„Erstaunliche Überschneidungen“ - Genaue Analyse der AfD-Empfehlung zeigt, dass Text kaum von Elon Musk stammen kann

Ein in der „Welt am Sonntag“ veröffentlichter Beitrag sorgte Ende vergangener Woche für reichlich Ärger im politischen Berlin. Darin warb der Unternehmer Elon Musk, seines Zeichens reichster Mensch des Planeten und Sonderberater des künftigen US-Präsidenten Donald Trump, offensiv für die AfD. 

Die in Teilen gesichert rechtsextreme Partei, so Musk, sei der letzte Funken Hoffnung, den Deutschland noch habe.

Musk hat die AfD-Wahlempfehlung wohl gar nicht selbst verfasst

Doch nun legen Tagesspiegel-Recherchen nahe, dass Musk den umstrittenen Beitrag gar nicht selbst geschrieben haben könnte. Und auch keiner seiner Leute. 

Sondern eine Künstliche Intelligenz (KI): Das Sprachmodell Grok, das Musk mit seinem Konzern xAI selbst entwickelt hat.

Um den Jahreswechsel sorgte Musks Beitrag für tiefe politische Verstimmung. In fünf Unterpunkten dekliniert der Tesla- und SpaceX-Chef darin durch, warum er den Deutschen dazu rät, am 23. Februar die AfD zu wählen: wirtschaftliche Wiederbelebung, Zuwanderung und nationale Identität, Energie und Unabhängigkeit, politischer Realismus, Innovation und Zukunft.

In allen Belangen, schreibt Musk, sei die AfD die einzige Partei, die gewillt sei, den Status quo aufzubrechen und für echten Wandel zu sorgen. Deshalb solle man sich nicht „von dem angehefteten Label“ als extremistische Partei beirren lassen, sondern sich deren Politik und die Wirtschaftspläne anschauen – die im Text übrigens teils falsch wiedergegeben werden.

Aber was wäre, wenn Elon Musk den Beitrag gar nicht selbst geschrieben hätte? Wenn die „Welt am Sonntag“ keinen kontroversen Gastbeitrag eines der mächtigsten Menschen des Planeten abgedruckt hätte, sondern einen KI-generierten Text, erstellt in Sekunden? 

"Dass bei verschiedenen Prompts eine ähnliche Struktur herauskommt, spricht dafür, dass auch das Original KI-erzeugt sein könnte" (KI-Experte Reinhard Karger über Musks Gastbeitrag)

Die Hinweise darauf, dass dies so sein könnte, sind frei im Internet verfügbar – in Musks eigenem Produkt. Beauftragt man nämlich sein Sprachmodell Grok damit, einen Meinungsartikel für eine konservativ eingestellte Zeitung zu schreiben, der zeigt, warum nur die AfD Deutschland retten könne, spuckt das Programm einen Text aus, der Musks „Welt“-Beitrag zum Verwechseln ähnelt. In Ton, Argumentation, Struktur – und an vielen Stellen auch wörtlich.

Dutzende wörtliche Überschneidungen mit Version von Grok 

Wie Musks Gastbeitrag beginnt auch der KI-generierte Text mit den Worten: „Deutschland steht an einem kritischen Punkt – seine Zukunft taumelt am Rande des wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenbruchs“. 

Wenig später folgt in beiden Texten jene Formulierung, die vielen in Deutschland besonders sauer aufgestoßen ist: Die AfD, heißt es, sei der letzte Funken Hoffnung für Deutschland. Es folgen Dutzende weitere, teils wörtliche Überschneidungen.

Ein Zufall? Reinhard Karger vom Deutschen Zentrum für Künstliche Intelligenz glaubt daran nicht, vielmehr geht er davon aus, dass Musks Originaltext KI-generiert sein könnte: „Es gibt keinen anderen Grund, warum ein Sprachmodell etwas so Ähnliches auswerfen sollte“, sagt der KI-Experte. 

Überschneidungen „höchst erstaunlich“

Die Überschneidungen zwischen Musks Beitrag und Groks KI-Antwort, so Karger, seien „höchst erstaunlich“.

Könnte dann womöglich schlicht der viel besprochene und prominent diskutierte Beitrag bereits Einzug in die Trainingsdaten des Sprachmodells gehalten haben? Musks Gedanken sozusagen schon zur Grundlage für Musks KI geworden sein?

Unwahrscheinlich, sagt Experte Karger: „Diese mangelnde Echtzeitfähigkeit von Sprachmodellen ist ein großes Problem, an dem hart gearbeitet wird“. Wenn es ausgerechnet xAI gelöst hätte, dann wüsste man das. Dagegen spricht auch, dass leicht veränderte Texte herauskommen, wenn man Grok dieselbe Aufgabe an verschiedenen Geräten stellt: Einzelne Formulierungen ändern sich, doch Ton und Argumentation bleiben gleich.

Struktur des Textes nahezu identisch mit Musks Gastbeitrag

Ebenso die Struktur des Textes, den Grok auf die Frage nach einem Meinungsartikel produziert: Sie ist immer nahezu identisch mit Musks Gastbeitrag. Nach einer kurzen Einleitung wird jedes Argument mit Stichpunkten anmoderiert, die denen aus der „Welt am Sonntag“ ähneln: wirtschaftliche Wiederbelebung, kulturelle Integrität, politischer Realismus etwa.

Ebenfalls auffällig: Diese Struktur bleibt auch erhalten, wenn man den Inhalt der Anfrage ändert, etwa einen Text produzieren lässt, nach dem nur Kanzler Olaf Scholz oder Grünen-Chef Robert Habeck Deutschland retten können sollen.

„Dass bei verschiedenen Prompts eine ähnliche Struktur herauskommt, spricht dafür, dass auch das Original KI-erzeugt sein könnte“, sagt DFKI-Mann Karger. 

Dann würde das Sprachmodell nämlich schlicht davon ausgehen, dass auf die Frage nach einem Meinungsartikel die entsprechende Textform folgen müsse.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Musks Gastbeitrag von einer KI verfasst wurde, gilt als „hoch“

Bereits vor Veröffentlichung des Musk-Beitrags hegten zudem mehrere Mitarbeiter von „Welt“ und „Welt am Sonntag“ den Verdacht, dass der betreffende Text von einer KI geschrieben sein könnte. Das erfuhr der Tagesspiegel aus Verlagskreisen. 

Mindestens drei Mitarbeiter hätten demnach noch vor Heiligabend überprüft, ob der Gastbeitrag von Grok stammen könnte – mit ähnlichen Ergebnissen wie die des Tagesspiegels. Diese habe man an die Führungsebene kommuniziert. Offenbar ohne Gehör zu finden.

Für viele KI-Detektoren – online verfügbare Programme, die KI-generierte Texte erkennen sollen – ist die Sachlage derweil klar. Laut allen gängigen Anbietern, die allerdings keine absolute Verlässlichkeit versprechen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Musks Gastbeitrag von einer KI verfasst wurde, „hoch.“

Musk selbst sieht in Künstlicher Intelligenz nach eigener Aussage eine Technik, die „die Welt verändern wird“, wie er gerne betont. 

Gleichzeitig warnt er jedoch davor, dass KI mitunter Demokratien zerstören könne. Wenn es um die Verbreitung seines politischen Willens geht, könnte es jedoch sein, dass ihm das egal ist.

Von Dennis Pohl, Ulrich Amling