Kolumne von Michaela Axt-Gadermann - Wenn Sie „Moppelbakterien“ vermeiden, gelingt Abnehmen ohne Diät
Bifidobakterien und Akkermansia unterstützen die Darm-Diät
Doch es existieren noch weitere Merkmale, in denen sich ein „dickes“ von einem „schlanken“ Mikrobiom unterscheidet. Menschen mit Gewichtsproblemen besitzen meistens eine zu geringe Artenvielfalt (Diversität) der Darmflora, das heißt, die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft ist eintönig und ihnen fehlen zahlreiche gewichtsregulierende Bakterien oder diese sind unterrepräsentiert.
Bei vielen Übergewichtigen besteht ein Mangel an Bifidobakterien im Darm und auch Keime mit so schönen Namen wie „Faecalbacterium prausnitzii“ oder „Akkermansia muciniphilia“ fehlen. Aktuelle Studien konnten Verbindungen herstellen zwischen einer hohen Zahl dieser Bakterien und einem geringen Körpergewicht, einem niedrigeren Körperfettanteil, einem geringeren Risiko für Zuckerkrankheit und metabolischem Syndrom.
Was stört die natürliche Balance im Darm?
Der Verdacht fällt schnell auf unseren modernen westlichen Lebensstil mit einer ballaststoffarmen und fettreichen Ernährung. Denn die schlankmachenden Keime im Darm benötigen spezielle Pflanzenfasern, sogenannte Präbiotika, um zu wachsen und zu gedeihen. Enthalten sind diese unter anderem in Hülsenfrüchten, Zwiebelgemüse, Haferflocken, Endiviensalat, Spargel und Lauchgemüse, also Nahrungsmitteln, die man in der Fastfoodküche meist vergeblich sucht.
Einseitige Ernährungsformen wie zum Beispiel strenge Low-Carb-Diäten scheinen sich ebenfalls negativ auf die Vielfalt des Mikrobioms auszuwirken. Offensichtlich sorgt demnach eine unausgewogene, ballaststoffarme Ernährung für eine Veränderung der Darmflora, die dann in der Folgezeit mehr Kalorien aus dem Essen zieht.
Antibiotika können Adipositas begünstigen
Aber auch Antibiotika haben die Mikrobiom-Forscher ins Visier genommen, denn nichts stört das gesunde Mikrobiom so nachhaltig wie diese Medikamente. Aus der Viehzucht weiß man seit den 1940er Jahren , dass Antibiotika zu schnelleren Masterfolgen führen und Tiere unter Antibiotikagabe mit weniger Futter mehr Gewicht auf die Waage bringen.
Beim Menschen konnten inzwischen ähnliche Antibiotika-Effekte nachgewiesen werden : Babys, die in den ersten sechs Lebensmonaten Antibiotika erhielten, waren im Alter von drei Jahren sowie zur Einschulung häufiger übergewichtig. Erwachsenen geht es - trotz ihrer deutlich stabileren Darmflora - ähnlich. Auch bei ihnen weisen die meisten Studien darauf hin, dass längere Antibiotikatherapien zu teilweise enormen Gewichtszunahmen führen.
Wie lässt sich feststellen, ob die Darmflora für mein Übergewicht verantwortlich ist?
Hinweise, dass das Mikrobiom eine Rolle spielen könnte, gibt die Krankengeschichte. Wurden in der Vergangenheit häufig Antibiotika genommen, besteht ein höheres Risiko, dass sich die Darmflora davon nicht völlig erholt hat und nun das Gewicht nach oben treibt.
Die Gewichtszunahme beginnt in der Regel nicht direkt nach der letzten Antibiotika-Tablette, sondern entwickelt sich schleichend in den folgenden Monaten oder innerhalb von einem Jahr. Durch den großen zeitlichen Abstand werden die Zusammenhänge aber oft nicht wahrgenommen.
Bestehen gleichzeitig noch Darmbeschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen, Stuhlunregelmäßigkeiten oder Ähnliches, dann weist das auch darauf hin, dass eine Dysbiose mitverantwortlich für die Fettpölsterchen sein könnte.
Mit Hilfe einer Mikrobiomanalyse lassen sich Veränderungen des Mikrobioms nachweisen, die mit Übergewicht in Verbindung gebracht werden. Die für eine schlanke Figur wichtige Artenvielfalt des Mikrobioms kann damit ebenso bestimmt werden wie die Balance der einzelnen Stämme zueinander.
