Kuriose ICE-Panne: "Habe schon viel erlebt mit der Bahn, das noch nie"

  • Im Video oben: Neue Bahn-Krise trifft Regionalverkehr: Erste Strecken werden gestrichen

Mein Tag beginnt früh, aber gut: Pünktlich um 7.11 Uhr fährt mein Zug am Berliner Hauptbahnhof ab, der Sonnenaufgang färbt die Hauptstadt violett und orange. Ein paar Reihen weiter in Wagen 22 des ICE 1003 nach München begegnen sich zufällig zwei Freunde, ihr Lachen wirkt auf die Mitreisenden ansteckend.

Panne in ICE: "Habe ja schon viel erlebt mit der Bahn"

Zwei Stunden später, kurz nach Halle an der Saale, weicht die gute Laune der Reisenden dem Bahn-Soundtrack des Schreckens: Er wird eingeleitet vom Quietschen des bremsenden Zuges. Der Lautsprecher knackt, das Tastaturgeklapper der Geschäftsreisenden verstummt, ein hörbar um Freundlichkeit bemühter Zugchef setzt zur Ansage an. Nach deren Ende bilden verzweifeltes Stöhnen und resigniertes Auflachen den Schlussakkord.

„Ich habe ja schon viel erlebt mit der Bahn, aber das auch noch nie“, kommentiert eine Mitreisende. Signalstörung, Tiere auf der Strecke, verspätetes Zugpersonal – all das ist mir wohlbekannt. Heute aber hat sich der ICE „verfahren“, wie der Zugchef erklärt. „Auch uns passiert das mal“, sagt er ganz so, als sei die festgelegte Route eines ICE auf Schienen vergleichbar mit einer Autofahrt auf der Straße.

Vielleicht, weil dem Zugchef bewusst wird, wie absurd seine Ansage klingen muss, vielleicht um sich aus der Affäre zu ziehen, relativiert er kurz darauf: „Wir wurden fehlgeleitet...“ Von wem lässt er offen, aber ich ergänze gedanklich die ganze Kette der Schuldigen: „…heute ganz konkret von der Leitstelle, seit Jahren von der Konzernführung der Deutschen Bahn und ganz grundsätzlich von der Verkehrspolitik“.

Mit der Bahn nach München im S-Bahn-Tempo

Da wir nun im Tempo einer S-Bahn auf einer Altbaustrecke weiter Richtung Erfurt tuckern, habe ich 50 Minuten Zeit im Zug gewonnen. Ich entscheide, sie für diesen Text zu nutzen.

Gerne hätte ich mit einem Schaffner gesprochen, um zu recherchieren, wie sich ein ICE verfahren kann. Doch das – womöglich peinlich berührte – Zugpersonal lässt sich nicht mehr blicken. Auch eine Internetrecherche fällt flach. Das Bahn-WLAN spielt nicht mit, Sie kennen es.

So bleibt mir nur das Gespräch mit meinen Nebensitzern: Sie werden Verabredungen mit Freunden, wichtige Geschäftstermine und einen pünktlich abfahrenden österreichischen Anschlusszug in München verpassen. „Boah, Bahn“, kommentiert einer hämisch – so heißt der Titel einer kürzlich veröffentlichten Miniserie der DB.

Dort überspitzt Anke Engelke den ohnehin schon alltäglichen Bahn-Wahnsinn. Das soll lustig sein, ist aber eher zum Weinen, wenn man selbst in einer absurden Zug-Situation sitzt und das Gefühl hat, die Komikerin müsste deshalb jeden Moment den Wagen betreten.

In der Webserie retten Engelke und ihr Team die Situation meist doch noch mit guter Laune und spontanen Ideen. In meinem Zug nach München hingegen klingt der zuvor bemühte Zugchef jetzt nur noch genervt. Immerhin trifft er damit meine eigene Gefühlslage besser.