Eindrücke aus der Vorrunde zur Deutschen Aufgussmeisterschaft in Kempten
Es ist dunkel. Es ist heiß. Es ist feucht. Mir läuft Schweiß über die nackte Haut, wie allen Menschen hier in der großen „Kelo“-Sauna des „Cambomare“. Um den heißen Ofen in der Mitte des Raumes hüpft und tanzt Farid aus Brandenberg herum. Er wirft ein Handtuch hoch, fängt es hinterm Rücken wieder auf, wedelt damit die heiße Luft auf schweißnasse Körper, gießt immer wieder mit Düften angereichertes Wasser auf. Dann erfasst mich die Hitze, meine Haut prickelt, ich sitze mitten in einer Sauna-Show.
Kempten – „Zwölf Jahre Sklave“ heißt die Show des 36-Jährigen vom Scharmützelsee. Er ist einer von 30 Teilnehmern, die mit heißer Luft, mitreißenden Lichteffekten, ausgewählten Düften und Musik die internationale Jury beeindrucken möchten. Bereits zum dritten Mal findet die vom Deutschen Saunabund ausgeschriebene Ausscheidung zur Aufgussendrunde im Cambomare in Kempten statt.
Sauna-Aufgussmeisterschaft: „Das ist Top-Sport“
„Ja“, sagt Yvan Fermyn und zupft an seinem Filzhut, „Kempten ist ein gutes Pflaster.“ Yvan ist der „Captain“ der Jury. Der 59-Jährige kommt aus Belgien, war schon selbst Weltmeister der Sauna-Aufgießer und geht natürlich auch gern in die Sauna: „Vier- bis fünfmal die Woche!“, sagt er, „mindestens!“ und lacht. Die Aufgussmeisterschaft ist eine ernste Sache, doch sie soll auch Spaß machen. Wer mitmachen will, muss fit sein: „Das ist Top-Sport“, weiß Yvan und streicht über seinen weißen Rauschebart, „das fordert Körper und Geist enorm.“
Farid beginnt seine Sauna-Story mit einem Auftritt als Geigenspieler, im schweißtreibenden Frack und langer Hose schreitet er durchs heiße Dunkel, sein Publikum transpiriert bereits leise atmend vor sich hin. „Am besten nimmst du Leinen, niemals Polyester!“, rät Yvan, der Bärtige.
Farid der Heißluftderwisch
Dann holt Farid sein großes weißes Wedeltuch heraus und wird zum Heißluftderwisch. Er dreht sich im Lichtgewitter zum Rhythmus der Musik, hüpft hierhin und dorthin, bringt die Kemptener Kelo-Hütte schließlich zum Kochen. Die Zuschauer klatschen bei jeder gelungenen Figur, „ooohh, aaahh!“ und wischen sich den Schweiß von Stirn, Armen und Beinen.
Richter Yvan darf mir nichts über seine Bewertung verraten, auch Aufgießen in der Sauna soll sportlich fair verlaufen, aber er weiß: „Wenn du Punkte machen willst, musst du folgende Kriterien beachten: Deine Geschichte muss stringent und nachvollziehbar sein, du musst die ansteigende Hitze zu den Leuten bringen, Licht und Musik müssen passen und das Ganze darf nicht länger als 15 Minuten dauern.“ Das reicht auch – nicht nur Farid schwimmt regelrecht davon, auch die Saunierenden sind geschafft. Aber positiv: „Tolle Story“, sagt einer draußen beim Abkühlen. „Mit kleinen Fehlern“, meint eine andere unter der Dusche, „aber seine Wedeltechnik ist klasse!“
In einen Allgäuer Aufguss gehört Fichtennadelöl
Lokalmatador Michael Gaugel bewirbt sich gleich mit zwei Auftritten. Zu „AC/DC“ performt er im Team mit Kevin Reuschling, dabei kommt es vor allem auf eine synchrone Performance beider Aufgießenden an. „The Prince of Darkness“ nennt der Kemptener Saunameister seinen Beitrag über den Rocker Ozzy Osborne. Musik kommt immer gut an und ein bisschen Düsternis passt immer ins regenwaldähnliche Ambiente. Andere versuchen mit der „Flucht aus Alcatraz“ oder „Kung-fu Panda“ Eindruck zu hinterlassen. „Ein Kriterium für die Jury ist auch, dass von den Aufgüssen kein Spritzer neben den Ofen gehen darf“, erwähnt Yvan, „das gibt Punktabzüge!“ Dann holt er tief Luft und saugt die feuchte Allgäuer Luft ein: „Also, wenn ich eine Sauna-Show übers Allgäu machen würde, dann gehört unbedingt Fichtennadelöl in den Aufguss rein!“
Meine News
Yvan muss wieder rein, Punkte vergeben in die Schwitzarena. Also Bademantel ausziehen, Badelatschen weg, nur der Filzhut bleibt auf dem Kopf: „Heiße Luft ist nicht gut für die Haare!“, ruft mir der Belgier noch zu und quetscht sich in der Dunkelheit irgendwo zwischen nackte nasse Leiber. „Me and my mask“ nennt Florian aus Erding seine Show. Irgendwie passt das gut, in einer Sauna … Übrigens, wer auf ganz hohem Niveau mal richtig ins Schwitzen geraten möchte: Die Aufguss-Weltmeisterschaft findet Mitte September im „Aquardens“ in Verona statt.
Mit dem Kreisbote-Newsletter täglich zum Feierabend oder mit der neuen „Kreisbote“-App immer aktuell über die wichtigsten Geschichten informiert.
Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.