Neben der Bestimmung wichtiger Bakterien wie Akkermansia muciniphilia, Faecalbacterium prausnitzii, Bifidobakterien und Butyratbildnern ist auch der Firmicutes-Bacteroidetes-Index interessant. Dieser Wert zeigt das Verhältnis der „Moppelbakterien“ Firmicutes zu den Rank-und-Schlank-Keimen Bacteroidetes und scheint ein Marker zu sein , mit dem sich abschätzen lässt, ob das eigene Mikrobioms für Gewichtsprobleme verantwortlich sein könnte.
Kann man das Mikrobiom auf „schlank“ programmieren?
Die Ernährung bildet eine wichtige Grundlage für die Entwicklung eines gesunden Mikrobioms. Wenn man die Darmflora ändern möchte, muss man sein Essverhalten ändern, was aber nicht bedeutet, dass die Mahlzeiten dann langweilig, eintönig oder weniger genussvoll wären.
Um das Wachstum der günstigen Bakterien zu fördern, sind präbiotikareiche Nahrungsmittel geeignet. Präbiotika sind unverdauliche Ballaststoffe, die im Dickdarm als „Futter“ für das Mikrobiom zur Verfügung stehen. Sie sind unter anderem enthalten in Haferflocken, Cranberries, Äpfeln, Mandeln, Lauch, Knoblauch, Zwiebeln, Schwarzwurzel, Topinambur, Spargel und weiteren Lebensmitteln.
Kartoffeln, Reis und Nudeln enthalten, wenn sie nach dem Kochen abgekühlt sind, ebenfalls bestimmte Präbiotika. Kartoffel-, Reis- oder Nudelsalat sind also gute Alternativen. Auch für Genussmittel wie Kaffee, dunkle Schokolade, grüner Tee und sogar Rotwein ließen sich günstige Effekte auf die Darmflora nachweisen. Daneben kann man häufiger vergorene Lebensmittel wie Sauerkraut, Kefir oder Joghurt zu sich nehmen. Diese Nahrungsmittel liefern darmfreundliche Milchsäurebakterien.
Die Darm-Diät durch probiotische Bakterien unterstützen
Die Effekte auf das Gewicht lassen sich Studien zufolge mit Nahrungsergänzungsmitteln, die geeignete Bakterien (Milchsäurebakterien, Bifidobakterien, Streptokokken) und präbiotische Ballaststoff enthalten, noch verstärken.
Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass probiotische, das heißt die Darmgesundheit fördernde, Mikroorganismen eine Gewichtsreduktion unterstützen können – wenn man die richtigen Bakterien einnimmt. Doch hier ist Vorsicht geboten, denn einige Probiotika können sogar zusätzliche Pfunde auf die Hüften packen.
In Studien konnten günstige Effekte auf Gewicht, Körperfettanteil und Bauchumfang nicht für alle Probiotika nachgewiesen werden, wobei die Studienlage aber nicht immer eindeutig ist. Messbare Erfolge auf Bauchumfang, Körperfettanteil, Gewicht oder metabolische Parameter ließen sich unter anderem durch Gabe der Milchsäurebakterien Lactobacillus gasseri , Lactobacillus curvatum und Lactobacillus plantarum oder Lactobacillus casei erzielen. Von Lactobacillus rhamnosus profitierten in einer Studie Frauen hingegen stärker als Männer.
Da auch Bifidobakterien in Studien die Gewichtsreduktion unterstützen konnten und im Darm von Menschen mit Gewichtsproblemen oft fehlen, könnte es sinnvoll sein, auch diese probiotischen Bakterien in eine Darm-Diät zu integrieren. Studien wiesen Effekte für verschiedene Bifidostämme nach wie B. longum oder B. adolescentis .
Vorsicht vor dickmachenden Bakterien in Nahrungsergänzungsmitteln
Doch es gibt Hinweise, dass sich nicht alle Milchsäurebakterien gleichermaßen günstig auf unser Gewicht auswirken. Ein Blick auf die enthaltenen Bakterienstämme kann hilfreich sein, denn diese entscheiden darüber, in welche Richtung sich das Gewicht möglicherweise bewegt.
Das zeigt unter anderem eine US-amerikanische Studie . Wissenschaftler der Abteilung für Präventivmedizin an der University of Southern California, Los Angeles, hatten die Hoffnung, mit Hilfe eines hochdosierten Probiotikapräparates die Gewichtsprobleme übergewichtiger Jugendlicher zu verbessern. Doch die Ergebnisse waren enttäuschend. Nach vier Monaten regelmäßiger Einnahme hatten die Jugendlichen deutlich an Gewicht zugenommen.
Das mag daran liegen, dass das Präparat auch „dickmachende“ probiotische Bakterien enthielt. Unter anderem war in diesem Präparat Lactobacillus acidophilus enthalten. Für diesen Bakterienstamm wurde bereits in anderen Studien nachgewiesen , dass er zu einer deutlichen Gewichtszunahme bei Menschen und Tieren führt.