Handelskrieg mit den USA: Das sind unsere Alternativen zu den Staaten
Mit 20 Prozent Strafzöllen auf EU-Waren fing Donald Trump Anfang April an, dann steigerte der US-Präsident den Satz für Autos auf 25 Prozent, für Stahl und Aluminium Anfang Juni sogar auf 50 Prozent. Jetzt liegt die nächste Verschärfung auf dem Tisch. Ab dem 1. August sollen alle Waren aus der EU und damit auch Deutschland mit einem Satz von 30 Prozent belegt werden, wenn sie in die USA exportiert werden. Lediglich Autos, Stahl und Aluminium sind davon ausgenommen - für sie gelten die bisherigen Sätze. Die EU bereitet Gegenmaßnahmen vor, die Zölle auf US-Produkte beinhalten werden. Möglich wäre auch, die US-Tech-Giganten wie Amazon oder Google in Europa mit digitalen Zöllen zu belegen.
Egal, wie dieser Handelsstreit ausgehen mag, er zeigt, dass die USA derzeit kein Interesse an regem Handel über den Atlantik hinweg haben. Höhere Zölle führen unweigerlich dazu, dass die Produkte teurer werden und Menschen sie damit seltener kaufen werden. Das ist eine Chance für Hersteller aus anderen Ländern, sowohl die EU als auch die USA mit günstigeren Produkten zu beliefern.
Deutschland kann nicht von jetzt auf gleich umschwenken
Vollkommen wegbrechen werden die USA als Handelspartner nicht. Dazu sind sie immer noch ein viel zu großer Absatzmarkt. Außerdem haben deutsche Unternehmen über Jahrzehnte ein Produktions- und Vertriebsnetzwerk aufgebaut, das darauf abzielt, in den USA möglichst viele Waren zu verkaufen. Dies lässt sich nicht von jetzt auf gleich umschwenken. Im vergangenen Jahr waren die USA das wichtigste Exportland für deutsche Waren (161,4 Milliarden Euro) und die drittwichtigste Quelle für Importe (91,5 Milliarden Euro). Daraus ergibt sich, dass Deutschland mit den USA den höchsten Außenhandelsumsatz machte (253 Milliarden Euro) und den größten Handelsüberschuss erwirtschaftete (70 Milliarden Euro).
Selbst wenn dieser Handel durch die gegenseitigen Zölle nur um ein Viertel sinken sollte, wären das also 40 Milliarden Euro weniger Einnahmen für deutsche Unternehmen. Importe abgerechnet, sänke der Überschuss um 17,5 Milliarden Euro. Solche Summen müssen andere Abnehmer-Länder erst einmal ersetzen. Möglich wäre es aber schon. Diese Kandidaten kommen in Frage:
China
Der wohl lukrativste Markt nach den USA ist zugleich auch einer der umstrittensten. China lag im vergangenen Jahr mit einem Handelsvolumen von 246 Milliarden Euro bereits auf Platz 2 unserer wichtigsten Handelspartner. Besonders die Exporte in die Volksrepublik hinken aber noch hinterher. Mit rund 90 Milliarden Euro liegt China hier nur auf Platz 5, was ein Defizit von 66 Milliarden Euro zur Folge hat – das mit Abstand größte Handelsdefizit, das Deutschland mit irgendeinem Land aufweist.
Wirtschaftlich ist China interessant, weil es erstens immer noch ein stark wachsendes Schwellenland ist und zweitens selbst in einen Handelsstreit mit den USA involviert ist. Da China Trumps Haupt-Handelsfeind ist, könnte das Land anderen Staaten durchaus entgegenkommen und Handelshemmnisse abbauen. Gefragte Waren aus Deutschland wären zum Beispiel Autos, Maschinen und chemische Produkte. Einem engeren Verhältnis stehen politische Probleme entgegen. China ist wegen Menschenrechtsverletzungen umstritten, weil es ein sehr autoritärer Staat ist. Außerdem droht es der Insel Taiwan seit Jahrzehnten mit einer Invasion, die immer wahrscheinlicher erscheint.
Indien
Zum Glück ist China nicht der einzige Markt in Asien mit mehr als einer Milliarde Einwohnern. Derzeit schießt Indien nach oben, wenn auch von einem noch deutlich geringeren Niveau. Seit 2003 ist die Wirtschaft des Subkontinents nur in der Finanzkrise 2008 und der Corona-Krise 2020 um weniger als fünf Prozent pro Jahr gewachsen. In kaufkraftbereinigten PPP-Dollars gemessen ist Indien damit bereits die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA und China. Deutschlands Handel mit dem Land erreichte 2024 ein Rekordniveau, liegt aber trotzdem noch bei bescheidenen 31 Milliarden Euro. Das macht Indien zum derzeit 23. wichtigsten Handelspartner für uns – mit viel Luft nach oben.
„Indien ist die einzige vergleichbar große Alternative zu China“, heißt es etwa in einer Studie des Beratungsunternehmens KPMG aus dem Juni. Demnach wollen 79 Prozent der deutschen Unternehmen, die bereits in Indien tätig sind, dort bis 2030 expandieren. Auch die EU hat das Potenzial erkannt. Seit 2022 wird ein Freihandelsabkommen mit Indien verhandelt. Es soll noch in diesem Jahr abgeschlossen werden.
