Rathäuser im Kreis Ebersberg stellen immer mehr Personal ein: Auch Behörden klagen über Bürokratie

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Nicht nur die Wirtschaft, auch die öffentliche Hand ertrinkt zusehends in der Bürokratie. © Erwin Wodicka

Die Rathäuser im Landkreis Ebersberg bauen kontinuierlich Personal auf. Sie begründen dies mit der zunehmenden Zahl an Pflichtaufgaben und steigender Bürokratie.

Landkreis – Mehr Aufgaben, mehr Personal: Die Verwaltungen im Landkreis Ebersberg wachsen kontinuierlich an. Das ergab eine stichprobenartige Umfrage der EZ bei den Rathäusern und ans Landratsamt. So hat allein die Kreisstadt Ebersberg über die vergangenen zwölf Monate sieben neue Positionen geschaffen, die sich auf ungefähr 3,5 Vollzeitstellen summieren. Seit Bürgermeister Ulrich Proske (parteilos) im Amt ist, ist die Zahl der umgerechneten Vollzeitstellen binnen runder vier Jahre in seinem Rathaus von 90 auf 99 angewachsen – vor zehn Jahren waren es noch 87.

Überbesetzt sind wir keineswegs.

Es braucht jeden der 149 Köpfe (Mai 2020 waren es noch 136), die diese ausfüllen, argumentiert der Bürgermeister. Jede Personaleinsparung bedeute eine Verschlechterung der Rathaus-Dienstleistungen: „Überbesetzt sind wir keineswegs.“ Fehlt jemand in der Stadtbücherei, schrumpfen die Öffnungszeiten. Schrumpft der Bauhof, werden Schlaglöcher länger nicht geflickt, erklärt der Rathauschef exemplarisch.

Dass die Personalkosten in den vergangenen zehn Jahren um rund drei Millionen Euro auf nun 8,2 Millionen Euro gestiegen seien, liege vor allem an Tariferhöhungen und den Sonderzahlungen, die es brauche, um auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu bleiben. Am meisten falle dabei die Schülerbetreuung ins Gewicht, eine Pflichtaufgabe für jede Kommune.

Personalkosten haben sich binnen zehn Jahren in etwa verdoppelt

Ebersberg ist keineswegs allein, weder bei den Zahlen noch bei der Argumentation. In der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Aßling, zu der auch die Gemeinden Emmering und Frauenneuharting zählen, haben sich die Personalkosten in den vergangenen zehn Jahren fast – und in Markt Schwaben mehr als verdoppelt, von vier auf knapp neun Millionen Euro.

Das liegt nicht zuletzt am von knapp 70 auf knapp 108 Vollzeitstellen angewachsenen Personalstand. Wie Markt Schwabens Geschäftsstellenleiterin Melanie Idek erklärt, haben veränderte gesetzliche Regelungen die Buchhaltung anwachsen lassen. Mehr gemeindliche Gebäude, etwa die Schulneubauten, führten laut Verwaltung zu notwendigen Einstellungen etwa im Gebäudemanagement und im Bauhof. Und bei der Digitalisierung im Rathaus und den beiden Schulen habe man sich entschieden, selbst IT-Experten einzustellen, was in der Einstellung von mehr Mitarbeitern und eines Schuladministrators gemündet sei.

Im Aßlinger Rathaus, das nun 29 Köpfe (2014: 25) zählt, schweigen die drei Bürgermeister Hans Fent, Claudia Streu-Schütze und Eduard Koch zu den Gründen für den Aufwuchs. Die Personalkosten seien über zehn Jahre von 1,5 auf 2,8 Millionen angewachsen. Wie viel die VG und ihre Mitgliedergemeinden für externe Berater ausgeben, verraten sie gar nicht.

Landratsamt ist binnen zehn Jahren um 64 Prozent gewachsen

Ausführlich antwortet dafür das Landratsamt. Während die Bevölkerung im Landkreis Ebersberg um rund elf Prozent gewachsen ist, wuchs das Amt um 64 Prozent. Seit Anfang 2014 sind dort über 180 Vollzeitstellen hinzugekommen – bei nun 464 arbeiten für die Behörde insgesamt 644 Menschen, die meisten davon im Angestelltenverhältnis – die Zahl der Beamten ist mit knapp unter 100 in etwa gleich geblieben.

Auch hier haben sich die Personalkosten Pi mal Daumen verdoppelt – von 17,5 auf 36 Millionen Euro. Gleich geblieben sind dafür Kosten für externe Dienstleister und Berater von rund 1,5 Millionen Euro im Jahr, die man in Anspruch nehme, wenn die hauseigene Expertise nicht reiche. (Größter Posten 2023: Klimaschutzmanagement mit rund 142 000 Euro). Nicht enthalten sind in den Zahlen übrigens Schulamt, Vermessungsamt, Finanzamt, Energieagentur, Arbeitsagentur oder Landwirtschaftsamt.

Landratsamt beklagt zunehmende Bürokratie

Die Behörde von Landrat Robert Niedergesäß verweist angesichts des Personalzuwachses auf viele neue Aufgaben, die von staatlicher Seite, speziell vom Bundestag, an die Kommunen übertragen worden seien: aktuell etwa die Wohngeldnovelle oder das Thema Asyl. Aber auch der Kreistag habe den Aufbau freiwilliger Leistungen beschlossen, etwa bei Angeboten für Kinder und Senioren, beim Klimaschutz, der Bildung und Baumaßnahmen. Und auch die Behörde klagt über das, worüber sonst Bürger klagen, wenn sie über Behörden klagen: „Aufgaben werden komplizierter, Bürokratie hat deutlich zugenommen.“ Dazu kämen als prominenter Faktor höhere Standards bei der Jugendhilfe, was auch erklärt, weshalb das Jugendamt mit 32 neuen Stellen binnen zehn Jahren (nun: 84) den größten Aufwuchs verzeichnet.

Leider sehen wir kaum Einsparpotenzial.

Auf die Frage nach Einsparmöglichkeiten fallen die Antworten aus den Behörden eher sparsam aus. Bürokratieabbau und Verzicht auf Aufgaben sowie Verschlankung von Prozessen nennt das Landratsamt und erklärt: „Die zunehmende Nichtbesetzung von Stellen bringt Einsparungen – allerdings zu Lasten der Aufgabenerfüllung.“

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Kirchseeons Bürgermeister Jan Paeplow hat in seiner ersten Amtszeit seit Mai 2020 ebenfalls sechs Vollzeitstellen im Rathaus dazugewonnen. Über die vergangenen zehn Jahre sind es sogar 18 auf nun 49. Dennoch gehöre seine Gemeinde, gemessen an der Einwohnerzahl, bayernweit zu den personalschwächsten.

Paeplow bekennt im Einklang mit mehreren seiner Amtskollegen: „Leider sehen wir kaum Einsparpotenzial, da auch künftig mit steigenden Anforderungen und einem erhöhten Personalbedarf zu rechnen ist.“ Die Beauftragung externer Dienstleister verschiebe diese Kosten lediglich. Er sehe Möglichkeiten in schlankeren Prozessen und effizienterer (Digital-)Technologie – und die gemeinsame Nutzung von Ressourcen und Dienstleistungen über Gemeindegrenzen hinweg könne Geld sparen. Das habe sich etwa in der Verkehrsüberwachung bei der Zusammenarbeit mit dem Zweckverband Oberland gezeigt.

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