Macht Trump im Handelsstreit ernst, haben wir ihn mit sieben Produkten im Schwitzkasten
In seiner ersten Amtszeit belegte Donald Trump bereits Stahl und Aluminium aus Europa mit einem Strafzoll von 25 Prozent. Den hat der US-Präsident mittlerweile auf 50 Prozent gesteigert. Autos werden seit diesem Jahr mit 25 Prozent Zoll belegt. Bei allen anderen Waren wird noch gestritten. Im April kündigte Trump generelle Strafzölle von 20 Prozent an, die dann zu Gunsten von Verhandlungen ausgesetzt wurden. Und obwohl diese kurz vor dem Abschluss stehen sollen, kündigte er jetzt ab August sogar generelle Zölle von 30 Prozent an.
Deutschlands Wirtschaft trifft so etwas empfindlich. Schließlich gehört gerade die Autoindustrie zu den größten Profiteuren des US-Marktes. Fahrzeuge im Wert von rund 34 Milliarden Euro wurden im vergangenen Jahr nach Angaben des Statistischen Bundesamtes von Deutschland in die USA exportiert. Das beinhaltet nicht nur Pkw, sondern auch alle anderen Arten von Nutzfahrzeugen. Schlimmer noch trifft es die Pharma-Industrie. Rund ein Viertel all ihrer Exporte – Gesamtwert rund 27 Milliarden Euro – gehen in die USA. Auch Flugzeuge, also allen voran Airbus, und Maschinenbauer sowie Medizintechnik-Hersteller haben einen hohen Exportanteil in die USA.
Doch die Abhängigkeit ist nicht einseitig. Im vergangenen Jahr kauften die USA Waren im Wert von 161 Milliarden Euro in Deutschland ein. Das verschaffte uns einen Überschuss von fast 70 Milliarden Euro. Doch viele dieser Waren kaufen US-amerikanische Konsumenten und vor allem Unternehmen nicht aus Spaß ein, sondern weil sie die Produkte für die eigene Wirtschaft brauchen. Bei rund 2000 verschiedenen Warengruppen läge der Importanteil der USA aus der EU bei mehr als zwei Dritteln, schreiben Jürgen Matthes und Samina Sultan in einem Gastkommentar für das Handelsblatt. Matthes leitet die Abteilung für Internationale Wirtschaftspolitik am Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), Sultan ist dort Ökonomin für europäischen Außenhandel. Das französische Marktforschungsinstitut CEPII listet sogar 88 Warengruppen, bei denen die EU für die USA der quasi einzige Lieferant ist. Um diese Warengruppen geht es:
Hochspezialisierte Pharmaprodukte
Deutschlands Pharma-Industrie hat einen hohen Exportanteil in die USA, weil sie sich auf viele Produkte spezialisiert hat, die die Amerikaner nicht selbst in der gleichen Qualität und Quantität herstellen können. Das Wichtige: Dabei geht es nicht um fertige Medikamente, sondern meist um Vorprodukte. Ein Beispiel ist Semaglutid, der Wirkstoff, der etwa im zuletzt sehr beliebten Gewichtskontroll-Medikament Ozempic enthalten ist. Auf der Liste der Pharma-Produkte, die die USA vorzugsweise aus Europa importieren, stehen aber auch Antikörperpräparate. Sie werden als Therapie bei Autoimmunkrankheiten benutzt. Deutschland ist hier in der Produktion stark, die USA haben kaum eine ausreichend große eigene. In kleinerem Maße besteht auch eine Abhängigkeit bei bestimmten Blutpräparaten und Impfstoffen, etwa gegen Tollwut. 2023 importierten die USA pharmazeutische Produkte im Wert von 117 Milliarden Euro aus der EU. Mit einem Zollsatz von 30 Prozent würden die Ausgaben hierfür um 35 Milliarden Euro ansteigen.
Medikamente
Doch auch bei fertigen Medikamenten haben die USA eine teils hohe Importquote aus der EU. So liefern wir etwa 30 Prozent der aktiven Wirkstoffe für eine ganze Reihe von Medikamenten – von Krebsmitteln bis zu Entzündungshemmern – die die USA pro Jahr verbrauchen. Zwar könnten die USA diese zur Not auch selbst herstellen, aber nicht nur würde der Aufbau der Produktion Jahre dauern, die Wirkstoffe müssten auch ein neues Zulassungsverfahren durchlaufen. Gleiches gilt für viele andere, oft sehr spezielle Medikamente. Dazu gehören etwa fertige Antikörper-Präparate, Insulin und Krebs-Medikamente.
Zudem stammt ein Großteil aller Importe von Generika aus der EU. Generika sind Medikamente, die denselben Wirkstoff wie ein ehemals patentgeschütztes Medikament verwenden, aber nicht dessen bekannten Markennamen tragen und deswegen oft günstiger sind. Am bekanntesten sind alle Schmerztabletten, die Acetylsalicylsäure (ASS) als Wirkstoff verwenden, aber nicht Aspirin heißen. Insgesamt, so schätzt es etwa die Organisation United States Pharmacopeia (USP), stammen 43 Prozent aller in den USA verwendeten Wirkstoffe aus der EU.
