„Wir sitzen alle in einem Boot“: 500 Landwirte demonstrieren in Freising - Ende der Proteste nicht in Sicht

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Menschen und Maschinen: Auf dem Freisinger Marienplatz machten am Donnerstag zahlreiche Landwirte ihrem Ärger über die Sparpläne der Ampelregierung lautstark Luft. Die Polizei zählte rund 500 Demonstrationsteilnehmer. © Lehmann

Rund 500 Bauern kamen am Donnerstag in Freising zusammen, um gegen die Sparpläne der Ampel zu protestieren. Die Demo zeigte vor allem eins: Die Landwirte dürften einen langen Atem haben.

Freising – Der Protest der Landwirte geht weiter: Nach zwei als „Spontanversammlungen“ bezeichneten Treffen an der St2350 am Dienstag fand am Donnerstagvormittag auf dem Freisinger Marienplatz eine offizielle Demonstration mit rund 500 Teilnehmenden statt. Aus dem Kreis Freising rollten die Traktoren an, aber es waren auch zahlreiche Nummernschilder aus Dachau, Erding oder Pfaffenhofen zu sehen.

Auf dem Marienplatz selbst durften nur wenige Maschinen parken, der Großteil wurde in die Luitpoldanlage umgeleitet. Das sorgte in und rund um die Domstadt für zum Teil lange Staus im Verkehr, weshalb die Veranstaltung schließlich mit einer halben Stunde Verzögerung begann.

Ganze Gesellschaft betroffen

Als Versammlungsleiter ergriff Ralf Huber, BBV-Bezirkspräsident von Oberbayern und Kreisobmann von Freising, als Erster das Mikrofon. Er sparte nicht mit drastischen Worten, für die es viel Applaus gab. Die geplante Abschaffung der Agrardieselsubventionen und das Ende der Vergünstigungen für die Kraftfahrzeugsteuer für Land- und Forstwirtschaft sei „eine Unverschämtheit“. Die Milliarde, die eingespart werden solle, würde von „uns, der schwächsten Gruppe“ weggenommen. Letztlich würden die Sparmaßnahmen allerdings die Gesamtbevölkerung treffen. Am Ende zahle der Verbraucher für jede Mahlzeit zehn Mal mehr als bisher. „Die Politik trägt das Geld in alle Welt und vergisst, was zu Hause mit ihrem Volk ist.“

Argumente statt „Schaum vorm Mund“

Bio-Landwirt und Grünen-Kreisrat Toni Wollschläger schlug gemäßigtere Töne an – und thematisierte gleich zu Beginn das Dilemma, das ihn momentan umtreibe. Ja, er sei Mitglied einer Partei, die gerade zur Verantwortung gezogen werde. „Ich bin aber auch Bauer.“ Die geplanten Kürzungen würden allein in seinem Betrieb 7000 bis 8000 Euro ausmachen.

Drastische Worte: Ralf Huber (r.) leitete die Versammlung, bei der auch Grünen-MdB Leon Eckert das Wort ergriff.
Drastische Worte: Ralf Huber (r.) leitete die Versammlung, bei der auch Grünen-MdB Leon Eckert das Wort ergriff. © Lehmann

Wollschläger bat die Gesellschaft grundsätzlich um Verständnis für die Wut der Landwirte, betonte aber auch, er wolle nicht „mit Schaum vorm Mund“ auftreten, sondern mit „guten Argumenten“. Etwa, dass in 18 europäischen Ländern die Agrarsteuer schon jetzt deutlich geringer sei als in Deutschland, „und bei uns wird sie verdoppelt“. Er warnte, Deutschland dadurch wettbewerbsunfähig zu machen, regionale Wertschöpfungsketten „an die Wand zu fahren“ und Betriebe zu ruinieren.

