Kanzler Scholz übt Ampel-Selbstkritik: „Darauf hätte ich gut verzichten können“

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 24. Januar bei einer Kabinettssitzung der Bundesregierung in Berlin. © IMAGO/Christian Spicker

Die Rechte in Deutschland erstarkt – die Zustimmungswerte der Ampel erreichen einen neuen Tiefststand. Bundeskanzler Olaf Scholz sieht sich auch selbst in der Verantwortung.

Berlin – Die Umfragewerte der Ampel sind im Keller. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verliert auch persönlich an Wählergunst:. Momentan würden ihn einer Forsa-Umfrage zufolge nur noch 13 Prozent der Bundesbürger den Kanzler wählen, wenn man für den Regierungschef direkt abstimmen könnte. Gleichzeitig geht ein Rechtsruck durch die deutsche Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund gab der Kanzler ein Interview – und äußerte sich darin auch selbstkritisch.

Olaf Scholz räumt Fehler in Ampel-Regierung ein: „Das müssen wir uns ankreiden lassen“

Scholz räumt darin Fehler der Ampel-Regierung ein. Es trage nicht gerade zum Sicherheitsgefühl bei, wenn diejenigen, die regieren, zu oft miteinander streiten, sagte der Kanzler selbstkritisch der Zeit. „Als Bundeskanzler trage ich die Verantwortung für die Regierung“, so Scholz in dem am Mittwoch (24. Januar) veröffentlichten Interview. „Es wäre abwegig, zu sagen, ich hätte nichts damit zu tun.“ In dem Gespräch sah er davon ab, seine Koalitionspartner für die Streitereien verantwortlich zu machen, kommentierte aber: „Leider ist es zu selten gelungen, wichtige Beschlüsse ohne langwierige öffentliche Auseinandersetzungen zu treffen. Das müssen wir uns ankreiden lassen, und darauf hätte ich gut verzichten können.“

Die Stimmung im Deutschland nehme er als unruhig und mit einer größeren Gereiztheit wahr. „Man spürt im Land die ökonomischen und politischen Verwerfungen, die der russische Überfall auf die Ukraine verursacht hat. Gleichzeitig spürt man Unsicherheit, weil wir als wirtschaftlich starkes Land gerade dabei sind, die Weichen zu stellen, damit es in 20 und 30 Jahren hier auch noch gute Arbeitsplätze gibt und wir technologisch weiter vorne dabeibleiben“, so Scholz. An die Koalition gerichtet ergänzte er, es müsse der Wille sichtbar werden, sich zu einigen. „Das erwarte ich von allen Beteiligten. In den nächsten zwei Jahren wird das in dieser Regierung von ganz zentraler Bedeutung sein.“

Bundeskanzler Scholz über Rechtsruck in der Gesellschaft: „Die AfD schadet unserem Land“

Demonstrationen vor seinem Fenster höre er durchaus, bei Lärm schaue er schon auf den Platz vor dem Kanzleramt, um zu sehen: „Wer demonstriert denn da? Ist die Kundgebung für oder gegen mich?“, sagte der SPD-Politiker im Gespräch mit der Zeit. Viele Menschen im Land seien wütend, „weil sie sich nicht sicher sind, ob das alles gut ausgeht für sie – ob wir das hinkriegen mit dieser wohl größten industriellen Modernisierung seit mehr als 100 Jahren. Das ist eine Reise, deren Ende noch nicht abzusehen ist. Das will ich offen und ehrlich aussprechen“, so Scholz ungewohnt direkt.

Bei dem Rechtsruck im Land gehe es auch um die Frage, „ob wir uns noch die Zukunft zutrauen in Zeiten, in denen große Veränderungen stattfinden, die ja jeder spürt.“ Gerade hätten jene Konjunktur, die solche Unsicherheiten ausbeuten, sagte er mit Blick auf die Alternative für Deutschland (AfD). „Die AfD schadet unserem Land“, betonte der Kanzler. Doch das Erstarken rechtspopulistischer Parteien sehe man überall in Europa. Der Geist sei aus der Flasche, so der SPD-Politiker über die Erfolge der Rechten. Diesen zurückzudrängen werde „schwer, wenn es um die geht, die rechte Gesinnungen haben.“ Die anderen müsse man überzeugen, „indem wir eine Politik machen, die unser Land auf den richtigen Weg führt und die Probleme angeht“, so Scholz.

Wenn nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre: AfD verliert leicht an Zustimmung in Bevölkerung

Indes hatte die AfD zuletzt einer Forsa-Umfrage zufolge leicht an Zustimmung in der Bevölkerung verloren. In der am Dienstag veröffentlichten Erhebung für die Sender RTL und ntv gaben 20 Prozent der Befragten an, die AfD wählen zu wollen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre. Das wären zwei Prozentpunkte weniger als in der Vorwoche – aber noch immer jeder fünfte Wahlberechtigte.  In den Befragungszeitraum fielen die bundesweiten Demonstrationen gegen rechts. Nach dem Bekanntwerden des Potsdamer Geheimtreffens von AfD-Politikern und Rechtsextremen waren Hunderttausende gegen Rechts auf die Straße gegangen.

Die SPD käme laut der Befragung aktuell auf 14 Prozent, die Union auf 31 Prozent, die Grünen würden 14 Prozent der Wählerstimmen erhalten sowie die FDP und die Linken jeweils vier Prozent. Bei Umfragen handelt es sich immer um Momentaufnahmen, zudem werden die Angaben der Befragten teils von sozialer Erwünschtheit geprägt. Experten erkennen eine nachlassende Parteibindung in Deutschland und kurzfristigere Wahlentscheidungen, was die korrekte Vorhersage des Ausgangs von Wahlen immer schwieriger macht. Die statistische Fehlertoleranz der Erhebung wurde mit plus/minus 2,5 Prozentpunkten angegeben.

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