Zollkrieg: Warum der Einkauf im Supermarkt, ihr kleinstes Problem sein wird
Donald Trump macht Ernst – oder blufft er wieder? Am Wochenende hat der US-Präsident der Europäischen Union (EU) einen Brief geschickt. In diesem kündigt Trump ab dem 1. August Zölle von 30 Prozent auf alle Warenimporte aus der EU an. Diese würden wohl die aktuellen Zölle von pauschal zehn Prozent ablösen, die seit April gelten. Davon betroffen sind laut den Volkswirten der Commerzbank etwa 60 Prozent aller Warenausfuhren aus der EU in die USA. Für Stahl- und Aluminiumprodukte gelten abgesehen davon weiterhin sogenannte sektorale Zölle von 25 und 50 Prozent.
Wie wahrscheinlich sind Zölle?
Noch ist gut zwei Wochen Zeit für Verhandlungen – und genau darauf setzt die EU. Sie will weiter mit Trump verhandeln, vor allem Deutschland drängt darauf, eine Einigung anzustreben.
Gelingt das nicht, würde Europa mit Gegenzöllen antworten; besonders Frankreich pocht darauf. Die Franzosen haben auch deutlich weniger zu verlieren als Deutschland: Nach Berechnungen der Commerzbank umfassten ihre Exporte in die USA 2024 nur Waren im Wert von etwa 60 Milliarden Dollar, die Wertschöpfung daraus machte 0,8 Prozent ihres BIP aus. Dagegen hat Deutschland Waren im Wert von 160 Milliarden Dollar in die USA exportiert, die Wertschöpfung daraus trug immerhin 1,6 Prozent zu unserem BIP bei. Das Doppelte.

Doch selbst, wenn der Streit beigelegt wird, wird das Zollniveau danach höher sein als noch Anfang 2025, warnen die Commerzbank-Experten: Man gehe davon aus, dass in den kommenden Monaten ein Rahmenvertrag zwischen den Handelsblöcken geschlossen wird "und der durchschnittliche US-Importzoll gegenüber Waren aus Europa sich bis zum Herbst bei etwa 15 Prozent einpendelt".
Steigen bei uns die Preise, wenn Trump Zölle einführt?
Nein, zumindest nicht was Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs betrifft. Donald Trump erzählt die Geschichte immer so, als müssten von ihm angeschriebenen Länder höhere Zölle zahlen. Das stimmt nicht: Zölle zahlen nicht die Absender, sondern diejenigen, die diese Waren in die USA importieren. Weil die Importeure diese Zusatzkosten auf die Endkunden umlegen, steigen zunächst einmal die Preise in den USA.
Die Trump-Administration vertraut jedoch darauf, dass die ausländischen Produzenten die Preise für ihre Waren senken werden, um die Nachfrage der US-Konsumenten aufrechtzuerhalten. So hatten chinesische Produzenten reagiert, nachdem Trump in seiner ersten Amtszeit Zölle auf Waren aus China eingeführt hatte. Am Ende änderten sich die Preise für US-Verbraucher kaum.
Solche Preissenkungen drücken die Gewinne der Hersteller. Dass die dann zum Ausgleich hierzulande die Preise erhöhen, wäre denkbar. Es gilt aber als unwahrscheinlich, weil ein Konkurrenzkampf herrscht und Preiserhöhungen die Nachfrage nach den betroffenen Produkten zusätzlich drücken würden.
Was passiert, wenn die EU Gegenzölle einführt?
Dann würden auch importierte Waren aus den USA in Europa teurer. Bei ihrem Wocheneinkauf würden Verbraucher das kaum merken. Denn Deutschland importiert fast keine Lebensmittel und – abgesehen von Spirituosen wie Whisky – auch kaum sonstige Konsumgüter aus den USA. Die wichtigsten US-Importprodukte sind Flugzeuge (z.B. von Boeing), Maschinen und Motoren, Fahrzeuge und Fahrzeugteile (z.B. von Ford oder Jeep), pharmazeutische Produkte wie Lifestyle- (Viagra) oder Krebsmedikamente, Rohöl und raffinierte Ölprodukte (z.B. Diesel) sowie – seit der Energiekrise – Flüssiggas (LNG). Außerdem importieren wir Sojabohnen, Trockenfrüchte sowie Erdnüsse aus den USA. Diese ließen sich aber möglicherweise aus anderen Quellen beziehen. Weltgrößter Produzent von Sojabohnen ist beispielsweise Brasilien.

