Neue Raketen-Taktik: So will Russlands Armee die Ukraine überlisten
Bei jüngsten Angriffen Russland hat die Ukraine weniger Raketen abgefangen als sonst. Dahinter könnte eine neue Strategie der Moskauer Armee stecken.
Charkiw – Auch am Dienstag (23. Januar) hat Russland die Ukraine im Angriffskrieg wieder mit Luftangriffen überzogen. Alleine die Großstadt Charkiw im Nordosten der Ukraine, unweit der russischen Grenze, vermeldete acht Todesopfer und mindestens 50 Verletzte. Doch die russische Armee scheint anders vorzugehen als sonst – mit verheerenden Folgen für die Ukraine. Das will der Kriegsjournalist Cristian Segura von der Zeitung El País erkannt haben.
Doch was ist nun anders? Die ukrainische Luftverteidigung vermeldete, am Dienstag 21 von 41 russische Raketen abgeschossen zu haben. Im vergangenen Jahr, so berichtet Segura, schoss die Ukraine 80 Prozent der Flugkörper aus Russland ab. Jetzt waren es an einem Tag nur die Hälfte. Auch am 8. Januar griff Russland das Nachbarland mit etwa 59 Marschflugkörpern, Raketen und sogenannten Kamikaze-Drohnen an. Ebenfalls liege hier die ukrainische Erfolgsquote, die Flugkörper abzuschießen, bei 40 Prozent und damit deutlich unter dem Schnitt letzten Jahres gelegen.
Russland ändert Raketen-Taktik im Ukraine-Krieg
Michail Schamanow, Sprecher von Kiews Militärverwaltung, erklärte, dass Russlands seine Geschosse am Dienstag fast gleichzeitig abgefeuert habe – im Gegensatz zu früheren Angriffen, die eher in Wellen erfolgten, zitiert El País. Sowohl vom Boden als auch von Kampfflugzeugen in fünf verschiedenen Regionen hat Russland die Raketen abgefeuert.
Zunächst seien Marschflugkörper vom Typ Kh-101 und Kh-555 über dem Kaspischen Meer gestartet, berichtet El País unter Berufung auf Schamanow. Als diese in den ukrainischen Luftraum gelangten, feuerte Russland demnach Iskander-Raketen aus den Grenzregionen Belgorod und Woronesch ab. Diese hätten Kiew zum selben Zeitpunkt erreicht, als die Marschflugkörper abgeschossen wurden.

Den Luftangriff auf Kiew habe man abwenden können, heißt es. Doch das weniger geschützte Charkiw traf es deutlich härter. Auch aufgrund ihrer Lage nahe Russland ist die Stadt äußerst verwundbar. Sowohl Kh-22-Marschflugkörper als auch Iskander-, S-300- und S-400-Raketen haben Charkiw am Dienstag getroffen, wo sie verheerenden Schaden anrichteten.
Bereits zum Jahreswechsel hatte Russland die Ukraine mit einer massiven Angriffswelle überzogen – der größte Luftangriff seit Kriegsbeginn. Laut El País und ukrainischen Medien setze Russland auch immer häufiger Schahed-Drohnen ein. Mit Angriffen Dutzender Drohnen aus verschiedenen Richtungen soll es der Ukraine erschwert werden, die Luftverteidigung zu koordinieren.
Ukraine geht die Munition aus – Russland will das ausnutzen
Ein weiterer Grund für den Strategiewechsel: Die Ukraine soll aus Moskaus Sicht möglichst viel Munition verbrauchen, die ohnehin knapp wird. Ein Zeichen dafür, dass die russische Regierung um Wladimir Putin davon ausgeht, den längeren Atem im Ukraine-Krieg zu haben, trotz hoher Verluste.
Meine news
Die Regierung in Kiew betont deshalb gegenüber ihren Verbündeten im Westen die Dringlichkeit, mehr Luftabwehrsysteme und Munition zu liefern. Die europäischen Verbündeten Deutschland, Großbritannien und Frankreich haben kürzlich die Lieferung neuer Waffen und Munition angekündigt. Andauernde Unterstützung aus den USA, das Land, das zahlenmäßig bislang am meisten geliefert hat, steht derzeit auf der Kippe. Derweil fährt Russland seine Rüstungsproduktion weiter hoch. (lrg)