Iran beendet Zusammenarbeit mit IAEA: Will Teheran nun in geheimen Anlagen eine Atomwaffe bauen?
Der Nahost-Konflikt eskaliert zwischen Iran und Israel. Die IAEA verliert dabei immer mehr die Kontrolle über nukleare Aufrüstung und Atomprogramme.
Teheran – Wie groß ist die Gefahr einer nuklearen Eskalation im Nahen Osten? Während der Konflikt zwischen Israel und Iran immer weiter eskaliert, spekuliert die Welt über die geheimen Atomwaffen der verfeindeten Staaten.
Der Iran will derweil die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) vorübergehend aussetzen. Dies hat das Parlament in Teheran beschlossen, wie der Staatssender IRIB berichtete. Das Land will der Entscheidung zufolge keine IAEA-Inspektoren ins Land lassen, bis die „Sicherheit“ der nuklearen Anlagen gewährleistet ist. Dazu müsse die Organisation die Angriffe der USA und Israels auf die Nuklearanlagen verurteilen und das iranische Atomprogramm anerkennen, sagte Parlamentspräsident Mohammed Bagher Ghalibaf.
Iran könnte wohl trotz Angriffen auf seine Nuklearanlagen Atomwaffen bauen
Im Westen wächst dadurch die Angst vor atomaren Bewaffnung des Iran. Ein Experte für das iranische Atomprogramm sagte laut The Telegraph, dass im Iran Hunderte, wenn nicht Tausende, hochmoderne Zentrifugen versteckt seien, mit denen waffenfähiges Uran hergestellt werden könne. Das Regime habe außerdem einen Großteil seines hoch angereicherten Urans an einen geheimen Ort gebracht, bevor die USA die drei bekannten Atomanlagen der Islamischen Republik bombardieren konnten.
Ich bin sicher, dass sie irgendwo einen versteckten Ort mit Hunderten, wenn nicht Tausenden von Zentrifugen haben und dass sie dort an verschiedenen Orten im ganzen Iran Material lagern.
Dies bedeute, dass Teheran über alle Fähigkeiten verfügen könnte, eine Atombombe zu bauen, sagte die israelische Militärexpertin Sima Shine. „Ich bin sicher, dass sie irgendwo einen versteckten Ort mit Hunderten, wenn nicht Tausenden von Zentrifugen haben und dass sie dort an verschiedenen Orten im ganzen Iran Material lagern“, sagte Shine dem Telegraph. „Jetzt und morgen können sie nichts tun, aber in der Zukunft verfügen sie über alle Möglichkeiten [zum Bau einer Bombe].“
Nahost-Krieg: Israel hat anders als Iran den Atomwaffensperrvertrag nie unterzeichnet
Der Iran besitzt laut einem IAEA-Bericht unter anderem mehr als 400 Kilogramm Uran mit einem beinahe waffentauglichen Reinheitsgrad von 60 Prozent. Das Uran war bislang in Anreicherungsanlagen in Natans und Fordo hergestellt worden. Nach Angaben von Diplomaten könnten damit einige Atomwaffen hergestellt werden, falls das Material noch weiter auf 90 Prozent angereichert würde. Teheran beharrt darauf, keine Atomwaffen bauen zu wollen, doch in vielen Ländern wuchs zuletzt die Sorge, dass die Islamische Republik immer näher an die Fähigkeit rückt, Kernwaffen herzustellen.
Anders als der Iran hat Israel selbst den Atomwaffensperrvertrag nie unterzeichnet und lenkt sein Nuklearprogramm im Geheimen ohne Kontrolle der IAEA. Neben Indien, Pakistan und Nordkorea gehörte Israel damit zu den vier Staaten einzigen der Welt, die vermutlich über Kernwaffen verfügen, aber dem Atomwaffensperrvertrag (NVV) nicht beigetreten sind. Über das israelische Atomprogramm ist wenig bekannt; das Land verfolgt die Politik, es weder zu bestätigen noch zu dementieren. Experten gehen laut Middle Eastern Eye gehen davon aus, dass Israel über 90 Nuklearsprengköpfe verfügt.
IAEA hat weder Israel noch USA für Attacken auf Nuklearanlagen verurteilt
Aktuell sind nach jüngsten Angaben der IAEA noch Inspektoren im Land. IAEA-Chef Rafael Grossi hat seit Beginn der Angriffe auf den Iran mehrfach betont, Atomanlagen dürften aufgrund der Gefahr eines schweren nuklearen Unfalls niemals zur Zielscheibe werden. Doch weder er noch der Gouverneursrat der IAEA haben Israel oder die Vereinigten Staaten dezidiert für ihre Attacken auf Nuklearanlagen verurteilt.
Jahrelang haben wir uns bemüht, der Welt zu zeigen, dass wir dem Atomwaffensperrvertrag verpflichtet sind und ihn dementsprechend auch umsetzen. Doch leider konnte auch dieser Vertrag weder das Land noch das zivile Nuklearprogramm des Landes schützen.
Für den Iran ist das ein erneuter Beweis für die Parteilichkeit der IAEA. Die Angriffe seien „unter der Gleichgültigkeit oder gar Mitwirkung“ der IAEA erfolgt. „Jahrelang haben wir uns bemüht, der Welt zu zeigen, dass wir dem Atomwaffensperrvertrag verpflichtet sind und ihn dementsprechend auch umsetzen. Doch leider konnte auch dieser Vertrag weder das Land noch das zivile Nuklearprogramm des Landes schützen“, sagte der iranische Außenminister Abbas Araghtschi laut IRIB.
Nach US-Angriffen auf Irans Atomanlagen: Donald Trump glaubt seinem eigenen Geheimdienst nicht
Irans Atomorganisation erklärte, dass trotz der „bösartigen Verschwörungen der Feinde“ das Nuklearprogramm nicht gestoppt werde. Über das genaue Ausmaß der Zerstörung durch die US-Angriffe unter anderem auf die iranische Atomanlage Fordo herrscht noch Unklarheit. Eine erste Einschätzung des US-Geheimdienstes deutet laut CNN darauf hin, dass die Angriffe das iranische Atomprogramm nur um Monate zurückgeworfen haben.
Die bisher nicht veröffentlichte Einschätzung wurde von der Defense Intelligence Agency, dem Geheimdienst des Pentagons, erstellt. Sie basiert auf einer vom US Central Command nach den US-Angriffen durchgeführten Schadensbewertung, so eine der Quellen. US-Präsident Donald Trump widersprach dem US-Geheimdienstbericht am Rande des Nato-Gipfels in Den Haag allerdings und behauptete, die iranischen Atomanlagen seien „vollständig“ zerstört worden. Das iranische Atomprogramm sei um „Jahrzehnte“ zurückgeworfen worden. „Sie werden für lange Zeit keine Bomben bauen.“ (lm/dpa/afp)