Darüber hinaus könnten bestimmte Elektronikprodukte teurer werden. Allerdings lassen Dell (Laptops), HP (Drucker) oder Apple (iPhones) heute schon in Asien fertigen, sodass diese Produkte, wenn sie von dort zu uns kommen, möglicherweise nicht mit Gegenzöllen belegt werden. Unklar ist, ob eine von der EU angedrohte Digitalsteuer auf die Gewinne aus virtuellen Dienstleistungen wie Software, Internetplattformen wie Google, Facebook oder auch Netflix diese zu Preiserhöhungen verleiten würden. Da dafür bislang ein Steuersatz von drei Prozent diskutiert wird, rechnen Experten eher nicht mit einer Reaktion. Wenn doch, wären die daraus abzuleitenden Preiserhöhungen gering.
Könnten Trumps Zölle Produkte bei uns billiger machen?
Das ist möglich, denn Waren und Rohstoffe, die nicht mehr in den USA verkauft werden können, kommen dann in anderen Teilen der Welt auf den Markt und erhöhen dort das Angebot. Doch der Zusammenhang ist nicht immer eindeutig. Ein Beispiel:
Vergangene Woche sprang der Kupferpreis in den USA um zehn Prozent nach oben, nachdem der US-Präsident einen Einfuhrzoll von 50 Prozent angekündigt hatte. Allerdings zogen die Kupferpreise in Europa nicht in gleichem Maße nach. Denn es gibt zwei gegenläufige Effekte:
- Amerikanische Produzenten und Investoren, die auf Kupfer spekulieren, deckten sich mit dem Rohstoff ein, bevor der Zoll in Kraft trat. Das trieb die Preise nach oben.
- Mittelfristig könnte jedoch die nachlassende Nachfrage der USA, die selbst der zweitgrößte Kupferproduzent der Welt sind, zu einem größeren Angebot an Kupfer auf den Weltmärkten führen. Dann würden dort die Preise sinken.

Beispiel Kaffee: Trump will Waren aus Brasilien generell mit einem Zoll von 50 Prozent belegen. Von dort importieren die USA Schätzungen zufolge jedoch mehr als ein Viertel ihres Kaffeebedarfs. Würden die USA versuchen, diese Menge aus anderen Ländern zu bedienen, etwa mit Kaffee der Sorte Robusta aus Vietnam, könnte diese Zusatznachfrage dort die Preise steigen lassen - auch für alle anderen Abnehmer von Robusta. „Allerdings sieht das bilaterale Handelsabkommen (der USA mit Vietnam) einen Zollsatz von 20 Prozent vor, der auch auf US-Kaffeeimporte aus Vietnam zu entrichten wäre“, gibt die Commerzbank zu bedenken. Selbst wenn es zu einer teilweisen Umleitung der Handelsströme käme, müssten die USA aller Voraussicht nach Kaffee mit höheren Zollsätzen importieren.
Umgekehrt könnte der Rest der Welt mit einem höheren Angebot an Arabica-Kaffee aus Brasilien rechnen, was die Preise drücken würde.
Solche Mechanismen werden bei sehr vielen Warengruppen zu beobachten sein. Es ist noch völlig unklar, in welche Richtung das Pendel am Ende ausschlägt; weil die Weltwirtschaft so etwas noch nie erlebt hat.
Werden Autos aus Japan und Korea mit hohen Rabatten auf den europäischen Markt gedrückt, weil sie bereits produziert und nun „übrig“ sind? Und wenn ja: wie lange? Wie schnell werden die Hersteller ihre Produktion anpassen, um so ein Szenario gar nicht erst entstehen zu lassen? Auch der Ölpreis dürfte wieder fallen, wenn die Wirtschaftsleistung weltweit zurückgeht; vorausgesetzt der Iran-Konflikt entbrennt nicht von neuem.
