Lokalpolitik und Landwirte kämpfen für die traditionelle Weidehaltung

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Eine Idylle - noch: (v.r.) Christian, Iris und Johannes Lang mit Konrad Knoll vom AELF auf der Weide der Landwirte bei Burggen. © AELF Weilheim

Bauernhöfe mit dauernder Anbindehaltung soll es bald nicht mehr geben. Auch Landwirte, die ihre Kühe im Sommer täglich auf die Weide treiben, mussten bis vor kurzem befürchten, ihren Betrieb aufgeben zu müssen. Gegen ein solches Verbot haben Politiker und Verbände erfolgreich gekämpft. Doch ein Passus bereitet weiter Sorge.

Burggen - Bis auf eine Kuh, die gesundheitliche Probleme hat, und einige Kälber ist der Stall von Christian (59) und Iris Lang (57) leer. Klar, kurz nach Mittag sind die rund 30 Tiere an diesem sonnigen Freitag auf der Weide. Doch es könnte sein, dass der Stall bald dauerhaft verwaist ist. Denn sollten die Pläne der Bundesregierung wie geplant umgesetzt werden, könnte Bauern mit kleinen Betrieben wie den Langs in Burggen das Aus drohen.

Deshalb haben sich an diesem Tag viele Unterstützer eingefunden, von Landrätin Andrea Jochner-Weiß und mehreren Bürgermeistern über Stefan Gabler, Leiter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, bis zu Thomas Müller, Geschäftsführer beim Bauernverband im Landkreis. Es gehe um die Zukunft der Landwirtschaft, wie wir sie kennen, sagte die Landrätin, vor allem Betriebe im Nebenerwerb seien dadurch bedroht.

Kühe sollen auch im Winter zwei Mal pro Woche raus

Knackpunkt ist eine Vorgabe, die viele Fachleute für völlig irrwitzig halten: Dass Kühe in Anbindehaltung auch im Winter zwei Mal pro Woche ausreichend Auslauf im Freien haben müssen. „Das macht keinen Sinn und ist ausgedacht von Leuten, die keine Ahnung von der Praxis haben“, sagt Gabler.

Unterstützer auf dem Hof von Familie Lang in Burggen.
Große Unterstützung gibt es für das Anliegen von Politik und Verbänden. © Boris Forstner

Ruhig und besonnen berichtet das Ehepaar Lang, was die neue Regel für sie bedeuten würde. Ihr Hof liegt an der St. Anna-Straße mitten in Burggen, eine landwirtschaftliche Hofstelle nach der anderen reiht sich dort entlang. Doch tatsächlich bewirtschaftet mit mehrmals täglichem Weidegang werden nur noch vier, alle anderen haben bereits aufgegeben – mit fatalen Folgen auch für die Dorfentwicklung, wie auch Bürgermeisterin Sandra Brendl-Wolf weiß.

Mit mobilem Melkstall auf der Weide

„Ende April bis Anfang November sind unsere Kühe auf der Weide“, sagt Christian Lang. Die sind rund 500 bis 1000 Meter entfernt – schon im Sommer ist es keine leichte Aufgabe, die Tiere auszutreiben, denn auf der Nebenstraße ist durchaus ordentlich Verkehr und die Autofahrer nicht immer freundlich. Dank eines mobilen Melkstalls, bei dem auf der Weide gemolken werden kann, können die Kühe im Sommer sogar fünf bis sechs Wochen dauerhaft auf der Weide bleiben. „Das ist sehr schön, aber nur bei gutem Wetter“, sagt Iris Lang.

Doch schon Ende Oktober, wenn die Nächte kälter werden, sei es oft schwer, die Tiere nach draußen zu bewegen. „Die wollen nicht mehr raus, die bleiben dann lieber im Stall“, sagt Iris Klein. Wie sie die Kühe bei Schnee und Minusgraden ins Freie bewegen sollen, ist für die Kleins noch ein Rätsel.

Laufstall von Familie Lang aus Burggen
So schaut der Stall für die rund 30 Kühe aus. © AELF Weilheim

Zumal auf der mit nur 1800 Quadratmetern Grund sehr engen Hofstelle gar kein Platz besteht, die Kühe ins Freie zu bringen. Sie müssten vorne über die Straße raus, an den direkten Nachbarn vorbei hinter den Stall auf die im Boden eingelassene Güllegrube – wie das funktionieren soll, ohne die Tiere bei Eis und Schnee großen Rutschgefahren auszusetzen, wissen auch die anwesenden Fachleute nicht. „Außerdem gibt es auch Rangordnungskämpfe unter den Kühen“, weiß Gabler. Im Frühjahr auf der Weide sei das nach einer Woche geklärt. „Das könnte künftig bei jedem Austrieb wieder passieren“, fürchtet er.

1982 brannte Stall nieder

Die Eltern der Langs hatten das Wohnhaus am Stall 1980 neu gebaut, 1982 brannte der Stall nach einem Blitzschlag ab. Deshalb ist der Anbindestall optisch ansprechender als viele ältere, es war aber auch keine Option, auszusiedeln und einen modernen Laufstall zu bauen, wenn das Wohnhaus noch im Dorf ist.

Als Christian und Iris Lang den Betrieb 1998 übernahmen, beließen sie es beim Status quo – weil sie mit der Betriebsgröße zufrieden waren (er liegt immer noch im Durchschnitt im Landkreis), weil sie nicht mit anderen um die knappen Flächen für mehr Futter konkurrieren wollten und auch aus finanziellen Gründen. „Ein Laufstall lohnt sich eigentlich erst ab 50 Kühen“, sagt Konrad Knoll vom Landwirtschaftsamt, und heutzutage müsste man dafür mit Kosten bis zu 1,5 Millionen Euro rechnen.

Es kommt also auf die Politik an, ob der 19-jährige Sohn Johannes mal den Hof übernimmt. Er lernt derzeit Elektrotechniker, „weil der Vater gemeint hat, dass eine andere Ausbildung vorher immer gut ist“, wie er sagt. Laut Gabler drängt die Zeit: Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf bereits abgesegnet, jetzt müsse man im parlamentarischen Verfahren noch Änderungen erreichen. Wie bereits im Nachbarlandkreis Garmisch-Partenkirchen, soll ein Brief mit der Unterschrift möglichst aller 34 Bürgermeister abgeschickt werden. Und es betrifft viele wie Familie Lang: „Von den noch 1000 Kuhhaltern im Landkreis haben die Hälfte 30 oder weniger Kühe“, so Gabler.

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