Wegen seinem Buch - Trumps Vize keilt gegen uns: Vance verbindet mit Deutschland eine Negativ-Erfahrung
Zweifel an einer Akzeptanz der freien Meinungsäußerung in Deutschland könnten die amerikanische Bereitschaft schwinden lassen, Deutschland militärisch zu verteidigen. Das sagte US-Vizepräsident J.D. Vance jüngst auf einer Konferenz in Washington D.C.
„Deutschlands gesamte Verteidigung wird vom amerikanischen Steuerzahler subventioniert“, sagte der Republikaner bei der Conservative Political Action Conference (CPAC) in der US-Hauptstadt.
„Tausende und Abertausende amerikanischer Soldaten sind heute in Deutschland. Glauben Sie, dass der amerikanische Steuerzahler dafür einstehen wird, wenn man in Deutschland ins Gefängnis geworfen werden, weil man einen gemeinen Tweet gepostet hat? Natürlich nicht.“
Vance: "Es gibt einen heiligen Grundsatz"
Das konservative Publikum klatschte. Und Beobachter fühlten sich an seine Rede erinnert, in der J.D. Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz seine Frontalkritik am Freiheitsverständnis etlicher europäischer Staaten formuliert hatte. Zudem gebe es in Deutschland „Brandmauern“, im Widerspruch zu dem „heiligen Grundsatz, dass die Stimme des Volkes zählt“.
Brandmauer-Taktik seit Monaten heiß diskutiert
Die Brandmauer-Thematik wird in Deutschland seit Monaten diskutiert. Von den anderen Vorgängen, die Vance in seiner Münchner-Rede aufzählte, hat es in Deutschland kaum einer in die Schlagzeilen geschafft.
Und wenn doch, wie etwa im Dezember bei der annullierten Wahl in Rumänien, dann eher neutral berichtend oder gar zustimmend, weil der Wahlsieger Călin Georgescu rechtsextrem und von russischen Bots in sozialen Netzwerken unterstützt worden sei.
Dürfen Extremisten in einer Demokratie Wahlen nicht gewinnen?
Aber dürfen in einer Demokratie Extremisten Wahlen nicht gewinnen? Und wie entscheidend war die angebliche russische Internet-Unterstützung wirklich? Kaum ein Medium ging dem gravierenden Vorgang der Annullierung der Wahl wirklich auf den Grund.
In Brüssel sprach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen flankierend von „ernsthaften Hinweisen darauf, dass sich ausländische Akteure mit Hilfe von Tiktok in die rumänischen Präsidentschaftswahlen eingemischt haben“.
Journalisten werden in den USA von Pressebriefings ausgeschlossen
In Amerika werden solche Entwicklungen mit Unverständnis beobachtet. Zwar ist Präsident Donald Trump selbst nicht unbedingt ein Anhänger des demokratischen Diskurses.
Gerade erst schloss er einen AP-Korrespondenten von Pressebriefings im Weißen Haus aus, weil sich die Nachrichtenagentur seiner neuen Sprachregelung verweigert, wonach der „Golf von Mexiko“ nunmehr „Golf von Amerika“ zu benennen sei.
Meinungsfreiheit in den USA deckt beinahe jede Aussage ab
Aber im Weißen Haus hat der Präsident nun einmal Hausrecht. Darum wird sein Vorgehen anders gewichtet als der europäische Umgang mit Religionsfreiheit für christliche Abtreibungsgegner oder mit regierungskritischen Posts in den Netzwerken, etwa das „Schwachkopf“-Meme zu Wirtschaftsminister Habeck, das zu einer Hausdurchsuchung führte.
In den USA wäre so etwas völlig von der Meinungsfreiheit gedeckt. Entsprechend alarmiert waren daher US-Fernsehzuschauer, als vor wenigen Tagen eine „60 Minutes“-Ausgabe des keineswegs konservativen oder Trump-nahen Fernsehsenders CBS drei deutsche Staatsanwälte auf ihrer Jagd nach sogenannten „Hass-Verbrechen“ im Internet begleitete.
Olaf Scholz von Vance Buch "zu Tränen gerührt"
J.D. Vance hat übrigens seine sehr persönlichen Erfahrungen gemacht mit intellektueller Toleranz in Deutschland. Er ist der Autor des 2016 erschienen Bestsellers „Hillbilly Elegy“.
Darin beschreibt der spätere Yale-Absolvent und Selfmade-Millionär sein schwieriges Aufwachsen in einem rauen Städtchen im „Rust Belt“, dem einstigen industriellen Zentrum der USA. Es ist inzwischen heruntergekommen zu Ortschaften mit häufig verelendeten weißen Familien, es gibt viele Probleme mit Alkohol und Drogen. Das Buch fand rasch auch einen deutschen Verlag. Die Autobiografie des jungen Amerikaners habe ihn „zu Tränen“ gerührt, sagte Olaf Scholz.
Vance verstand sich als "Never-Trumper"
Vance verstand sich in dieser Zeit als „Never-Trumper“. In einer Facebook-Mitteilung an einer Vertrauten warnte er, Trump könne zu einem „amerikanischen Hitler“ werden. Das war bemerkenswert für einen Mann aus einer „abgehängten“ Gesellschaftsschicht, die 2016 maßgeblich zum Aufstieg von Trump beigetragen hat.
Doch das mangelnde Interesse von Amerikas linken Eliten an den Nöten im mittleren Westen enttäuschte Vance. Protestantisch getauft, sagte er sich vom Christentum los, verstand sich für einige Jahre als Atheist und konvertierte dann zum Katholizismus. Verheiratet mit einer indischstämmigen Hindu-Gläubigen, Usha Vance, fand er seine politische neue Heimat bei den Konservativen.
Er habe sich mit seinen früheren Urteilen über Trump getäuscht, sagte Vance. Er reiste auf Vermittlung des Silicon-Valley-Milliardärs Peter Thiel nach Mar-a-Lago zu Trump und gewann die Unterstützung des Ex-Präsidenten für seine erfolgreiche Kandidatur 2022 als Senator für Ohio.
Vance-Farbwechsel kam in Deutschland nicht gut an
Als Vance dann im August 2024 von den Republikanern gar als „running mate“ von Trump nominiert wurde, kündigte der Ullstein-Verlag an, die deutsche Übersetzung der "Hillbilly Elegy" nicht mehr zu drucken.
Diese Entscheidung wurde vom Verlag ausdrücklich begründet mit der neuen politischen Rolle von Vance als Vizepräsidentschaftskandidat an der Seite von Trump.
Vance machte schlechte Erfahrung mit Deutschland
Wird ein Buch weniger authentisch, weniger rührend, weniger relevant, weil der Autor seine politischen Überzeugungen ändert? Deutsche Leser können die „Hillbilly Elegie“ (so der deutsche Titel) auch weiterhin lesen, weil ein anderer Verlag die Lizenz übernahm.
Doch auf Vance, der in München versicherte, er habe die Stadt und ihre Menschen „schon immer geliebt“, dürfte dieser Vorgang von Cancel Culture einen Eindruck hinterlassen haben. Möglicherweise auch deshalb ist der 40-Jährige, den viele Republikaner bereits jetzt als Präsidentschaftskandidaten für 2028 sehen, irritiert über die Entwicklung in Deutschland.
Von Ansgar Graw
Von unserem Autor Ansgar Graw ist soeben das Buch erschienen „Die Ära Trump. Chancen und Risiken für Amerika und die Welt“ (Langen Müller, 272 S., 22 Euro), erhältlich bei Amazon und im gut sortierten Buchhandel.