Krebs-Ursache: Forscher fordern, die Krankheit ganz neu zu denken

Jedes Jahr erkrankt in Deutschland fast eine halbe Million Menschen an Krebs. Wie die Krankheit entsteht, wie sie sich behandeln und wie sich vorbeugen lässt, dazu forschen Wissenschaftler weltweit intensiv. Immer wieder gibt es Fortschritte.

In mancherlei Hinsicht sei es nun Zeit, umzudenken. Das fordern US-Forscher in einem in „PLOS Biology“ veröffentlichten Essay. Er trägt den Titel: „Das Ende des genetischen Paradigmas von Krebs“. Das heißt: Mediziner sollten die lange gepflegte Annahme, Krebs sei primär eine genetische Erkrankung, überdenken, argumentieren Sui Huang vom Institut für Systembiologie (ISB) und Kollegen.

Jahrzehntelang galt die vorherrschende Theorie, dass Krebs entsteht, wenn eine normale Zelle genetische Mutationen anhäuft, die ihr unkontrolliertes Wachstum und unkontrollierte Vermehrung ermöglichen.

Stattdessen erklären die Experten: Forscher sollten ganzheitlichere Sichtweisen einnehmen, die auch nicht-genetische Faktoren der Krebsentstehung berücksichtigen.

Traditionelles Krebsmodell in Frage gestellt 

US-Wissenschaftler Eric Topol beurteilt die Arbeit auf dem Netzwerk Bluesky als „bemerkenswerten Aufsatz über die Grundlagen von Krebs“, der gegen das traditionelle Modell argumentiere und die Bedeutung von Netzwerken und Gewebe, die Gene regulieren, anführe.

Was meinen die Forscher des Essays mit ihrem Ansatz? Die Theorie der somatischen Mutation (SMT) hätte gewissermaßen einen stillschweigenden Anspruch, die „Wahrheit“ über die Entstehung von Krebs zu repräsentieren. Dies würde in diesem Zitat von 2014 prägnant formuliert: „Alle Krebsarten entstehen aus einer einzigen Zelle, die aufgrund erworbener somatischer Mutationen in ihrem Genom beginnt, sich abnormal zu verhalten.“

Somatische Mutationen sind Veränderungen im genetischen Material, die in Körperzellen entstehen. Gene sind bildlich gesprochen die Bauanleitung für unsere Zellen. Schleichen sich Fehler ein, sogenannte Mutationen, kann Krebs entstehen – so die bisherige Theorie.

Warum die Forscher sich von der bisherigen Wahrheit abwenden

Die zitierte Aussage habe auch zehn Jahre danach immer noch Bestand, schreiben die Autoren.

Ihre Kritik: Die Theorie ignoriere, dass das Wachstum der Zelle von ihren Nachbarzellen (normal oder transformiert) abhängig sei. Sie bilden den Gewebekontext für ihr Überleben. Zudem ignoriere die Annahme die Vielfalt unterschiedlicher Erscheinungstypen von Zellen. Umgekehrt würden nicht alle Zellen, die dieselbe frühe Mutation enthalten (die die Anhäufung späterer krebsauslösender Veränderungen ermöglichen würde), auch tatsächlich krebsartig.

Insofern stellen die Forscher die bisherige Vorstellung in Frage. Sie weisen beispielsweise auf Krebserkrankungen ohne identifizierbare Treibermutationen hin und normales Gewebe, das krebserregende Mutationen trägt, ohne Tumore zu bilden.

Neue Perspektiven für die Krebsbehandlung eröffnen

Stattdessen plädieren sie für einen breiteren, ganzheitlicheren Ansatz. Biologische Systeme über genetische Veränderungen hinaus sollten berücksichtigt werden. 

Sie schlagen alternative Modelle vor, darunter Krebs als Störung genregulatorischer Netzwerke (Sui Huang) oder als Zusammenbruch der Gewebeorganisation, bei dem Störungen der Zell-Umgebung zur Tumorentwicklung beitragen (Ana M. Soto, Carlos Sonnenschein). Laut den Autoren könnte die Erforschung dieser alternativen Ansätze neue Erkenntnisse über die Entstehung von Krebs liefern.

Sie schreiben: „Die vollständige Akzeptanz der Idee, dass der Ursprung von Krebs jenseits genetischer Mutationen liegt, wird neue Perspektiven für die Krebsbehandlung und -prävention eröffnen.“ Denn es gibt beispielsweise Umweltfaktoren, die Krebs fördern können, wie Lebensmittelzusatzstoffe, Kunststoffe und viele andere Giftstoffe und die sich verhindern lassen.

Was sich in Sachen Krebsvorbeugung bereits verändert hat

Dass in Sachen Krebsvorsorge und auch -therapie schon seit einiger Zeit ein Umdenken stattfindet, zeigen verschiedene Ansätze. Längst hat in der Prävention der Lebensstil eine große Bedeutung gewonnen. Bis zu 50 Prozent der Krebserkrankungen könnten so laut Experten verhindert werden – was umgekehrt nicht bedeutet, dass Menschen selbst verantwortlich sind für eine Erkrankung. Denn letztlich ist die Tumorentwicklung ein komplexes Zusammenspiel unterschiedlichster Faktoren.

Krebsexperten aus ganz Europa haben den so genannten Europäischen Krebs-Kodex erstellt. Wenn Sie diese zehn Anti-Krebs-Regeln beherzigen, ist das natürlich keine Garantie, nicht an einem Tumor zu sterben. Doch Sie senken Ihr Krebsrisiko um ein Vielfaches:

  1. Rauchen Sie nicht
  2. Vermeiden Sie Übergewicht
  3. Bewegen Sie sich täglich
  4. Essen Sie frisches Obst und Gemüse
  5. Vermeiden Sie stark verarbeitete Fleisch- und Wurstwaren
  6. Trinken Sie keinen Alkohol
  7. Schützen Sie sich vor der Sonne
  8. Meiden Sie krebserregende Stoffe
  9. Lassen Sie sich und Ihre Kinder gegen Hepatitis B und HPV impfen
  10. Speziell für Frauen: Stillen Sie und seien Sie vorsichtig mit Hormonpräparaten

Lesetipp: Hier können Sie mehr Details zu den einzelnen Punkten nachlesen.