Der stellvertretender BBV-Kreisobmann Georg Schmid sowie Vertreter des Vereins Landwirtschaft verbindet Deutschland (LSV), der Waldbesitzervereinigung sowie des Hopfenpflanzerverbands stießen ins gleiche Horn. Immer wieder deutlich zum Ausdruck kamen die Ablehnung der Ampelregierung und die Forderung nach Neuwahlen. Denn nicht nur die Landwirte seien unzufrieden, sondern auch viele andere Berufsstände wie Apotheker oder Pflegekräfte.

Bäckermeister zollt Solidarität

Solidarisch mit den Landwirten zeigt sich auch Stefan Geisenhofer von der gleichnamigen Bäckerei in Freising. „Landwirte, Bäcker, Verbraucher: Wir sitzen alle in einem Boot.“ Niemand wolle, dass Lebensmittel einmal um den Globus transportiert werden müssten. „Aber die Politik verpennt, dass sie uns alle aufarbeitet.“ So gebe es bald keine heimischen Produkte mehr, die konkurrenzfähig zu denen aus dem EU-Ausland seien.

Volle Straßen: Die Landwirte, die zur Demo kamen, waren für teils lange Verkehrsstaus verantwortlich, wie hier an der Münchner Straße. Abgesehen davon lief laut Polizei bei An- und Abreise so gut wie alles „regelkonform“.
Volle Straßen: Die Landwirte, die zur Demo kamen, waren für teils lange Verkehrsstaus verantwortlich, wie hier an der Münchner Straße. Abgesehen davon lief laut Polizei bei An- und Abreise so gut wie alles „regelkonform“. © Forster

Agrar-Studierende sorgen sich um Zukunft

Zukunftssorgen äußerte insbesondere die junge Generation. Stellvertretend für viele anwesende Kommilitoninnen und Kommilitonen sprach ein Landwirtschaftsstudent. Sie seien schon jetzt geplagt von Zukunftsängsten. Noch schlimmer als die finanzielle Belastung sei jedoch zu erleben, „dass Landwirte der Regierung gar nix mehr wert sind“. Die sogenannten „Fortschrittskoalition“ sei eher eine „Versagerkoalition“. Gleichzeitig betonte der Student, wie wichtig der Dialog sei: „Wir können nicht Politiker einladen und die dann ausbuhen – geht auf die Leute zu, redet mit ihnen!“

Großaufgebot an Landmaschinen: In der Luitpoldanlage parkten an die 350 Traktoren.
Großaufgebot an Landmaschinen: In der Luitpoldanlage parkten an die 350 Traktoren. © Lehmann

Buhrufe für Bundestagsmitglied

Gelegenheit dafür gab es postwendend, als Grünen-Bundestagsabgeordneter Leon Eckert das Wort ergriff und einräumte: „Bei diesem Kompromiss ist die Belastung der Landwirte überproportional. Ich bin überzeugt, dass wir eine bessere Lösung finden werden.“ Einige weitere Worte des Abgeordneten waren jedoch in Buhrufen und Pfiffen schwer zu verstehen. Dennoch dankte Ralf Huber danach nicht nur Eckert für seinen Beitrag, sondern auch den Teilnehmenden: „Ich bin stolz auf euch, danke fürs Ausredenlassen. Das zeigt, dass wir anständige Leute sind – und wir erwarten, dass man auch mit uns anständig umgeht.“

Proteste sollen andauern

Was die Redner nicht müde wurden zu betonen, und was auch die Reaktionen der Anwesenden zeigten: Man werde den Rückenwind nutzen, um weiter laut zu sein. Der Zusammenhalt sei enorm, der Protest bleibe ungebrochen. Versammlungsleiter Huber bemühte ein Zitat, das Konrad Adenauer zugeschrieben wird: „Man muss nichts mehr fürchten, als wenn Bauern an einem Strang ziehen.“ Er betonte: „Wir werden so lange auf die Straßen gehen, bis die Entscheidung rückgängig gemacht wird.“ Am Ende wünschte er eine besinnliche Weihnachtszeit – trotz allem.

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