Auch ohne Hochwasser: Viele Aicher haben immer wieder nasse Keller – und einen Verdacht zur Ursache

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Unabhängig von Hochwasser drückt es seit Monaten Grundwasser in Aicher Keller. Im Dorf ist man überzeugt: Verantwortlich ist ein Kanal. Doch die Betreiber vermuten etwas anderes.

Aich – „Ich hab‘ schon ein paar Tage nicht mehr gesaugt“, sagt Erwin Kraus beim Blick auf den abgebröckelten Putz in seinem Keller, und es klingt wie eine Entschuldigung. Dabei ist es nicht das Versäumnis des 86-Jährigen, was hier unten in seinem Haus am Aicher Büchlweg im Argen liegt. Auch viele Nachbarn haben derart feuchte Wände, dass sich die Farbe abschält. Bei Kraus hat sich die Nässe schon bis auf Brusthöhe ins Mauerwerk gesaugt, an Möbeln wuchert weiß-gelber Schimmel. „Anfangs“, erinnert er sich zurück, „da dachte ich, dass ich der Einzige bin“. Bis ihm eines Tages eine Bekannte sagte: „Mensch Erwin, die pumpen doch alle hier! Hast du die Schläuche an den anderen Häusern nicht gesehen?“

Verschimmelter Schrank in einem Keller in Aich
Weiß-gelber Schimmel hat im Keller von Erwin Kraus die Möbel befallen. Die Dauerfeuchte sorgt für enorme Schäden. © Forster

Der Moosburger Ortsteil Aich ist ein ruhiges Dorf, es geht gemächlicher zu als in der nahen Dreirosenstadt, und dort war es oft leichter, den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen. Doch für viele Hausbesitzer ist ihre Immobilie inzwischen ein Albtraum, der ihnen buchstäblich den Schlaf raubt. Denn seit fast einem Jahr drückt es immer wieder ohne Vorwarnung Grundwasser in die Keller. Das, so erzählen die Bewohner, habe aber nicht etwa mit Hochwasser oder Starkregen zu tun. Sondern mit dem Kanal.

Im Dezember 2023 ging der Wasser-Horror los

Aich ist von drei Fließgewässern umgeben: der Sempt, dem Pfrombach und dem Mittlere-Isar-Kanal. Letzterer speist in der Region die Wasserkraftwerke Pfrombach (oberhalb von Aich, betrieben von Uniper) und Uppenborn 1 (unterhalb von Aich, betrieben von den Stadtwerken München). Über Jahrzehnte, so erfährt man in Aich, gab es keine Probleme mit dem Kanal. Doch seit Dezember 2023 steigt immer wieder mit einem hohen Kanalpegel auch das Grundwasser und drückt dieses in die Häuser. So lautet jedenfalls die Beobachtung der Betroffenen.

Karte von Moosburg und Aich
Von Gewässern umringt: Der Moosburger Ortsteil Aich liegt neben dem Pfrombach und der Sempt auch noch am Mittlere-Isar-Kanal, der die Kraftwerke Pfrombach und Uppenborn 1 speist. © Grafik: afo/Karte: Bayer. Vermessungsverwaltung

Einer von ihnen ist Manfred Tristl. Die Familie des 61-jährigen Flughafen-Feuerwehrmanns in Altersteilzeit lebt an der Kirchfeldstraße. Wenn er Besucher in seinen Keller führt, sehen die sofort, dass auch dort nichts mehr normal ist. An Metalltüren frisst sich Rost empor, Fliesen lösen sich, es riecht muffig. Der Wäschetrockner steht auf einer Europalette, damit er nicht wieder absäuft. „Seit Dezember hatten wir vier Mal Wasser im Keller“, sagt Tristl mit zerknirschter Miene. Sechs Zentimeter hoch war sein Untergeschoß zeitweise geflutet, andere, so erzählt er, hätten bis zu 15 Zentimeter gemessen. Nach dem ersten Schock besorgte er sich Pumpen und kontrollierte dann erst mal Tag und Nacht im Zwei-Stunden-Takt, ob das Wasser erneut steigt.