Fahrzeugteile
Ob die USA abhängig von deutschen Autoimporten sind, ist eine Geschmacksfrage. Klar, Porsche etwa produziert nicht in den USA, aber theoretisch können die USA ihren Fahrzeugbedarf auch selbst decken – zur Not mit Importen aus anderen Erdteilen als der EU. Solange es nicht um bestimmte Marken geht, herrscht hier also kaum eine Abhängigkeit.
Anders sieht es bei Fahrzeugteilen aus, also etwa Motoren, elektronischen Assistenzsystemen, Bremsen und so weiter. Die werden nur zu rund 40 Prozent in den USA selbst hergestellt. Weitere 20 Prozent stammen aus den Nachbarstaaten Kanada und Mexiko, doch danach wird es dünn. Die EU landet mit einem Exportvolumen von rund 14 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr auf Platz 3 der wichtigsten Exporteure, nur leicht hinter China und Japan. Davon wiederum stammen 10 Milliarden Dollar aus deutscher Produktion.
Medizintechnik
Wenn Sie in einem US-Krankenhaus geröntgt werden, ein CT, MRT oder schlicht Ultraschall bekommen, dann ist die Chance hoch, dass die dafür verwendete Maschine aus Deutschland oder den Niederlanden stammt. Siemens Healthineers und Philips sind die beiden Weltmarktführer bei bildgebenden Medizinprodukten. Hinzu kommen viele deutsche Mittelständler, die in anderen Bereichen führend sind – seien es chirurgische Instrumente oder Endoskope, Laborgeräte und Implantate.
Rund 40 Prozent aller medizintechnischen Exporte aus der EU gingen in den vergangenen Jahren nach Angaben des Dachverbandes MedTech Europe in die USA. Deutschland verdiente daran geschätzte 6 Milliarden Euro netto, also abzüglich der umgekehrten Importe von Medizin-Geräten aus den USA. Nur die Niederlande waren hier stärker.
Auch hier können sich die USA nur schlecht von ihrer Abhängigkeit lösen: „Jedes Bauteil eines Gerätes, ebenso die Fabrik wo es hergestellt wird und die Arbeiter, die es bauen, sind alle registriert und zertifiziert als Teil eines regulatorischen Prozesses“, erklärt die US-Handelsorganisation AdvaMed, „jede Änderung an der Herstellung eines einzelnen Bauteils würde diesen Zulassungsprozess neu starten.“ Das wiederum würde Jahre dauern.
Chemie
Gleich 25 der 88 Warengruppen, bei denen die USA ausschließlich von Europa abhängig sind, umfasst laut CEPII chemische Produkte. Sie machen damit den größten Posten aus. Dabei geht es etwa um Chlor- und Phospor-Verbindungen, die für Desinfektionsmittel, Weichmachern oder Pflanzenschutzmitteln eingesetzt werden. Deutschland ist hier Weltmarktführer. Andere Chemikalien werden in Katalysatoren oder im Brandschutz eingesetzt. Auch hier ist Deutschland stark in der Produktion vertreten. Eine dritte große Gruppe sind Rohstoffe für Parfums und Klebstoffe. Auch hier ist Deutschland einer der größten Exporteure weltweit.
Maschinenbau
Weitere 18 Abhängigkeiten attestiert CEPII den USA im Bereich Maschinenbau. Laut Weltbank stammten im Vorjahr 25 Prozent aller US-Importe in dieser Warengruppe aus der EU.
Hier spielt zwar auch Airbus mit seinen Flugzeugen eine Rolle, dank Boeing lässt sich hier aber nicht von einer direkten Abhängigkeit der USA sprechen. Bei Flugzeugteilen wiederum sieht das anders aus. Mehr als die Hälfte der Bauteile eines Boeing-Airliners stammen aus dem Ausland, viele aus Europa. So werden etwa die Motoren der neuen 737Max in einem Joint Venture zwischen dem US-Hersteller General Electric und dem französischen Konzern Safran gebaut.
Wirklich abhängig sind die USA aber in anderen Bereichen. Neben der oben erwähnten Medizintechnik trifft das auf viele landwirtschaftliche Maschinen zu. CEPII listet etwa Heumaschinen, Trockner für Holz und Papier, Anlagen zum Sortieren von Eiern und Maschinen für die Geflügelzucht auf. Im Textil-Bereich sind die USA ebenfalls bei der Herstellung vieler Maschinen von der EU abhängig, ebenso bei Geräten zum Graben von Tunneln und bei Rolltreppen und Rollsteigen. US-Handelsverbände warnen auch hier vor den steigenden Kosten durch Zölle, denn die sehr spezialisierte Produktion solcher Maschinen kann nicht schnell von den USA selbst aufgebaut werden.
Lebensmittel
Schlussendlich gibt es auch eine Reihe von Lebensmitteln, die eben nur in Europa hergestellt werden. Damit sind die USA zwangsweise von EU-Importen abhängig, wobei die Frage hier jeweils wäre, wie existenziell wichtig diese Produkte für das Land sind und ob US-Amerikaner zur Not auch darauf verzichten könnten oder mehr bezahlen würden.
Dabei geht es zum Beispiel um Getränke wie Bier (oft aus Deutschland), Weine, Sekt und Champagner, aber auch Spirituosen wie Wodka und Vermouth. Auch bei Oliven und eingelegten Gemüse wie Tomaten und Champignons sind die USA von Europa abhängig.