Kempten: Wärmeplanung wird vier Jahre früher fertig

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Das Fernwärmenetz in Kempten wird weiter ausgebaut: Im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung wird geprüft, in welchen Quartieren ein weiterer Ausbau möglich ist. © ZAK

In der Stadt Kempten wird im Laufe des Jahres 2024 eine kommunale Wärmeplanung erstellt, vier Jahre früher als gesetzlich vorgeschrieben. Was kann dieser Plan leisten und welche Konsequenzen gibt es für die Bürger?

Kempten – Das Wärmeplanungsgesetz und das damit verzahnte Gebäudeenergiegesetz schreiben in Deutschland eine flächendeckende Wärmeplanung vor, mit dem Ziel, die Wärmeversorgung der Bevölkerung auf Treibhausgasneutralität umzustellen. Ohne diese Änderung ist die Energiewende nicht möglich: 70 Prozent der Energie in den Haushalten wird zurzeit für das Heizen gebraucht. Der Anteil der regenerativen Energien hierbei lag 2021 bei nur 16,5 Prozent.

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Die Wärmeplanung bildet zukünftig den zentralen Bezugspunkt dafür, zu welchen Maßnahmen die Hauseigentümer verpflichtet werden. Oberbürgermeister Thomas Kiechle warnt vor falschen Erwartungen. „Die kommunale Wärmeplanung dient als strategische Grundlage, zeigt konkrete Wege und Maßnahmen auf, beinhaltet aber keine konkrete Planung“, fügt Klimamanager Thomas Weiß hinzu. Der Plan steht Ende 2024, verspricht Antje Schlüter, die federführend für den Prozess verantwortlich ist. „Gebaut ist aber dann noch nichts.“

Wärmeplanung in Kempten: Das sind die Inhalte

Am Anfang steht die Erstellung einer Bestandsanalyse über den aktuellen Wärmebedarf und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen. Man muss genau erfassen, wie in den 20.000 Gebäuden in der Stadt Kempten momentan geheizt wird. Im zweiten Schritt geht es darum, welche Möglichkeiten der Energieerzeugung vor Ort vorhanden sind. Wie können Geothermie, Solarenergie, Biomasse, Wasserstoff, Umwelt-, Wasser- beziehungsweise Abwasserwärme und die Abwärme industrieller Anlagen genutzt werden?

Erst dann kann man die Quartiere festlegen, die in Zukunft mit Fern- oder Nahwärme versorgt werden können, aber auch die Stadtgebiete, in denen die Eigentümer weiterhin selbst für die eigene Heizung verantwortlich bleiben. Das Gesetz suggeriere, dass die Leute dieses Problem loswerden könnten, meinte Thomas Hartmann (Grüne) im Stadtrat. Aber die Erzeugungs- und Leistungskapazität des ZAK sei fast ausgeschöpft. Man werde nur sehr begrenzt etwas anbieten können. Viele Hauseigentümer müssten mit der Umstellung selbst klarkommen.

In der letzten Phase der Wärmeplanung wird eine Wärmewendestrategie aufgestellt, die konkrete Maßnahmen vorschlägt. Hier klärt man auch Fragen wie: Welche Flächen werden benötigt? Welche Speicherkapazitäten sind notwendig? Wie versorgt man in Zukunft die Neubaugebiete? Welche Perspektiven haben bestehende Gasnetze?

Kemptener „Spezialitäten“

„Wir sind im Rahmen des Klimaplans seit zweieinhalb Jahren auf dem Weg“, sagte Thomas Hartmann. „Wir fangen nicht bei null an, Kempten hat ein Wärmenetz über 50 Kilometer“, fügte Josef Mayr (CSU) hinzu. „Wir sind weiter als viele andere.“ „Ich bin heilfroh, dass wir früh dran sind“, so Gertrud Epple (Grüne), Beauftragte für Landwirtschaft, Umwelt- und Klimaschutz. Seit Juli dieses Jahres leiste eine Arbeitsgruppe konkrete Arbeit. Man habe die Erfahrungen aus Ludwigsburg und Zürich eingeholt und den Förderantrag vorbereitet, berichtet Baureferent Tim Koemstedt.

