Carl Reisers Gemälde wirft Licht auf ältest datierte Mittenwalder Maschkera-Larve

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Da hängt sie: Auf dem Gemälde des Künstlers Carl Reiser, das sein Werkstattfenster zeigt, ist die älteste datierte Mittenwalder Larve links vom Fenster abgebildet. © Auktionshaus Weidler Nürnberg

In einem Nürnberger Auktionshaus wird aktuell ein Gemälde des einheimischen Künstlers Carl Reiser versteigert. Ein Detail sorgt dabei für Aufsehen: Das Bild zeigt die bis heute ältest datierte Holzlarve des Isartals, die momentan in einer Dauerausstellung im Geigenbaumuseum zu bestaunen ist. Das Kunstwerk gibt Aufschluss über die Geschichte der Maske.

Mittenwald – Dirk Eckert hat noch keine Ahnung, welch großen Schatz er da in Händen hält, als er den Antiquitätenladen in Garmisch-Partenkirchen verlässt. Eine Holzlarve hat er sich gekauft. Gut gemacht, sicher wertvoll, das ahnt er bereits. Er schätzt ihr Alter auf ungefähr spätes 19. Jahrhundert. Wenn überhaupt. Was Eckert zu diesem Zeitpunkt Anfang der 2000er Jahre allerdings nicht weiß: Sie ist älter. Viel älter. Er besitzt nun offiziell die älteste Holzlarve des Oberen Isartals und weit darüber hinaus. Datiert wird sie um das Jahr 1655 – so alt ist die Werdenfelser Fasnacht nachweislich also schon. Eine Sensation, nicht nur für die maschkera-fanatischen Mittenwalder.

Heute ist die Larve in einer Dauerausstellung im Mittenwalder Geigenbaumuseum zu sehen. Eine Leihgabe Eckerts. Wer sie einst geschnitzt hat? Ein Rätsel, über das gut und gerne in Fachkreisen debattiert wird. Doch eines steht fest: Der Vorbesitzer war kein Unbekannter. Dem Garmisch-Partenkirchner Künstler Professor Carl Reiser (1877 bis 1950) gehörte sie, wie ein Vermerk in der Larve beweist: Ein rotes R in einem rotem Kreis. Doch sind trotzdem noch unzählige Fragen offen. Allerdings bringt ein Gemälde Reisers, das aktuell im Nürnberger Aktionshaus Weidler bis zum 6. Februar versteigert wird, wieder etwas mehr Licht ins Dunkel der Geschichte.

Carl Reisers Ölgemälde zeigt Blick aus seinem Werkstattfenster im Winter und enthüllt spannendes Detail

Das ist sie, die ältest datierte Maschkeralarve in Mittenwald. Sie dürfte um das Jahr 1655 herum geschnitzt worden sein.
Das ist sie, die ältest datierte Maschkeralarve in Mittenwald. Sie dürfte um das Jahr 1655 herum geschnitzt worden sein. © Dirk Eckert

Das Ölgemälde des bekannten Kunstmalers zeigt den Blick aus seinem Werkstattfenster im Winter. Das besondere Detail: Am linken Rand hängen Larven. Und deutlich ist zu erkennen, dass darunter auch jene älteste ist, die aktuell im Geigenbaumuseum ausgestellt wird. Hat Reiser sie also nie getragen, sondern lediglich als Deko in seinem Atelier genutzt? „Das wissen wir leider nicht“, meint Eckert. Bekannt ist nämlich, dass der Künstler ein Faible für die uralte Fasnacht und besonders für Maschkera hatte. Nach seinem Tod 1950 ist vieles aus seinem Nachlass verkauft worden – darunter die Larvensammlung, die auf dem Gemälde zu sehen ist.

Das Geheimnis um das Alter der Maske lüftete Eckert erst viele Jahre nach ihrem Kauf. Als er sein Buch „Die Werdenfelser Fasnacht und ihre Larven“ im Jahr 2015 fertigstellt, lässt er sie mit weiteren Larven von einer Spezialfirma aus Mailand per Infrarotspektroskopie untersuchen. Die Experten brauchen damit die Maske nicht mehr mit Bohrungen beschädigen.

Das Entstehungsdatum der Larve verblüfft

Das Datum um das Jahr 1655 verblüfft Eckert enorm – denn nun wird es kurios. „Es ist von der Anfertigung her eine Geigenmacherlarve“, erläutert Eckert. Symmetrisch, dünnwandig und auch an der Innenseite sehr fein ausgearbeitet. „Ein Merkmal, das fast nur die Mittenwalder Larven haben.“ Doch kann die Maske eigentlich gar nicht aus dem Beitel eines Geigenbauers stammen: Denn Matthias Klotz (1653 bis 1743) brachte das Instrumentenhandwerk erst 30 Jahre später, 1684, nach Mittenwald. Wurde die Larve also erst viel später gefertigt mit einem Holz, das viele Jahrzehnte lang lagerte? „Das ist eher unwahrscheinlich“, meint Eckert.

Dass die Larve keinen Hinweis auf seinen Schnitzer und die Jahreszahl der Fertigung vorweist, ist für Eckert aber nicht ungewöhnlich. „Die meisten Bildhauer haben erst im 19. Jahrhundert damit begonnen, ihre Larven zu kennzeichnen.“ Im 17. Jahrhundert war diese Art der Schnitzerei fast schon verpönt und diente den Künstlern lediglich als Zubrot. Unter anderem für die „Kistler“, den Vorgängern der Schreiner. Sie schnitzten Larven oftmals nur für Kost und Logis, wenn sie wo nächtigen durften. Einer jener Kistler, die womöglich die Altäre der Kirchen im Landkreis im 17. und 18. Jahrhundert zauberten, dürfte daher wohl der Erschaffer der Larve sein.

Larve wurde womöglich tausende Male getragen

„Natürlich wird’s noch viel ältere geben“, mutmaßt auch Anton Sprenger, seit über 19 Jahren der Vorsitzende des Mittenwalder Museumsvereins. „Nur wurden die noch nicht analysiert.“ Schließlich ist die Infrarotspektroskopie teuer und aufwändig. Sprenger ist begeistert davon, dass die archaische Tradition des Maschkera-Gehens nachweislich schon uralt ist „und immer noch gelebt wird“. Was ihn besonders erstaunt, ist die hohe Qualität der Larven im Werdenfelser Land. Denn die Tradition des Maschkera-Gehens gibt’s nicht nur hier, sondern auch in Sardinien, Portugal, Spanien, sogar auf entlegenen griechischen Inseln und natürlich auch in Österreich, in Südtirol, im Trentino und selbstredend in der Karneval-Hochburg Venedig. Diese Einflüsse sind bis heute noch in Mittenwald bei den Gungln und am Unsinnigen Donnerstag spürbar, wie die Maschkerafigur „Bajazzel“ (venezianisch: Pajazzo) beweist.

Immer wenn Sprenger und Eckert die ältest datierte Larve im Geigenbaumuseum ansehen, geraten beide ins Schwärmen. „Was meinst, wie oft die getragen wurde?“, fragt Sprenger. Schließlich ist die Larve sogar an mehreren Stellen gebrochen, musste geleimt und mit Draht wieder befestigt werden. „Tausende Male wahrscheinlich.“

Dauerausstellung

Die Dauerausstellung „Die Mittenwalder Fasnacht und ihre Larven“ ist auch weiterhin im Mittenwalder Geigenbaumuseum zu bestaunen. Das Buch „Die Werdenfelser Fasnacht und ihre Larven“ von Dirk Eckert ist als gebundene Ausgabe im Volk-Verlag erschienen.

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