Vermeintliche Benachteiligung: Subventionen, Diebstahl, Währungstricks: Wogegen sich Trump mit Zöllen zu wehren glaubt
US-Präsident Donald Trump hat gestern „gegenseitige“ Zölle gegen alle Länder und autonomen Gebiete der Welt verkündet mit Ausnahme von Kanada und Mexiko, gegen die bereits vorher Einfuhrzölle verhängt wurden. Und Russland, weil mit diesem durch die US-Sanktionen sowieso kaum Handel stattfände.
Jedes Land erhält dabei seinen eigenen Zoll-Tarif. Dieser berechnet sich nach einer simplen Formel. Trumps Mitarbeiter teilten dabei einfach das Handelsdefizit der USA mit einem Land oder einer Region durch das gesamte Importvolumen der USA aus diesem Land. Für die EU ergibt das einen Wert von 39 Prozent. Diesen klassifizierte die US-Regierung dann als „Zölle gegen die USA“, auch, wenn dieser künstlich geschaffene Wert nichts mit Zöllen zu tun hat.
Wie die USA die Zölle berechnet hat
Um den „gegenseitigen Zoll“ der USA nun zu berechnen, wurde dieser Wert einfach halbiert und wenn nötig aufgerundet. Deswegen wurden Deutschland und die restlichen EU-Länder mit 20 Prozent belegt. Für Länder, die deutlich besser weggekommen wären, gibt es aber einen Mindest-Zoll von 10 Prozent. Am härtesten trifft es das kleine afrikanische Land Lesotho und das französische Überseegebiet Saint Pierre & Miquelon mit seinen 5800 Einwohnern. Beide treiben kaum Handel mit den USA, doch ihre Waren und Dienstleistungen müssen ab sofort mit dem maximal möglichen Wert von 50 Prozent verzollt werden. Dahinter folgen die südostasiatischen Länder Kambodscha und Laos mit 49 beziehungsweise 48 Prozent.
Während Trump die Zölle also als „gegenseitig“ bezeichnet, wurde bei der Berechnung gar kein Augenmerk darauf gelegt, ob andere Staaten tatsächlich Zölle auf US-Produkte erheben. Doch schon bei der Verkündung zeigte das Kleingedruckte auf den offiziellen Tabellen, die Trump in die Kameras hielt, dass es auch um andere Dinge geht. In die Berechnung der ausländischen Zölle seien demnach auch „Währungsmanipulation und Handelshemmnisse“ eingeflossen. Das ist zwar immer noch eine Lüge, da die Formel wie gezeigt nur den Handelsüberschuss und das Handelsvolumen berücksichtigt, gibt aber einen Einblick, was Trump und seine Regierung an der Wirtschaftspolitik anderer Staaten ärgert.
Doch was meint der US-Präsident mit „Handelshemmnissen“ und „Währungsmanipulation“? Es geht vor allem um diese Dinge:
1. Subventionen
Viele Regierungen nutzen Steuergelder, um bestimmte Branchen zu unterstützen. Das kann durch direkte Fördergelder geschehen oder indirekte durch Steuererleichterungen oder günstige Kredite. In Deutschland gibt es den ersten Fall etwa in der Bauwirtschaft, wo Sie als Bauherr direkte Fördergelder etwa für den Bau energieeffizienter Häuser oder den Einbau einer Wärmepumpe bekommen. Indirekte Fördergelder wären hier etwa günstige KfW-Kredite für den Hausbau. Indirekt werden in Deutschland etwa auch energieintensive Unternehmen durch niedrigere Strompreise, Bauern durch die Agrardieselrückerstattung und Airlines durch die Steuerbefreiung von Kerosin und Flugtickets subventioniert.
Branchen mit Staatsgeldern fördern
In anderen Staaten profitieren andere Branchen in anderer Weise von solchen Subventionen. Die USA ärgern sich nicht generell darüber, argumentieren aber, dass einige dieser Subventionen den Weltmarkt zu Ungunsten der USA beeinflussen. Ziel dieser Angriffe ist etwa China, welches bestimmte Branchen gezielt mit Staatsgeldern aufbaut und die internationale Konkurrenz ausbooten möchte, indem es den Markt mit günstigen, subventionierten Produkten flutet. Das klassische Beispiel dafür sind etwa Solarmodule, gegen die deswegen auch die EU schon Zölle verhängte. Ausländische Unternehmen könnten sonst mit Chinas Dumping-Preisen nicht konkurrieren und würden untergehen.
Auch mit Südostasien hat Trump Probleme. Länder hier locken gerade Produktionsbetriebe mit Steuervorteilen in Sonderwirtschaftszonen an. Vietnam etwa nannte der US-Präsident 2019 den „schlimmsten Ausbeuter von allen“.
Im Falle Deutschlands und der EU sieht Trumps Regierung eine ähnliche Wettbewerbsverzerrung in unseren Subventionen für die Landwirtschaft, die US-Importe unattraktiv macht. Seit Jahren herrscht zudem Streit um Subventionen für den Flugzeugbauer Airbus, der den US-Konkurrenten Boeing mit Staatsgeldern auszustechen versuche. Hier hatte die Welthandelsorganisation WTO schon gegenseitige Zölle erlaubt.
2. Währungsmanipulation
Der internationale Handel wird maßgeblich von den Wechselkursen zwischen verschiedenen Währungen bestimmt. Beispiel: Eine deutsche Firma stellt ein Produkt her und verkauft das für 100 Euro. Beim aktuellen Wechselkurs von 1,11 Dollar pro Euro müsste ein US-Einkäufer also 111 Dollar dafür bezahlen. Wäre ein Euro jetzt aber statt 1,11 nur noch 1,05 Dollar wert, würde auch der Preis für den US-Käufer um 6 Dollar auf 105 Dollar sinken. Je schlechter also der Wechselkurs einer Währung, desto günstiger werden Exporte.
