Offene Fragen beim Anspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen: Oberallgäu richtet Koordinationsstelle ein
Ab dem Schuljahr 2026/27 wird stufenweise bundesweit ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter eingeführt. Die Oberallgäuer Kommunen fühlen sich allein gelassen.
Oberallgäu – Zunächst kommt die Ganztagsbetreuung für die Erstklässler, bis zum Schuljahr 2029/30 für alle Kinder der 1. bis 4. Klassenstufe. Thomas Eigstler, Vorsitzender des Kreisverbandes Oberallgäu im Bayerischen Gemeindetag sprach von einer „unsäglichen Entscheidung der Bundesregierung“, die zwar gut gemeint, aber nicht gut gemacht sei. In Bayern mache es die Sache noch schwieriger, dass die Verantwortung dafür weder das Sozial- noch das Kultusministerium übernehmen wolle. „Die Kommunen werden alleingelassen“, sagte er.
Ansprechpartnerinnen beim Landratsamt für Kommunen zum Thema Ganztagsbetreuung an Grundschulen
Positiv findet er, dass im Landratsamt im Dezember 2024 eine Koordinationsstelle für die Ganztagsbetreuung eingerichtet wurde. Theresa Amos ist, befristet auf die nächsten drei Jahre, für die qualitative Gestaltung der zukünftigen Angebote zuständig und steht als Ansprechpartnerin für alle 28 Gemeinden im Landkreis zur Verfügung. Unterstützt wird sie von Claudia Opitz-Mayer, die die Zahlen für die Planung liefert. Beide gehören zum Team Demografische Entwicklung und Sozialplanung im Landratsamt und stellten die aktuelle Situation vor den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aus dem Oberallgäu vor.
Maßgeblich für die Berechnungen ist das Geburtsjahr 2021, weil es mit 1.674 Geburten und einer Geburtenrate von 1,88 den größten Betreuungsbedarf verursacht. Man kann davon ausgehen, dass die Zahl der Grundschulkinder von jetzt rund 6.000 im Landkreis bis 2029 um 300 steigt. Unsicherheit in der Statistik entsteht dadurch, dass man nicht weiß, wie viele Familien in die Region zuziehen bzw. von hier wegziehen.
Erstmal sind neue Betreuungsplätze nötig
Für eine weitere Schwierigkeit bei der Planung sorgt, dass es um einen Rechtsanspruch und nicht um eine Verpflichtung geht. Die Eltern können entscheiden, ob sie das Angebot in Anspruch nehmen und wenn ja, in welchem Umfang. Während die Regierung von einer Betreuungsquote von 80 Prozent ausgeht, halten die beiden Expertinnen eine Quote von etwa 60 Prozent für realistisch. Wenn man ihre Einschätzung als Berechnungsgrundlage nimmt, wird der Landkreis bis zum Schuljahr 2028/29 etwa 1.000 zusätzliche Betreuungsplätze schaffen müssen. Nach 2029 werden die Schülerzahlen wieder sinken, dann gibt es wieder Luft, um die Betreuungsquote zu erhöhen.
Man geht davon aus, dass viele weiterhin nur eine Mittagsbetreuung in Anspruch nehmen werden. Das Gesetz schreibt den Rechtsanspruch für fünf Werktage, für acht Stunden pro Werktag vor. Zurzeit wird im Landkreis freitags nirgendwo eine Betreuung angeboten. In Zukunft muss man sie anbieten, wenn ein Kind sich dafür interessiert. Hier müssen die Gemeinden zusammenarbeiten. Genauso ist es beim Thema Ferienbetreuung, laut Gesetz darf es nämlich nicht mehr als 20 Schließtage im Jahr geben.
Als „schwammig“ bezeichnete Amos die Vorgaben zur Qualifikation des Personals. Die Formulierung „anders geeignetes Personal“ deutet darauf hin, dass voraussichtlich viele Quereinsteiger eingesetzt werden. Das Landratsamt empfiehlt trotzdem mindestens eine Fachkraft in jeder Einrichtung und ist dabei, für zukünftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mithilfe lokaler Bildungsträger Schulungen zu organisieren.
Die Bundesregierung stellt für die Einrichtung der Ganztagesbetreuung bis zu 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung; wie man das Geld abrufen kann, ist auch noch nicht ganz geklärt. Wie es im Bereich der Inklusion aussieht, ist ebenfalls noch eine offene Frage.
Schwierige Planungen
Die Hindelanger Bürgermeisterin Dr. Sabine Rödel betonte, dass es sehr schwierig ist, zu planen. Für die Ferienbetreuung kann man Geld verlangen, hieß die Antwort auf ihre Frage. Ihrer Meinung nach werden sich weiterhin viele auf das Mittagessen beschränken. Dafür brauche man weniger qualifiziertes Personal als für eine vierstündige Nachmittagsbetreuung. Bei wem man den Anspruch einklagen könne, wollte der Laubener Bürgermeister Mathias Pfuhl wissen. Bei den Landkreisen und nicht direkt bei den Kommunen, lautete die Antwort.
Theresa Amos kann telefonisch (08321/612-1144) oder per E-Mail (ganztag@lra-oa.bayern.de) kontaktiert werden.
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