Besondere Foto-Ausstellung zum Thema Alter im Ballenhaus
„Lebensspuren“ heißt die Fotoausstellung, die Regina Nieberle und Tobias Fuhrmann vorbereiten. Seit einem Jahr organisieren die beiden Fotoshootings mit älteren Menschen. „Wir zeigen das Alter aus unserem Blickwinkel.“ Ein Umdenken in der Gesellschaft sei dringend notwendig.
Schongau - Es dürfte eine ganz besondere Fotoausstellung werden im Ballenhaus Schongau vom 28. bis zum 30. Juni. Regina Nieberle und Tobias Fuhrmann haben sich in einem inklusiven Projekt mit dem Thema Alter auseinandergesetzt. „Regina ist auf mich zugekommen mit der Idee, weil sie es als demütigend empfindet, wie in der Pflege oft ältere Menschen dargestellt werden“, erzählt Fuhrmann. Das typische Bild, von dem er spricht: Eine pflegende Person kniet sich lächelnd neben einen alten, im Bett liegenden Patienten, und hält dessen Hand.
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„Regina kam mit mehreren Ansätzen, wie man das besser und anders darstellen könnte“, erinnert sich der Fotograf. Ziel: Die älteren Menschen nicht aufs Abstellgleis zu stellen, sondern sie weiter teilhaben lassen am Leben in der Gemeinschaft. „Jedes Bild erzählt eine Geschichte, jedes Lächeln birgt eine Erfahrung, und jede Falte erinnert an gelebte Jahre voller Liebe, Freude und Weisheit“, heißt es auf dem Flyer, der für die Ausstellung wirbt. Titel der Fotoschau: „Lebensspuren – Die Schönheit des Alterns“.
Emotionale Hochzeit in hohem Alter
„Tobi war von der ersten Sekunde an dabei“, so Nieberle, die Mitinhaberin ist beim Pflegeteam WaNiKa, ein ambulantes Pflegeteam, das auch zwei Tagespflegen in Rott und Utting betreibt. Gemeinsam habe man sich passende Settings für die Fotoaufnahmen überlegt. Sie erzählt von einer diamantenen Hochzeit eines Paares, Paul über 90 Jahre alt, Christine etwas jünger. Die beiden hätten sich richtig schön hergerichtet, er mit Lederhose, sie im Hochzeitskleid.

„Wir waren zum Fotografieren in einem Garten bei schönstem Wetter, es war brutal emotional dieser Augenblick“, erzählt Nieberle. Auch Fuhrmann erinnert sich, dass der ältere Herr sehr ergriffen darüber gewesen sei, seine Frau noch einmal in so einem schönen Kleid zu sehen. „Im Alltag ziehen viele der Menschen nur noch selten etwas ganz Schickes an, umso schöner ist dann vielleicht auch das Gefühl, noch einmal die Dame zu verkörpern, die man einmal war“, beschreibt es Nieberle.
Man kann nicht mehr in Würde altern
Das Alter werde in der Regel mit negativen Dingen in Verbindung gebracht: mit Krankheit, schlechten Gerüchen, Inkontinenz, so die junge Frau aus Germaringen. „Das Projekt soll ermutigen, rauszugehen, das Leben zu leben.“ So fand etwa ein Fotoshooting im „Skyline Park“ statt. Martin und Willy, die beiden Männer, die sie dort fotografierten, hätten sich gefreut wie kleine Kinder, lacht Nieberle.
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Gerade bei solchen Außenterminen war Fuhrmann froh um die Fachfrau an seiner Seite. Das habe ihm die Arbeit erleichtert und Sicherheit gegeben. „Und ich wusste, dass ich mit Tobi einen guten Partner habe“, beschreibt es Nieberle.
Sie musste über Trümmerberge und Leichenreste klettern
Vor ziemlich genau einem Jahr packte das Team erstmals die Kamera ein, 14 Fototermine waren es bisher, einer soll noch folgen. Ausgesucht haben Nieberle (30) und Fuhrmann (39) Menschen unterschiedlichen Alters, von Ü70 bis Ü90 sei alles dabei gewesen. Schon jetzt kann man Ursula begegnen. Sie blickt den Betrachter des Ausstellungs-Flyers versonnen an, hält ein großes rotes Herz in der Hand und hat eine Botschaft: „Nie wieder Krieg.“ Sie sei in Berlin verschüttet gewesen, habe als junge Frau über Trümmerberge und Leichenreste klettern müssen, daher ihr Statement, berichtet Nieberle über die Hintergründe.
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Cala wiederum trägt auf einem der Bilder ein rotes Kleid. „Auch ihr Statement fand ich cool: Ihr ist es wichtig, schön zu sterben. Das ist ein Ansatz, den man selten hört.“
Was Nieberle nämlich festgestellt hat in ihrem Berufsalltag: „Wir haben verlernt, das Alter mitzunehmen, man kann nicht mehr in Würde altern, und viele machen sich keine Gedanken über die Endlichkeit.“ Oftmals werde auch vergessen, was die ältere Generation geleistet habe, übersehen, mit welchen Privilegien man selbst aufgewachsen sei. „Wir brauchten erst eine Pandemie, bis jemand einen älteren Menschen fragt, ob er für ihn Einkaufen gehen soll.“
Begleitend zur Vernissage eine Musikshow
Andere Länder seien teilweise viel weiter, etwa im Bereich Barrierefreiheit. Nieberle wünscht sich ein Umdenken: „Gebrechlichkeit, Krankheit und Alter kann man aber nicht wegignorieren.“ Auch Fuhrmann hofft, dass Menschen durch die Ausstellung angeregt werden, sich zu engagieren. Einige Menschen hatten sie im Vorfeld der Projektarbeit schon überzeugen können, wie den Schongauer Kulturförderverein „lechwärts“ und verschiedene Helfer und Sponsoren, um z.B. die teuren Vergrößerungen der Aufnahmen finanzieren zu können.
Die Ausstellung
Die Vernissage im Ballenhaus Schongau beginnt am Freitag, 28. Juni, um 18.30 Uhr. Begleitend ist an diesem Abend eine Musikshow geplant mit „Starletts und Suspenders“ Geöffnet ist die Ausstellung dann am Samstag, 29. Juni, von 10 bis 21 Uhr und am Sonntag, 30. Juni, von 9 bis voraussichtlich 18 Uhr.