Trump beschuldigt nun eine ganze Reihe von Ländern, ihre Währungen gezielt abzuwerten, also die Wechselkurse zu verschlechtern, um den jeweiligen Export zu unterstützen. Schon vor seiner ersten Wahl 2016 warf er das zum Beispiel China vor. 2019 ernannte er das Land offiziell zum „Währungsmanipulator“, gab diese Bezeichnung aber schon ein Jahr später wieder auf. Auch Japan, Südkorea, Deutschland und der Eurozone, der Schweiz und Vietnam warf er zu verschiedenen Zeitpunkten entsprechende Manipulationen vor.
Staat kann Währung auf- oder abwerten
Ein Staat kann eine Währung über die Zentralbank auf- oder abwerten, wobei der Einfluss diskutabel ist. Als Instrument dafür käme etwa in Frage, an der Börse gezielt die eigene Währung zu verkaufen, um mit dem höheren Angebot den Preis zu drücken. Das habe etwa die Europäische Zentralbank (EZB) in Trumps Augen mit ihrem langjährigen Anleihenkaufprogramm gemacht. Das wiederum habe vor allem der deutschen Autoindustrie geholfen. Allerdings: Die US-Notenbank Fed hatte zu der Zeit selbst ein weit größer angelegtes Anleihenkaufprogramm. In beiden Fällen ging es vor allem darum, die Inflation anzutreiben – weniger darum, die Währung zu manipulieren.
Trotzdem hat Trump mit seinen Anschuldigungen nicht ganz Unrecht: China etwa galt nach Ansicht internationaler Experten von 2003 bis 2014 als Währungsmanipulator. In dieser Zeit kaufte die chinesische Zentralbank gezielt US-Dollar auf, um die Währung gegenüber dem Renminbi Yuan zu stärken. Die Praxis stellte China 2014 allerdings ein. In allen anderen Fällen gab es plausible andere Gründe für die jeweiligen staatlichen Eingriffe in die Währung.
3. Diebstahl geistigen Eigentums
2016 wurde in China der Staatsbetrieb Fujian Jinhua gegründet. Die Firma stellt Halbleiter her, bei denen das Land in diesem Jahr zu 70 Prozent autark werden möchte. Die neue Firma warb entsprechend aggressiv bei Konkurrenten talentierte Mitarbeiter ab. Unter anderem wechselten drei Angestellte des US-Konzerns Micron Technology nach China. Dort gaben sie geheimes Wissen aus ihrer Zeit in den USA an Fujian Jinhua weiter. Micron verklagte den US-Konkurrenten daraufhin.
Der Fall ist symptomatisch für das, was die US-Regierung unter Trump macht. Die Behauptung steht im Raum, dass allen voran China massenhaft US-Industriegeheimnisse ausspionieren würde – entweder wie bei Micron geschehen über Mitarbeiter, aber auch über Hackerangriffe. Neben China beschuldigen die USA dabei Russland und den Iran. Aber: Meist bleibt es bei Anschuldigungen. Fujian Jinhua wurde etwa vergangenes Jahr aus Mangel an Beweisen von einem US-Gericht freigesprochen. Zu dem Zeitpunkt war die chinesische Firma aber schon insolvent, weil Trump sie 2018 auf eine schwarze Liste von Firmen gesetzt hatte, die keine US-Produkte mehr verwenden oder in den USA handeln dürfen.
Etwas anders sieht es für den Fall aus, dass ausländische Firma direkt US-Patente oder Markenrechte missachten. Das ist besonders in China und dem südostasiatischen Raum der Fall.
4. Sonstige Handelshemmnisse
Über die drei genannten Punkte hinaus gibt es noch eine Reihe weiterer Punkte, die Trump kritisiert. Im Falle Deutschlands und der EU sind das etwa unsere hohen bürokratischen und qualitativen Standards, etwa die Emissionsgrenzen bei Autos oder Regelungen zu Hormonfleisch, welche US-Konzernen effektiv den Marktzugang erschweren, wenngleich sie nicht dazu erschaffen wurden.
Auch Importquoten, mit denen etwa Kanada operiert, notwendige Lizenzen oder andere Hindernisse zum Marktzugang, die es etwa in China und Indien gibt und Regelungen wie jene, dass digitale Daten von Bürgern in Ländern wie Indien und Russland nur auf Servern im selben Land gespeichert werden dürfen, benachteiligt US-Unternehmen nach Trumps Ansicht.
Helfen Zölle gegen diese Handelshemmnisse?
Vieles dessen, was Trump und seine Regierung als Handelshemmnis und als Angriff auf die USA wahrnehmen, ist in Wirklichkeit nicht gegen Amerika gerichtet – oder schlicht nicht wahr. Von daher ist es unwahrscheinlich, dass China seine groß angelegten Subventionsprogramme wegen US-Zöllen aufgibt oder die EU seine hohen Qualitätsstandards bei vielen Produkten absenkt. Zölle, gerade in der Breite, wie sie Trump nun verkündet hat, sind daher mehr die Taktik eines Schulhof-Raufbolds. „Das ist typische, einseitige Schikane“, ließ etwa das chinesische Handelsministerium ausrichten. „Da steckt keine Logik dahinter“, sagte Australiens Premierminister Anthony Albanese.