Asylunterkunft: Gemeinderat Warngau erteilt Absage

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Holzkirchen
  4. Warngau

Kommentare

Etwa 120 Bürger machten am Dienstagabend zur Gemeinderatssitzung in Warngau Druck gegen die Pläne für eine Asylbewerberunterkunft an der Vivo. Auch ein paar Plakate waren am Rathauseingang angebracht, die etwa „Angst um unsere Sicherheit“ proklamierten. © Thomas Plettenberg

Begleitet von dutzenden Besuchern und Zwischenrufen im Saal, hat Landrat Olaf von Löwis am Dienstagabend dem Warngauer Gemeinderat das Konzept für eine Asylunterkunft für bis zu 500 Personen vorgestellt. Das Gremium erteilte dem eine Absage.

Warngau – Es war kein leichter Gang für den Landrat. Beim Betreten des Rathauses, wo sich etwa 120 Personen vor allem aus Lochham, Draxlham und Osterwarngau zu Protest gegen die Pläne für eine große Asylbewerberunterkunft an der Vivo versammelt hatten, bekam Olaf von Löwis vereinzelt Pfiffe und die Beschimpfung „Judas“ zu hören. Die Stimmung war angespannt, blieb aber insgesamt friedlich. Am Ende erntete der Gemeinderat Applaus von den Gegnern.

Die Rolle für den Landrat in der Thematik gestaltet sich weit undankbarer. Löwis wies auf die Doppelfunktion hin, die das Amt mit sich bringe: zum einen gewählter Mandatsträger, zum anderen aber Chef einer Kreisverwaltungsbehörde, die als letztes Glied der staatlichen Organisationskette Vorgaben umzusetzen hat. Löwis versicherte, ohne Nachlass bei Bezirk, Innenministerium und im Bund versuche, auf eine Aussetzung der Zuweisungen hinzuwirken, ohne Erfolg. Alle zwei Wochen – mit einem Aussetzer um Weihnachten – rolle ein Bus mit 50 Personen vor. Einmal habe er diesen zurückgeschickt – der postwendend wieder vorfuhr. „Das bringt nichts.“

„Wahnsinn, ein Getto“

Während der Landrat dafür mit Zwischenrufen aus dem rappelvollen Zuhörerraum – viele standen auch noch im Treppenhaus – Hohn erntete, zeigten die Gemeinderäte reihum Verständnis. Etwa Vize-Bürgermeister Leonhard Obermüller (CSU), der Löwis Respekt zollte. „Ich glaube nicht, dass man ihm Recht tut, wenn man ihn kritisiert.“ Ihm werde überall die Tür vor der Nase zugeschlagen. Die Untätigkeit des Bundes sei der eigentliche Skandal. Obermüller stellte aber auch fest: „Die geplante Anlage ist Wahnsinn, ein Getto – das kann niemand gut finden.“ Er gemahnte dennoch zur Räson, es gehe bei den Geflüchteten immer noch um Menschen. Reinhard Bücher (Grüne) kritisierte die Informationspolitik, so lange nicht mit dem Vorhaben dieser Dimension an die Öffentlichkeit gegangen zu sein. „Das Projekt, egal wo es hinkommt, ist einfach zu groß“, sagte Anton Bader (FWG), der an die vor einem Jahr aufgelöste Unterkunft am Bergfeld für 50 Personen erinnerte.

In der namentlichen Abstimmung, die Hans Gillhuber (Draxlhamer Liste) beantragt hatte, erteilten alle 15 anwesenden Gemeinderäte und der Bürgermeister dem Konzept des Landratsamts eine Abfuhr. Der Rathauschef wurde beauftragt, bei einem eingehenden Bauantrag das gemeindliche Einvernehmen abzulehnen. Weil der Gemeinderat damit rechnet, dass das Landratsamt das fehlende gemeindliche Einvernehmen ersetzt, werden für diesen Fall die Forderungen der Gemeinde aufrechterhalten, die gemeindliche Infrastruktur nicht zu belasten.

Ad acta gelegt wird die Unterkunft mit der Abfuhr nicht, wie das Landratsamt am Mittwoch auf Anfrage des Holzkirchner Merkur bestätigte: „Die Pläne müssen bis auf Weiteres verfolgt werden, da uns schlichtweg die Hände gebunden sind“, erklärte Sprecherin Sabine Kirchmair. Mittwochabend sollte sich der Holzkirchner Gemeinderat mit der Zuteilung von Einwohnergleichwerten für die Unterkunft befassen. Auch zu dieser Sitzung gab es im Vorfeld Aufrufe, als Gegner der Unterkunft Präsenz zu zeigen.