Mit Grundwasser gefluteter Keller in Aich
Überschwemmung im Keller: Davon sind viele Aicher betroffen - so wie in diesem Anwesen an der St.-Georg-Straße. © privat

Weil es wieder kam, bohrte der Aicher schließlich große Löcher in seinen Kellerboden und versenkte darin drei Tauchpumpen. Die springen nun automatisch an, sobald der Pegel steigt. Parallel mussten die Tristls über Monate ein Entfeuchtungsgerät laufen lassen, was ihre Stromrechnung in die Höhe trieb. Gebracht hat das wenig. Beim Besuch in Manfred Tristls Keller in diesen Tagen steht das Grundwasser nur handbreit unter dem Fußboden, aus einer Wandfuge sickert es bereits wieder in den Raum. Große Sorgen bereitet dem Hausherrn nicht nur die angegriffene Gebäudesubstanz, sondern auch seine erst drei Jahre alte Pelletsheizung. „Wenn es die Pellets im Bunker aufschwemmt, kann‘s den sprengen“, sagt der 61-Jährige.

Plötzlich waren die Messstellen versperrt

Weil Tristl nicht nur Aicher, sondern auch CSU-Stadtrat in Moosburg ist, hat er vorige Woche im Bauausschuss an den Bürgermeister und die Stadtverwaltung appelliert, bei den Verantwortlichen zu intervenieren. Verantwortlich sind in den Augen vieler Aicher die Betreiber des Mittlere-Isar-Kanals. Die würden Wasser nachts aufstauen, um es tagsüber für die Stromerzeugung abzulassen. Das wirke sich auf den Grundwasserspiegel aus. „Der Isarkanal wird zu Profitzwecken als Staufläche genutzt – zum Nachteil der Bürger“, schimpfte Tristl in der Sitzung.

Manfred Tristl misst mit einem Meterstab den Wasserpegel unter seinem Kellerboden.
Messen im Bohrloch: Manfred Tristl hat im Keller Tauchpumpen installiert, um steigendes Grundwasser abzufangen. © Forster

Auf Nachfrage von Ortschef Josef Dollinger, ob es das nicht früher schon gegeben habe, verneinte Tristl. „Früher haben wir einen Rentner gehabt, der ist am Tag drei bis fünf mal rumgefahren, hat die Messstellen am Kanal protokolliert und zu hohe Werte den Betreibern gemeldet. Die konnten dann nicht aus.“ Der Rentner sei aber längst gestorben, zudem seien die Messstellen plötzlich versperrt worden. Dollinger versprach in der Sitzung, die Stadt werde sich der Sache annehmen, während Grünen-Rat und MdL Johannes Becher anregte, die wasserrechtlichen Genehmigungen und Verträge für den Kanal zu prüfen.

Fast alle Straßen von Aich sind betroffen

Erwin Kraus, der Anwohner vom Büchlweg, hat dem Thema inzwischen weiter Nachdruck verliehen und der Stadtspitze einen Offenen Brief übergeben, inklusive Unterschriftenliste von mehreren Dutzend Aichern, die direkt oder indirekt von der Problematik betroffen sind. Manfred Tristl kennt allerdings noch mehr geschädigte Hausbesitzer, die noch gar nicht in der Liste auftauchen. „Überall schwimmt der Keller“, sagt er und zählt etwa die St.-Georg-Straße, den Altweg und die Moosstraße auf. Damit wären so gut wie alle Straßen des Dorfs betroffen.

Erwin Kraus (l.) und Manfred Tristl aus Aich mit Unterschriftenliste
Unterschriftenliste in Händen: Den Appell von Erwin Kraus (l.) an die Stadt Moosburg haben viele Aicher unterzeichnet. Auch Manfred Tristl. © Forster

Auf die Frage, welches Ziel sie verfolgen, antworten sowohl Tristl als auch Kraus pragmatisch: „Meine Forderung ist, dass kein Grundwasser mehr daherkommt, dass ich wieder ruhig schlafen kann“, sagt Erwin Kraus. Einen Anwalt einschalten oder einen Gutachter? „Das geht doch nur auf die Nerven“, sagt er. Und Manfred Tristl meint: „Als Normalbürger hast du eh nicht die finanziellen Mittel wie die Konzerne.“

Die Stadtwerke München planen eine Sanierung

Die Konzerne, das sind die Energieunternehmen Uniper und Stadtwerke München (SWM). Sie teilen sich die Zuständigkeiten für den Betrieb der Wasserkraftwerke und den Unterhalt des Kanals. Auf Nachfrage weisen Sprecher beider Firmen eine mögliche Verantwortung zurück.