Auch Elektronik aus China könnte vorübergehend günstiger werden, weil Smartphones, Tablets oder Fernseher statt in den USA in Europa verkauft werden. Vorausgesetzt, das ist technisch möglich. Geräte mit einem Stecker, die auf das 110-Volt-Netz in Amerika ausgelegt sind, lassen sich nämlich hierzulande nicht einsetzen.
Doch das alles ist relativ unbedeutend im Vergleich zu dem wahren Grund, warum europäische Politiker einen Handelskonflikt vermeiden wollen.
Es gibt ein viel größeres Risiko: den Verlust von Arbeitsplätzen
Passiert also gar nichts, wenn Trump Ernst macht? Doch, es hat sogar ernst Folgen für uns alle. Aber diese spielen sich auf der Einnahmenseite ab:
Unternehmensgewinne brechen ein
Deutsche Autohersteller bauen zwar selbst auch einige Fahrzeugmodelle in den USA, dennoch ist der Export dorthin Import ein wichtiger Faktor. Das gilt erst recht für ihre Zulieferer. Deutsche Hersteller weisen derzeit, vor Zinsen und Steuern, Gewinnmargen zwischen zwei (Volkswagen) und knapp zehn Prozent auf (BMW, Mercedes). Sie könnten also Zölle von 30 Prozent gar nicht durch Preissenkungen abfedern, ohne mit tief in die Verlustzone zu geraten. Geben sie die Zollkosten jedoch an ihre Kunden in den USA weiter, sinkt vermutlich die Nachfrage nach Fahrzeugen.
Gleiches gilt für Chemiekonzerne (BASF), Chiphersteller (Infineon), den Flugzeughersteller Airbus oder die deutschen Maschinenbauer.
Arbeitsplätze gehen verloren
Sinkt die Nachfrage, fallen auch die Umsätze und damit die Gewinne. Die Folge: Die Produktion hierzulande wird gedrosselt, nicht mehr benötigte Jobs werden abgebaut. Dadurch würde die Arbeitslosigkeit in Deutschland weiter steigen. Es könnte außerdem zu Zweitrundeneffekten kommen, wenn wegen der Umlenkung von Warenströmen (siehe oben) hierzulande das Angebot bestimmter Güter zunimmt, deren Preis sinkt und deshalb die Nachfrage nach und die Umsätze heimischer Hersteller zusätzlich gedrückt werden.
Die Wirtschaft schrumpft
„Sollten diese Zölle tatsächlich in Kraft treten, könnten sie der deutschen Wirtschaft einen Schaden in Höhe von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts innerhalb von zwei Jahren zusetzen“, schreiben die Volkswirte der Commerzbank. Bedenkt man, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr Prognosen zufolge nur um 0,2 Prozent wachsen wird und 2026 um 1,4 Prozent, könnte uns das in eine Rezession zurückwerfen.
Und jeder Arbeitsplatz, der verloren geht, bedeutet auch weniger Konsum, was unter anderem den Einzelhandel und das Gaststättengewerbe treffen würde.
Die staatlichen Haushaltsdefizite wachsen
Geht die Wirtschaftsleistung zurück, sinken auch die Steuereinnahmen. Das würde neue Löcher in die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen reißen und womöglich zu einer Erhöhung der Abgabenlast für die Bürger führen.
Die Haushaltseinkommen sinken
Mit den Jobverlusten sinken auch die Einkommen, der Konsum geht zurück. Das wäre der Beginn einer Abwärtsspirale, die die Unternehmen zu neuen Sparmaßnahmen zwingen würde.
Was ist die Alternative?
Die deutsche Wirtschaft muss sich neue Absatzmärkte suchen oder bestehende vergrößern, um die Lücke, die ein Nachfrageausfall der USA reißen würde, zu schließen. Dieser Anpassungsprozess dauert jedoch Jahre und er wird nicht für alle Branchen gleichermaßen möglich sein.
Sollten sich Unternehmen entschließen, Trumps Forderung zu folgen und verstärkt Fabriken in den USA zu errichten und Teile der Fertigung dorthin zu verlagern, wären diese Arbeitsplätze in Deutschland für immer verloren.
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