfte war deutlich spürbar) ausgewählt hat, um dazu aufzurufen, im Geiste Soprons „als Partner und als Freunde“ die „gemeinsame europäische Bestimmung“ von Ungarn und Deutschen nachzuspüren und mutig zu gestalten.

Es ist mit Sicherheit auch kein Zufall, dass der Soproner Bürgermeister Dr. Ciprián Farkas an diesem Tag mehrmals betonte, wie wichtig es für ihn sei, zu dieser Feier eine Delegation aus Kempten eingeladen zu haben. „Für uns, Ungarn und Deutsche, ist der heutige Tag ein gemeinsamer, europäischer Festtag“, sagte er in seiner Rede im Gedenkpark. Im intensiven Austausch zwischen den Bürgerinnen und Bürgern der beiden Städte entstehe die Partnerschaft und Freundschaft, die der Bundespräsident wünscht, waren die Soproner und Kemptener bei ihren Gesprächen einig.
Erinnerung und Städtepartnerschaft: Die Jugend im Fokus
Sowohl die Veranstalter der jährlichen Gedenkfeiern als auch die Väter und Mütter des Städtepartnerschaftsvertrags legen einen besonders hohen Wert auf die Zielgruppe von jungen Menschen. Dieses Jahr ist es gelungen, beide miteinander zu verbinden:
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Es ist bereits Tradition, dass das Deutsch-Ungarische Jugendwerk und die Konrad-Adenauer-Stiftung in Sopron eine dreitägige Sommerakademie ausrichten, um Jugendlichen aus europäischen Ländern die Geschichte des Picknicks vor Ort und mit Zeitzeugen erlebbar zu machen. Die Workshops bieten die Möglichkeit, über ihre politischen Einstellungen zu diskutieren, sich dabei anzunähern oder andere Meinungen zu akzeptieren.
Réka Bátor: „Wir sind bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen“
Zum 35. Jubiläum schrieben die Veranstalter zusätzlich einen Essaywettbewerb über die Themen EU, Bürgerbeteiligung, kulturelles Verständnis und Paneuropäisches Picknick aus. Réka Bátor, die sich als „Deutsche mit ungarischen Eltern“ bezeichnete, gewann den ersten Preis. In Anwesenheit der beiden Staatspräsidenten hielt sie eine Festrede. Die Ereignisse vor 35 Jahren bezeichnete sie als „einen Schritt in die Richtung eines friedvollen Miteinanders“. Jetzt habe sie jedoch das Gefühl, dass man wieder einen Schritt zurückgegangen sei.
Um den Zusammenhalt zwischen den beiden EU-Staaten wieder herzustellen, „sollte die Jugend einspringen – in einer Art Vermittlerrolle“, schlug sie vor, und forderte die Einrichtung eines deutsch-ungarischen Jugendparlaments. Bátor kritisierte, dass die EU Erasmus-Gelder für ungarische Studierende eingefroren habe und fragte nach den Konsequenzen bei deren Einstellung zu Europa. Um auf den vor 35 Jahren beschrittenen Weg zurückzukehren, sei jetzt „die Zeit gekommen, den Jugendlichen mehr politische Verantwortung zu übertragen“, sagte sie und fügte hinzu: „Wir sind bereit.“
Lebendige Schulpartnerschaft zwischen Sopron und Kempten
Das Deutsch-Ungarische Jugendwerk ermöglichte im Vorfeld ein weiteres internationales Jugendprojekt: Schülerinnen und Schüler des Hildegardis-Gymnasiums aus Kempten und des Széchenyi-Gymnasiums aus Sopron trafen sich zu einem Seminar in Mödlareuth. Zum Abschluss der Sommerakademie-Tagung wurde der Film der Soproner Schüler gezeigt, den sie für die Kemptener erstellt hatten, um ihnen das Paneuropäische Picknick näherzubringen. Die beiden Staatspräsidenten gratulierten den jungen Menschen persönlich. Der Film spiegelte die Sichtweise der heutigen Jugendlichen auf die damaligen Ereignisse wider.

Sulyok: „Unsere Zusammengehörigkeit steht außer Zweifel“
Dr. Tamás Sulyok, seit März dieses Jahres ungarischer Staatspräsident, bekannte sich auch klar zu Europa: „Wir, Europäer sind nicht gleich. Wir waren es nie. Aber unsere Zusammengehörigkeit steht außer Zweifel, für diese gibt es auch keine Alternative“, sagte er in seiner Festrede und rief: „Lassen wir nicht zu, dass zwischen uns wieder ein Stacheldraht hochgezogen wird, weder physisch noch psychisch.“ Man spürte die Abwesenheit von Viktor Orbán.

Unter den Zeitzeugen ist die Präsenz der damals Geflüchteten im Vergleich zu früheren Jahrestagen massiv zurückgegangen. Auch die vier österreichischen Nachbargemeinden standen diesmal nicht im Vordergrund; sie eröffneten aber zu viert aus Informationstafeln entlang des „Eisernen Vorhangs“ die Ausstellung „Ein Riss in die Vergangenheit“.
Sopron und Kempten: gemeinsame Wurzeln
Bürgermeisterin Erna-Kathrein Groll, Leiterin der Kemptener Delegation, freute sich darüber, dass auch eine Gruppe aus Soprons ukrainischer Patengemeinde Csongor dabei war. In ihren Gesprächen mit Bürgermeister Farkas habe sie gemerkt, wie wichtig das Wissen um die eigenen Wurzeln für die Freundschaft sei. Er werde dieses geschichtsträchtige Ereignis nicht so schnell vergessen, sagte Theo Dodel-Hefele, Beauftragter des Stadtrats für Partnerstädte. „Es ist ein Glücksfall, dass wir die Partnerschaft mit Sopron haben.“

Was passierte am 19. August 1989 in Sopron? Die wichtigsten Informationen hat der Kreisbote für Sie zusammengefasst: Die Vorgeschichte des Mauerfalls in Kemptens ungarischer Partnerstadt.
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