Außerdem verknüpft man in Kempten die Wärmeplanung mit dem Thema um den Ausbau und die Ertüchtigung des Stromnetzes, weil die Umstellung der Wärmeversorgung, aber auch des Mobilitätsbereiches, eine erhebliche Steigerung des Strombedarfs nach sich ziehen werde. Großwärmepumpen vor Ort seien beispielsweise ohne die Anpassung des Stromnetzes nicht vorstellbar. Das Klimaschutzmanagement habe gute Arbeit geleistet, deswegen könne man in Kempten vier Jahre früher mit der Umsetzung beginnen, betonte Schlüter und wies darauf hin, dass der Bund 2045, das Land 2040, aber Kempten bereits 2035 klimaneutral werden wolle.

Die Durchführung

Im Baureferat wurde eine neue Stabstelle unter der Leitung von Schlüter eingerichtet, die in enger Zusammenarbeit mit dem Klimamanagement die Prozesse koordiniert und die wichtigsten Akteure wie AÜW, EKO, ZAK, KKU und Wohnungsbaugenossenschaften vernetzt. Für die Umsetzung wird ein externes Ingenieurbüro beauftragt, fünf sind gerade dabei, ihre Angebote vorzubereiten.

Da in Baden-Württemberg wegen der dortigen Gesetzeslage die kommunale Wärmeplanung abgeschlossen sei, verfügten die Ingenieurbüros über ausreichende Erfahrungen, betonte die Leiterin der neuen Stabstelle. Die Gesamtkosten betragen 210.000 Euro, der Eigenmittel­anteil der Stadt beträgt davon 20.000 Euro.

Wie geht es 2025 weiter?

Der Wärmeplan wird in einen ganzheitlichen Energie- und Strukturplan integriert. Dafür ist das Modellprojekt Smart City zuständig. Dieser Plan beinhaltet zusätzlich einen digitalisierten Flächennutzungsplan, eine Flächenplanung für Freiflächen-PV und Windenergieanlagen sowie die Weiterentwicklung des Stromnetzes inklusive Speicher- und Ladeinfrastruktur.

Die Daten werden in den Digitalen Zwilling (eine virtuelle Kopie der Stadt) eingebunden und den Bürgern online und im Zukunftslabor zur Verfügung gestellt. Sie bekommen die Möglichkeit, ihre Meinung zu äußern und konkrete Anfragen zu stellen. „Wir wollen den Bürgern etwas in die Hand geben, wie sie für sich eine Entscheidung treffen zu können“, betonte Bürgermeisterin Erna-Kathrein Groll. Das Smart-City-Projekt biete Vorschläge, aber keine Beratung, ergänzte Antje Schlüter. Gertrud Epple empfahl, bereits jetzt einen Energieberater in Anspruch zu nehmen.

Der Wärmeplan sei eine bessere Basis für den Ausbau der zukünftigen Stromnetze als die jetzt verwendeten Algorithmen“, sagte Allgäunetz-Geschäftsführer Volker Wiegand. „Für uns ist die Bestandsaufnahme besonders interessant“, meinte ZAK-Geschäftsführer Karl-Heinz Lumer. Wenn man den Verbrauch in den Stadtteilen sehe, könne man sich entscheiden, wo sich der Ausbau der Fernwärme wirtschaftlich rentiere.

Auf die Frage, ob es dann einen Anschluss- und Benutzungszwang gebe, erwiderte er, dass der ZAK nur dann investiere, wenn er große Baugenossenschaften als Partner habe. „Aber es freut uns, wenn sich auch die anderen anschließen.“ Das neue Gesetz erlaube den Städten die Anwendung von Zwang, informierte Schlüter. Dieses Instrument existiere schon lange, ergänzte Koemstedt, zum Beispiel in Städten mit hoher Feinstaubbelastung. Wenn es je zur Anwendung kommen sollte, gebe es angemessene Übergangsfristen, die in der Regel der Lebenszeit einer konventionellen Heizungsanlage entsprechen.

Wirtschaftlich gesehen bringt der kommunale Wärmeplan der Stadt erst mittel- und langfristig etwas, hoben alle Experten hervor. „Wind, Wasser, Sonne, Geothermie, Umweltwärme sind unerschöpflich vorhanden und günstig. Der Plan ist nicht nur notwendig, sondern für die Kommunen wirtschaftlich erfolgversprechend“, sagte Schlüter. Epple sieht auch die Vorteile der regionalen Planung: „Die Wertschöpfung bleibt in der Region und kommt beispielsweise den hier ansässigen Handwerkern zugute.“

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