Wasserkraftwerk Pfrombach der Firma Uniper am Mittlere-Isar-Kanal
Grüner Strom wird entlang des Mittlere-Isar-Kanals gewonnen - so wie hier im Uniper-Wasserkraftwerk Pfrombach. Bürger im nahen Aich beklagen nun, der zu sehr angestaute Pegel im Kanal drücke ihnen Wasser in die Keller. © Forster

Die SWM erklären: „Die Pegelschwankungen im Mittlere-Isar-Kanal zwischen Pfrombach und dem Uppenbornwerk 1 sind seit Jahrzehnten unverändert. Im Übrigen halten sich die SWM natürlich an geltende wasserrechtliche Bescheide.“ Die Wassermenge werde vom Oberlieger Uniper in Oberföhring aus der Isar in den Mittlere-Isar-Kanal geleitet. Dieser habe dafür die Genehmigung. Ohnehin hänge ein Grundwasseranstieg von vielen Parametern ab, auch von den laut SWM zuletzt „deutlich üppigeren Niederschlägen“ im Vergleich zu Vorjahren. „Ungeachtet dessen weisen wir darauf hin, dass wir die Sanierung der wasserbaulichen Anlagen, die sich im SWM-Unterhaltungsbereich befinden, nach ausführlicher Planungs- und Abstimmungsphase im September 2024 beantragt haben.“

Uniper verweist auf Niederschläge und den Mitbewerber

Für Uniper erklärt Sprecher Theodoros Reumschüssel: „Die Fahrweise des Kanals ist immer Bescheid-gemäß gelaufen und hat sich im relevanten Zeitraum nicht von den Vorjahren unterschieden.“ Messwerte und Daten hätten ergeben, dass der Kanalbetrieb durch Uniper von Dezember 2023 bis September 2024 „nicht ursächlich für die Veränderung der Grundwasserstände sein kann“. Man sei dort zwar für den Unterhalt verantwortlich, der Pegel unterhalb des Kraftwerks Pfrombach hänge aber wesentlich von der Bewirtschaftung des Ausgleichsweihers der SWM ab und werde nicht von Uniper beeinflusst.

Verrostete Metalltüren
Verrostete Metalltüren sind eine weitere Auswirkung des wiederholten Wassereintritts in Aicher Kellerräume. © Forster

„Der tatsächlich zu beobachtende Anstieg des Grundwasserstand an den Messstellen in Aich zeigt ein Verhalten auf, das auch an anderen Messstellen in der Nähe unserer Anlagen in Bayern zu beobachten ist“ – weit entfernt vom Mittlere-Isar-Kanal, betont der Sprecher. „Dazu passt auch die Tatsache, dass die Grundwasserstände bayernweit aufgrund der ausgiebigen Niederschläge der letzten Zeit deutlich angestiegen sind.“ Laut Reumschüssel werde man dennoch am 25. Oktober um 14 Uhr ans Aicher Feuerwehrhaus zu dem Treffen mit Anwohnern kommen, das der Grünen-Abgeordnete Johannes Becher nach der Bauausschusssitzung geplant hat. Auch die SWM sind eingeladen.

Dass die Kanal-Verantwortlichen offenbar dennoch auf die Vorwürfe reagiert haben, dafür spricht die Beobachtung eines Aicher Landwirts, wie Manfred Tristl berichtet: „Der fährt oft über den Kanal und hat bemerkt, dass dort kurz nach der Bauausschusssitzung der Pegel rund 30 Zentimeter niedriger lag als sonst üblich. Das ist schon auffällig.“

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