Kanada
Während mit Indien noch verhandelt wird, existiert das Freihandelsabkommen mit Kanada bereits seit 2022. Seitdem ist der Außenhandel mit Deutschland um fast 50 Prozent gestiegen. Vergangenes Jahr belegte Kanada mit einem Volumen von knapp 20 Milliarden Euro den 29. Platz in der Rangfolge der wichtigsten Handelspartner Deutschlands. Gemessen an den deutschen Exporten liegt das Land mit rund 13 Milliarden Euro auf Platz 24.
Der Vorteil Kanadas ist, dass deutsche Unternehmen an ihren bestehenden Exportstrukturen nach Nordamerika wenig ändern müssen. Das gilt zum einen für die geographische Nähe zu den USA, aber auch für kulturelle Ähnlichkeiten. Kanadier und kanadische Unternehmen verlangen nicht nach großartig anderen Produkten als US-Amerikaner. Im Gegensatz zu Indien und China wäre das Potenzial aber begrenzt. Kanada ist zwar ein flächenmäßig großer Staat, beherbergt aber nur 40 Millionen Einwohner, weniger als halb so viele wie Deutschland.
Südamerika (Mercosur-Staaten)
Mit Südamerika könnte bald eine der größten Freihandelszonen der Welt entstehen, wenn die EU und die Mercosur-Staaten ihr lange verhandeltes Abkommen unterzeichnen. Mercosur ist eine Gemeinschaft von fünf südamerikanischen Staaten: Brasilien, Argentinien, Bolivien, Paraguay und Uruguay. Gemeinsam bringen sie eine kaufkraftbereinigte Wirtschaftsmacht von 6,5 Billionen Dollar auf die Waage. Das entspricht in etwa dem Level von Japan, der fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt. Allerdings wohnen in den Mercosur-Staaten mehr als doppelt so viele Einwohner wie auf dem asiatischen Inselstaat. Hinzu kommt ein deutlich höheres Wirtschaftswachstum. Bis 2030 soll das BIP der Mercosur-Gruppe auf 8,4 Billionen Dollar ansteigen und würde damit Russland auf Platz 4 der größten Wirtschaftsmächte erreichen.
Im Außenhandel mit Deutschland spielen die Mercosur-Staaten noch keine große Rolle. Brasilien landet beim Gesamtumsatz aus Exporten und Importen mit rund 22 Milliarden Euro auf Platz 26. Zusammen kommt der Staatenbund auf knapp 27 Milliarden Euro, was Platz 25 entspräche. Ein Freihandelsabkommen mit der EU wird schon seit 1995 verhandelt. Da die Mercosur-Staaten aber nicht wie die EU ein gemeinsames Organ haben, muss mit jedem Staat einzeln verhandelt werden, was über die Jahre durch wechselnde Regierungen erschwert wurde. Erst 2019 wurde eine grundsätzliche Einigkeit erzielt. Seit 2024 sind die Verhandlungen abgeschlossen, jetzt müssen die Verträge noch in die jeweiligen Landessprachen übersetzt und unterzeichnet werden. Manche Staaten auf beiden Seiten des Atlantiks sind aber noch skeptisch, allen voran die Franzosen.
Südostasien (ASEAN)
Gerade erst vergangene Woche traf sich die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur mit den Außenministern der ASEAN-Staaten. Diese umfassen die südostasiatischen Länder Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam. Sie kommen zusammen auf eine kaufkraftbereinigte Wirtschaftskraft von 12,3 Billionen Dollar, die bis 2030 nochmals um rund 50 Prozent steigern soll. Anders als mit Mercosur verhandelt die EU hier aber kein gemeinsames Freihandelsabkommen. Mit Vietnam und Singapur besteht ein solcher Vertrag schon, mit Indonesien, Thailand und Malaysia laufen Verhandlungen. Die EU ist nicht als einzige an den Asean-Staaten als Handelspartner interessiert. Im Frühjahr bereiste bereits Chinas Präsident Xi Jinping die Region und warb ebenfalls für mehr Handel.
Der Handel mit den Asean-Staaten ist jetzt schon größer als mit Mercosur. Vietnam und Malaysia stehen mit 19 beziehungsweise 17 Milliarden Euro auf den Plätzen 31 und 32 der wichtigsten deutschen Handelspartner. Zusammen kommen die Asean-Staaten auf knapp 80 Milliarden Euro, was etwa dem Niveau von Spanien auf Platz 12 entspricht. Besonders für Maschinenbauer, Chemiekonzerne und Autohersteller ist Südostasien interessant.
Sonstige Staaten
Theoretisch hat Deutschland noch mehr Optionen. Mit afrikanischen Staaten wie Südafrika, Ghana und der Elfenbeinküste bestehen schon Partnerschaftsabkommen. Bis sich dieser Kontinent aber zu einem lukrativen Markt für deutsche Unternehmen entwickelt, wird es noch einige Jahre dauern.
Neben Kanada ist auch der südliche US-Nachbar Mexiko ein Thema. Mit diesem besteht bereits ein vorläufiges Freihandelsabkommen. Für Auto- und Maschinenbauer ist der Markt hochinteressant. Viele deutsche Unternehmen, zum Beispiel Volkswagen, haben hier sowieso schon Werke, von denen aus sie bisher die USA beliefern.
Mit Chile und Kolumbien hat die EU Rohstoff-Abkommen abgeschlossen. Dabei geht es also bisher weniger um den Export von Gütern nach Südamerika, sondern mehr um Zugang zu deren Ressourcen. Mittelfristig könnten auch die Golfstaaten interessant sein. Weil ihre Haupteinnahmequellen Öl und Gas zur Neige gehen, müssen sich diese Staaten neuen Wirtschaftssektoren zuwenden - und investieren. Davon könnte beispielsweise die Baubranche profitieren.