Wie es zu der Planung an der Vivo kam

Die Pläne und ihre Entwicklung stellten Landrat Olaf von Löwis und Beate Faus, Leiterin der Taskforce am Landratsamt, im Warngauer Gemeinderat erstmals öffentlich vor. Wie berichtet, erhofft sich das Landratsamt durch eine Großunterkunft, wie sie an der Vivo geprüft wird, einen Befreiungsschlag bei der Unterbringung von Asylbewerbern. Vor allem sollen die drei Turnhallen in Miesbach und Tegernsee, die mit Geflüchteten belegt sind, geräumt werden. „Die Situation ist schlimmer, als Sie sich vorstellen“, machte Löwis klar. Zum einen für die Bewohner, aber eben auch für Schulen und Sportvereine.

Über 100 Liegenschaften – sowohl staatlich als privat – seien für Unterkünfte in der Prüfung gewesen, inzwischen seien es noch etwa ein Dutzend. Das Grundstück an der Vivo sei in den Fokus gerückt, weil es viel Platz biete und im Eigentum des Landkreises stehe, schilderte Löwis. Eine zunächst noch größer angedachte Unterkunft fiel im Verwaltungsrat der Vivo durch. Nicht nur wegen der Größe, sondern auch wegen der Laufzeit: Der Freistaat fordere, dass Unterkünfte dieser Größe mindestens sechs Jahre in Betrieb seien, mit Verlängerungsoptionen auf bis zu zehn Jahre – sonst rentierten sich Aufwand und Kosten nicht, so Faus. Die Vivo lässt sich auf einen solchen Zeitraum aber offenbar nicht ein. Wie Faus versicherte, würden alle Verträge für die Unterkunft auf zwei Jahre ab Eröffnung befristet – was Gegner bezweifeln. Das Landratsamt schreibt laut Faus einen Rahmenvertrag aus, um künftig ohne Verzug zwei bis zehn Container aufstellen zu können, wo sich Gelegenheit bietet. Zur Belegung von Turnhallen – die die Warngauer in ihrer Gemeinde befürchten, wenn die Großunterkunft nach zwei Jahren schließt und die Zuweisungen nicht abreißen – werde es nicht kommen, versicherte Faus: Das Innenministerium habe dies inzwischen „nahezu verboten“.

Ob der Freistaat sich darauf einlässt und der Einrichtung unter diesen Umständen grünes Licht gibt, ist laut Löwis noch nicht entschieden. Das Landratsamt sei aber beauftragt, einem auf 10 000 Quadratmeter und bis zu 500 Bewohner begrenzten Konzept – einer „kleineren, aber immer noch aus eurer Sicht wirklich sehr großen Einheit“, wie Löwis einräumte – weiter nachzugehen.

Anbieter für Container samt Betrieb

Zunächst sei eine Hallenkonstruktion angedacht gewesen, bis dem Landratsamt eine Containerlösung angeboten worden sei, bei der sich der Anbieter auch um den Betrieb samt Sicherheitsdienst kümmere. Eine willkommene Entlastung für das Personal des Landratsamts, das durch die Unterkunftsverwaltung derart ausgelastet sei, dass keine Kapazitäten etwa für Abschiebungen blieben, wie Faus deutlich machte.

Vorgesehen sind auf dem umzäunten Areal vier zweistöckige Containerblöcke mit Wohnraum für jeweils bis zu 120 Personen. Hinzu kommen soll ein Gemeinschaftscontainer für Verpflegung, Sozialarbeit und Aufenthalt. Die Bewohner sollen über ein Catering verpflegt werden. Auch eine Einkaufsgelegenheit mit 45 Quadratmetern und ein Spielplatz sind vorgesehen.

Unter den 548 Flüchtlingen, die derzeit in drei Turnhallen untergebracht sind, sind etwa 60 Kinder. In der neuen Unterkunft sollen Sozialarbeiter für sie eingesetzt werden. Aus der Tegernseer Gymnasiums-Halle, die prioritär als Unterkunft aufgelöst werden soll, seien elf schulpflichtige Kinder und Jugendliche zu erwarten. An der Schulpflicht komme man auch mit Sprachunterricht in der Unterkunft nicht vorbei; die Schüler müssten in nahen Schulen unterrichtet werden, stellte Faus klar.

Auch interessant

Kommentare