Marihuana-Vortrag bei Kulturkreis-Treffen: Referent klärt auf, worum es wirklich geht
„Marihuana anbauen leicht gemacht“: Das ist das Thema eines Vortrags beim neuen Neuhauser Kulturkreis. Klingt kurios? Finden wir auch und haben beim Referenten nachgefragt.
Neuhaus – Damit hier niemand falsche Schlussfolgerungen zieht: „Ich bin Nichtraucher“, stellt Anton Beer (61) klar. Und nein, er werde bei seinem Vortrag „Marihuana anbauen leicht gemacht“ beim nächsten Treffen des Neuhauser Kulturkreises am morgigen Mittwoch um 18 Uhr die Teilnehmer im Restaurant Alperie weder einräuchern, noch ihnen Kostproben in Form von Keksen verteilen. „Mir geht es nur um die Botanik“, betont der Musiklehrer und Kantor der evangelischen Kirchengemeinde Neuhaus. Rechtliche oder gesundheitliche Aspekte des Themas werde er bewusst ausklammern.
Marihuana-Anbau ist Teil der menschlichen Kulturgeschichte
Bleibt dennoch die Frage: Wieso beschäftigt sich der Neuhauser Kulturkreis mit Marihuana? Da muss Beer nicht lange überlegen: Der Anbau von Hanfpflanzen sei eine Jahrtausende alte Tradition, gehöre also zur menschlichen Kulturgeschichte dazu. Dieser weit gefasste Begriff von Kultur sei es auch, den er mit Initiatorin Marlene Brech-Tybl für den Interessenkreis etablieren wolle. Wie berichtet, hatte sich die damals 90-jährige Neuhauserin nach der Auflösung des Schlierseer Kulturkreises, dessen Mitglied sie war, vor gut einem Jahr für eine Neugründung stark gemacht. Auch wenn es bis dato noch keinen eingetragenen Verein gibt, hat die Gruppe schon eine ganze Reihe an Veranstaltungen ausgearbeitet. Zwölf davon hat sich Beer ausgedacht – darunter besagten Marihuana-Vortrag.

Als Mitglied der Gesellschaft der Freunde des Botanischen Gartens München interessiere er sich schon länger für Pflanzen, berichtet der 61-jährige Neuhauser. Da der Hanf-Anbau wegen der geplanten und noch heiß diskutierten Legalisierung in Deutschland ein aktuelles Thema sei, habe er sich ein Buch dazu gekauft: „Marihuana anbauen leicht gemacht“ vom US-amerikanischen Autor Murph Wolfson. Ob Samen und Setzlinge, Keimung, Hydrokulturen, Schädlingsbekämpfung oder Ernte und Weiterverarbeitung: „Das ist eine sehr spannende Sache“, sagt Beer und vergleicht die Faszination mit anderen gärtnerischen Herausforderungen wie etwa der Rosenzucht.
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Sollten die Samen wie geplant ab April aus den Niederlanden bestellt werden dürfen, wird der 61-Jährige auf jeden Fall den Selbstversuch wagen. Wie er dem Buch entnommen hat, werden die Saatkörner zunächst im Topf eingepflanzt. Geht alles gut, wächst in zehn Tagen ein Keimling heran – eine Blüte mit zwei Blättern. Der lässt sich dann in ein Beet im Garten versetzen. Allerdings sollte der Boden dafür einen ph-Wert von ungefähr 7 haben. Das lasse sich mit einem kleinen Messgerät aus dem Baumarkt feststellen und zur Not mit Kalk (wenn zu sauer) oder Essig (wenn zu basisch) ins Lot bringen. „Bei mir passt es aber“, hat Beer schon herausgefunden. Spannend wird es hingegen in klimatischer Sicht, denn der aus Asien stammende Hanf brauche viel Wärme, mindestens 24 Grad. Eine Zucht komplett in Innenräumen werde irgendwann schwierig, denn die Pflanzen werden bis zu vier Meter hoch.
Referent will sich auch an Ernte und Verarbeitung versuchen
Und danach? Natürlich werde er sich auch mal in der Ernte und Verarbeitung ausprobieren, kündigt Beer an. „Ich werde die Pflanzen sicher nicht verbrennen“, meint er schmunzelnd. Doch nach der Trocknung der Blätter sei das Rauchen in Form von Joints längst nicht die einzige Option. Man könne sie in Joghurt, Kuchen oder Keksen konsumieren. Oder eben gar nicht essen, sondern die Inhaltsstoffe für die Herstellung von Medizin, Textilien, Öl, Seifen und sogar Dämmstoffen nutzen. Deshalb findet es Beer auch schade, dass Marihuana in der Öffentlichkeit oft mit einer gefährlichen Droge gleichgesetzt wird, die es von Jugendlichen fernzuhalten gilt. Dass auch Teile der Politik dieser Ansicht seien, zeige der diskutierte Mindestabstand von Cannabis-Clubs von 100 Metern zu Schulen und anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie zu Spielplätzen. Nach dieser Logik müsste das auch für Alkohol- oder Zigarettenkonsum gelten, an dessen Folgen jedes Jahr viele Menschen sterben würden. „Es ist halt wie bei allem: Entscheidend ist die Dosis“, sagt Beer.
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Wie groß das Interesse an seinem Vortrag ausfällt, kann der 61-Jährige nicht abschätzen. Es würde ihn aber freuen, wenn ein breites Altersspektrum an Besuchern vertreten wäre. Dann hätte die eigentliche Botschaft des Kulturkreises ihre Wirkung entfaltet, so Beer: „Kultur ist viel mehr als Picasso, Mozart und Co.“ Botanik, zum Beispiel.
sg